"Nein, ich bin gut" im Sinne von "Nein, danke" ist gerade dabei, sich durchzusetzen, und wir können genau nichts dagegen tun.

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Der Ausdruck "unpopular opinion" fungiert in der gesprochenen und geschriebenen Sprache von Millennials als Mini-Triggerwarnung. Wenn man sich bereits ausrechnen kann, dass die Reaktionen der Hörerinnen- oder Leserschaft auf das zu Behauptende gar nicht gut ausfallen werden, stellt man diese Fügung an den Satzanfang. Probieren wir das gleich mal:

"Unpopular opinion", aber ich finde Anglizismen und Denglisch ziemlich "nice". Englischsprachige Redewendungen aus der Popkultur "given" mir "life", also enthusiasmieren mich hochgradig. Ich setze alles daran, sie unters Volk zu bringen und meinen Teil dazu zu tun, den Sprachwandel voranzutreiben. "Sorry not sorry."

Der Boomer hatte recht

Schon einer meiner ehemaligen Professoren auf der klassischen Philologie, ein sehr gefürchteter, konservativer "alter weißer Mann", sagte einmal in einer Vorlesung: "'Feeling' bedeutet nicht dasselbe wie Gefühl, und wenn Sie das nicht verstehen, dann exmatrikulieren Sie sofort!" Der Boomer hatte recht.

Begriffe wie "vibe" oder "mood", zwei gerade gern verwendete Wörter in der Sprache Adoleszenter und Postadoleszenter, meinen viel mehr, als man mit der wörtlichen Übersetzung, also "Stimmung", transportieren könnte. Wer sie richtig verwendet, verwendet sie nicht nur beschreibend, sondern immer referenziell. Und das ist doch bitte "lit af".

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Interessant wird es, wenn wörtliche Übersetzungen nicht nur zu wenig Sinn, sondern Unsinn vermitteln. Eine Bekannte, die längere Zeit in den USA gelebt hatte, war es dort gewohnt, auf die Frage des Servicepersonals, ob sie noch etwas trinken möchte, mit der Phrase "No, I’m good" zu antworten. Das ist in den USA umgangssprachlich ja auch gang und gäbe. Nach der Heimkehr übersetzte sie das eins zu eins und lehnte forthin die Angebote österreichischer Kellner nach weiteren Spritzern mit "Nein, ich bin gut" ab.

Anfangs hielt ich das für ein Einzelphänomen, versuchte es ihr auszutreiben. Doch bald schnappte ich diese völlig missverständliche Wendung immer häufiger von Menschen auf, die keine K1 dieser Freundin waren. "Nein, ich bin gut" im Sinne von "Nein, danke" ist gerade dabei, sich durchzusetzen, und wir können genau nichts dagegen tun.

Da hilft nur noch Spritzer trinken, denn mit dieser Entwicklung "bin nicht einmal ich gut".(Amira Ben Saoud, 6.5.2021)