Rund 900 Millionen Dollar konnte "GTA Online" 2020 umsetzen. Ein Ende des Erfolgslaufs ist nicht absehbar.

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Es läuft Phil Collins im Radio, ich fliege mit einem DeLorean rund 100 Meter über dem Meer und schieße Raketen auf ein Flugzeug. Ja, GTA Online ist auch heute noch ein Dauerbrenner, hatte 2020 mit einem Umsatz von knapp über 900 Millionen Dollar sogar sein erfolgreichstes Jahr und das sieben Jahre nach seinem Erscheinen.

Aber warum verlieren sich noch immer Millionen von Spielern in diese zugegebenermaßen sehr lebendige Welt, und warum geben sie verdammt nochmal dabei so viel Geld aus? Es folgt der Versuch einer Erklärung in Form eines Selbstversuchs.

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Gangster-Life

Ich weiß, beim STANDARD schreiben wir eher selten in der Ich-Perspektive, aber seit ich wieder regelmäßig GTA spiele, liebe ich es, Grenzen auszutesten. Ich streiche extra dick Butter auf mein Brot, auch wenn meine Frau das hasst, und ich wecke meinen 14 Monate alten Sohn seit kurzem mit kalten Käsescheiben, die ich ihm ins Gesicht klatsche. Konventionen sind nichts mehr für mich, was ich in den letzten Wochen dank GTA perfektioniert habe.

Okay, Scherz beiseite. Starten wir das Spiel. Zugegeben, der Einstieg in die riesige Welt ist nicht einfach. Ständig rufen Leute auf meinem Handy an und wollen mir Aufträge vermitteln, regelmäßige Pop-up-Fenster nerven mit Zusatzinformationen, und gerade hat mich ein anderer Spieler beim Vorbeifahren niedergeschossen. Ein guter Anfang.

Um nicht gleich wieder die Lust zu verlieren, frage ich die Freunde von mir, ob sie mir ein schnelles Tutorial geben wollen. Zu meinem Glück erklären sich die Herren dazu bereit und tauchen mit Laserkanone und schießenden Glitzerautos zu unserem Date auf. Im Chat erklären sie mir, was alles möglich ist. Um Geld zu verdienen, lassen sich Firmen gründen, für die man ein Büro kaufen muss. Meist noch eine Garage dazu, je nach Geschäftsidee. Für die Heists, die coolen Raubüberfälle, die man auch aus dem Story-Modus kennt, benötigt man je nach Auftrag einen Bunker, ein U-Boot oder einen Nachtclub. Autos lassen sich zudem versichern, man kann Drogen schmuggeln und vieles, vieles mehr.

Meine Ohren pfeifen, und mein nicht mehr sehr junger Körper schwankt, ob es die richtige Entscheidung war, sich diesem Monster zu widmen, aber nach einer Einladung in die geheime Basis meines Mitspielers und das Briefing für unseren ersten Heist bin ich Feuer und Flamme.

Um diese besonders spektakulären Missionen zu spielen, muss man Vorbereitungsmissionen erledigen. So teilt sich das vier Mann starke Team in zwei Gruppen und stiehlt Autos beziehungsweise besorgt getrennt voneinander Informationen, die man für die letzte Mission benötigt. Dann rauschen wir mit den eingangs erwähnten DeLoreans über das Flugfeld, heben hinter dem zu verfolgenden Flugzeug ab und ballern zusammen auf das Ziel, bis es in einem Feuerball gen Erde sinkt. Mission erfolgreich, Belohnung erhalten.

Das gefällt nicht nur Fans von "Zurück in die Zukunft".
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Second Life

Drei solche Heists habe ich in den letzten Wochen gespielt, und jeder war für sich sehr anstrengend, aber auch abwechslungsreich inszeniert. Das gemeinsame Fluchen beim Scheitern macht dabei ähnlich viel Spaß wie der Jubel über die Abschlussprämie. Wenn man allerdings mehr Zeit im Spiel verbringt, fängt man auch an zu investieren. Man kauft sich eine Wohnung, ein Büro oder auch einen Panzer. Ein Rad greift ins nächste. Ein Büro ermöglicht Aufträge, andere Gebäude schalten Fahrzeuge oder Missionen frei. Dazwischen kann man Kleidung oder Waffen um teures Geld besorgen. Man will ja auch nicht irgendwie aussehen beziehungsweise zum Heist ohne die richtigen Gewehre auftauchen.

Auch neben den kleineren Missionen, Rennen oder kleinen Überfällen kann man seine Zeit und sein Geld in eine Runde Golf stecken, die unglaublich lebendige Stadt erkunden oder sich im neu gebauten Kasino an einer Runde Roulette versuchen.

Neu ist das Kasino insofern, als dass es zum Start von GTA Online 2013 noch nicht im Spiel war, sondern erst im letzten Jahr entstanden ist. So verändert sich die Welt und bleibt auch im achten Jahr seit dem Erscheinen irgendwie frisch. Neue Erweiterungen halten die Spieler bei der Stange, immer wieder ins Spiel zu schauen. Das geht auch ohne große Investitionen, aber wieso setzt GTA Online dann noch immer so viel um?

Mit Echtgeld kann man sich das Leben in "GTA" einfacher machen.
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Ohne Moos ...

Ich selbst habe mich in die Idee verliebt, K.I.T.T. aus Knight Rider besitzen zu wollen, den es im Spiel zu kaufen gibt. Um läppische 4,5 Millionen bin ich dabei. Als zusätzliche Voraussetzungen warten leider auch die Investitionen in eine Wohnung, ein Büro und eine Garage, was am Ende noch einmal in etwa diese Summe verlangt. Bei einem durchschnittlichen Entgelt von rund 100.000 nach einem Heist kann man sich ausrechnen, wie lange man für solch eine fixe Idee sparen muss.

So lächelt der Store im Spiel verführerisch, etwa in Form der Cash-Card Megalodon. Acht Millionen GTA-Dollar gibt es um 75 Euro. Wenn ich damit all meine Träume im Spiel erfüllen könnte, würde ich sagen: Okay, wenn ich das Spiel ein Jahr spiele, ist das schon gerechtfertigt. Aber wenn sich damit lediglich das Auto meiner Träume ausgeht und vielleicht eine bessere Büroausstattung, findet man schnell heraus, wie GTA Online gerade im ersten Pandemie-Jahr so erfolgreich sein konnte.

Gut, jeder Spieler ist mündig und kann entscheiden, ob er das Geld ausgeben möchte, aber es ist schon verdammt verlockend, hier Geld einzuwerfen. Speziell dann, wenn man selten online ist. Wer regelmäßig das Spiel besucht, diverse Boni im Kasino abstaubt und sich beispielsweise jeden Monat den Playstation-Plus-Bonus holt, der kann seine Träume wohl auch ohne Echtgeld erfüllen. Alle anderen, speziell die Berufstätigen und Eltern, sind verleitet, die finanzielle Abkürzung zu gehen.

Bei den Militärfahrzeugen findet sich auch K.I.T.T. aus der TV-Serie "Knight Rider".
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Wo viel Licht ...

Ganz ohne Fehler haben sich meine Stunden im Spiel dann auch ohne die große Frage rund ums Geld nicht gestaltet. So ist speziell die Steuerung noch immer äußerst schwammig, was speziell in Feuergefechten auffällt. Während die Gegner scheinbar als Kind in einen Topf mit Zielwasser gefallen sind und auch über die größten Distanzen gern mal euren Kopf treffen, sind Treffer von meiner Wenigkeit eher die Ausnahme. Sogar die Hartgesottenen in unserer Gruppe stellen bei harten Missionen auf die Zielhilfe um, weil das Spiel offenbar gar nicht darauf ausgelegt ist, dass man den Horden an Gegnern anders Herr werden kann.

Auch die unübersichtlichen Menüs haben sich einen Rüffel verdient. Ist der Einstieg ohnehin kein leichter, muss man viele Dinge in drei verschiedenen Menüs suchen. Wer etwa auf der Straße nicht von anderen Spielern erschossen werden will, der kann sich selbst auf "passiv" stellen, wenn er den dazugehörigen Punkt im Online-Menü findet. Snacks werden umständlich via mehrere Tastenkommandos konsumiert, was speziell in stressigen Situationen für einige Flüche meinerseits gesorgt hat.

Generell sollte man als Anfänger einen eigenen Server aufmachen, auf dem man nur gezielt Freunde einlädt. Das Spiel bietet ausreichend Herausforderungen, da braucht es nicht noch verrückte Mitspieler, die auf alles mit ihrem Raketenwerfer schießen, das nicht bei drei im Hochsicherheitsbunker ist.

An fahrbaren Untersätzen fehlt es tatsächlich nicht.
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Treue schwören

Für jemanden wie mich, der die Fast & Furious-Filme zu seinem Guilty Pleasure erkoren hat, ist GTA Online tatsächlich ein Traum. Die Überfälle sind so witzig und individuell inszeniert, dass man alle davon auch mehrmals spielen kann. Auch die irre Auswahl an Fahrzeugen lädt zum Sammeln ein, bis man selbst die Garage von Cristiano Ronaldo übertrumpft. Noch gefährlicher für mein reales Leben wäre das Spiel wohl nur dann, wenn man auch noch wie in Die Sims Berufe erlernen und eine Familie gründen könnte. Man stelle sich eine Mafiafamilie vor, die man über Generationen hinweg begleiten könnte.

Abgesehen davon begeistert die Welt von GTA auch 2021 noch. Wer Los Angeles kennt, der wird den GTA-Ableger Los Santos ohnehin regelmäßig bestaunen, weil man so viele Ecken des realen L.A. im Spiel wiedererkennt. Auch das Fluchen von Passanten, wenn man sie knapp nicht überfährt oder der viele Verkehr durch das nächtliche Los Santos – es gibt so viele Dinge, die man in vergleichbaren Spielen auch so viele Jahre später nicht erleben kann. Ganz viele schöne Momente haben Fans auch in diversen Fotogalerien festgehalten.

Ich selbst begebe mich jetzt aber in meine Firma. Es gilt Autos zu stehlen und teuer zu verkaufen. Für meinen Traum, den coolsten schwarzen Pontiac Firebird der Welt zu besitzen, fehlen noch etwa zehn Millionen GTA-Dollar. Am Weg ins Büro spielt es Cats in the Cradle, und ich drehe singend noch eine Extrarunde um den Block. "And the cat's in the cradle and the silver spoon, little boy blue and the man in the moon …" (Alexander Amon, 8.5.2021)