Der geplante Paragraf 112a in der Strafprozessordnung würde den Kampf gegen Korruption bei Behörden und in der Politik schwächen, befürchten Kritiker.

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Wer in der heimischen Rechtsordnung wühlt, stößt häufig auf den Begriff "Strafproceßordnung". Die Schreibweise mag veraltet sein, doch die Strafprozessordnung (StPO) aus dem Jahr 1873 ist in Österreich immer noch gültig. Die aktuelle Fassung wurde 1975 verlautbart, einzelne Bestimmungen und Paragrafen wurden und werden immer wieder novelliert. Derzeit dreht sich alles um den geplanten §112a, der schnell den Beinamen "Razzia-Paragraf" erhalten hat.

Er ist Teil einer umfassenden Reform, mit der das Staatsschutzgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz angepasst werden sollen. Hintergrund ist die Neuausrichtung des polizeilichen Verfassungsschutzes. Am Freitag endet die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf, den Innen- und Justizministerium vorgelegt haben.

Mehr als 8.000 Stellungnahmen

Mehr als 8.000 Privatmenschen und fachlich berufene Stellen haben im Rahmen des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens eine Stellungnahme abgegeben. Und die meisten davon lehnen §112a in seiner vorgelegten Fassung ab. Nicht nur, aber auch deswegen wird dieser Paragraf in der ursprünglich geplanten Version nicht kommen. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) lässt den angekündigten Razzia-Paragrafen überarbeiten.

Darum geht es: Die Regierung wollte eine Regelung einführen, dass die Beschlagnahmung von Unterlagen und Datenträgern bei Ämtern und Behörden künftig nur noch im Ausnahmefall durch die Strafverfolgungsbehörden selbst möglich sein soll. Das Ansinnen einer Staatsanwaltschaft, etwa bei konkreter Verdachtslage das Mobiltelefon eines Beamten sicherzustellen, sollte per Amtshilfeverfahren durchgeführt werden. Also sollte beispielsweise ein Behördenleiter einem betroffenen Mitarbeiter dann das Handy abnehmen.

Nicht verhältnismäßige Hausdurchsuchung

Hintergrund war eine vom Oberlandesgericht Wien im Nachhinein als nicht verhältnismäßig eingestufte Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) im Jahr 2018 – also bei jener Abteilung, deren Neuaufstellung der Grund für die aktuelle Gesetzesnovelle ist. Die Juristinnen und Juristen der Ministerien wollten wegen dieses Einzelfalls quasi Rechtssicherheit schaffen und klarstellen, dass Razzien bei Behörden vorrangig durch Amtshilfe erledigt wird. Was aber, salopp gesagt, auch so ausgelegt werden kann, dass Behördenleiter nur Sicherstellungen von Akten und Handys absegnen könnten, wenn ihnen das genehm ist.

Derzeit ist die Regel, dass Haus- und Personendurchsuchungen im Rahmen eines Strafverfahrens nur mit einer richterlichen Bewilligung von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden dürfen. Bei Gefahr in Verzug kann die Kriminalpolizei auch ohne Bewilligung sofort etwaige Beweise sicherstellen und beschlagnahmen. Bei Behörden können aber eben auch im Rahmen des Amtshilfeverfahrens Mitarbeiter der Behörde einschreiten. Die Betonung liegt auf "können". Mit §112a sollte die Kann-Bestimmung zum Mittel erster Wahl gemacht werden. Was sich aber etwa bei Korruptionsverdacht als schlechte Wahl entpuppen könnte.

"Vertuschungsparagraf"

Maria Mayrhofer von der zivilgesellschaftlichen Kampagnenorganisation #Aufstehn spricht deshalb von einem "Vertuschungsparagrafen". Damit würden die Staatsanwaltschaften in Korruptionsverfahren gegen Politiker und Politikerinnen de facto eines ihrer wichtigsten Werkzeuge verlieren, so Mayerhofer. Ihre Kampagne hat tausende Menschen dazu bewogen, am Begutachtungsverfahren online teilzunehmen. Mayrhofer zieht auch den poltischen Bogen: "Für viele Menschen hat Kurz’ ÖVP hier eine rote Linie überschritten. Während man selbst mit Korruptionsermittlungen und Hausdurchsuchungen konfrontiert ist, diese einschränken zu wollen – das wirft kein gutes Licht auf die Kanzlerpartei."

Oft unvollständig

Aus rein fachlichen Gründen haben sich u. a. der Oberste Gerichtshof, das Oberlandesgericht Wien, das Oberlandesgericht Innsbruck sowie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen die aktuelle Fassung des Razzia-Paragrafen ausgesprochen. Die Erfahrung zeige, dass im Rahmen der Amtshilfe beschaffte Beweise "allzu oft unvollständig sind", schildert die WKStA praktische Erfahrungen.

Die große Zahl an Stellungnahmen sei ein Ausdruck lebendiger politischer Partizipation und daher zu begrüßen, hieß es am Donnerstag im Büro von Zadić auf Anfrage des STANDARD. Die Justizministerin war bereits im Austausch mit den Initiatorinnen der Petition von #Aufstehn. Als nächstes werden die Stellungnahmen aus dem Begutachungsverfahren geprüft und gegebenenfalls in die Regierungsvorlage eingearbeitet.

Der Wortlaut, mit dem der umstrittene Passus repariert wird, steht noch nicht fest. Justizministerin Zadić stellt aber klar, dass Hausdurchsuchungen in Ministerien und Amtsgebäuden weiterhin möglich sein werden. Das sollte laut §112a aber nur dann der Fall sein, wenn die beschuldigte Person eine leitende Behördenfunktion innehat. Diese Einschränkung, so viel ist sicher, wird fallen. (Michael Simoner, 6.5.2021)