Energie versus Chemie: So lautet das Match im internen Kampf um den OMV-Chefsessel.

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Bei dem sehr lautstark geführten Kampf um die Nachfolge von Rainer Seele an der Spitze der OMV geht es nicht nur um Macht und Einfluss. Es geht auch um die künftige Positionierung des Konzerns angesichts der schwindenden Bedeutung von Öl und Gas. Der Klimawandel lässt grüßen. Vor allem gestandene Ölleute in der OMV machen sich Sorgen, dass sie angesichts des von Seele eingeleiteten Schwenks in Richtung mehr Chemie unter die Räder kommen.

Ihr Fürsprecher ist Johann Pleininger. Der 59-Jährige hat sein bisheriges Leben in der OMV verbracht – ganze 44 Jahre seit seinem Einstieg als Schlosserlehrling in Gänserndorf (NÖ) 1977. Der gebürtige Weinviertler, der eine Ausbildung als Maschinenbau- und Wirtschaftsingenieur gemacht hat und es bis zum stellvertretenden Generaldirektor brachte, hat viele OMV-Chefs kommen und gehen gesehen, von Siegfried Meysel über Richard Schenz und Wolfgang Ruttenstorfer bis zu Gerhard Roiss.

Johann Pleininger verantwortet seit September 2015 im Vorstand der OMV den Bereich Exploration und Produktion.
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Rainer Seele, der 2015 von der BASF-Tochter Wintershall in Kassel kommend von Roiss in der OMV-Zentrale beim Wiener Prater das Ruder übernahm, will seinen noch bis Sommer 2022 laufenden Vertrag erfüllen und dann abtreten. Das hat er vorvergangenen Montag kundgetan. Pleininger, der als Vorstandsdirektor den Bereich Exploration und Produktion (E&P), sprich das Öl- und Gasgeschäft in der OMV, verantwortet, hat, wenn auch nicht öffentlich, so doch gegenüber Mitarbeitern seine Absicht erklärt, OMV-Chef zu werden. Und dass er einiges anders machen würde.

Als zweiter interner Kandidat, der dies aber selbst vor Mitarbeitern noch nicht öffentlich gemacht hat, gilt Alfred Stern (56). Der gebürtige Steirer hat einen Master in Kunststofftechnik der Montanuniversität Leoben, war zunächst beim Chemieunternehmen DuPont und ist 2008 zu Borealis gestoßen – damals ein Joint Venture zwischen Ipic aus Abu Dhabi (64 Prozent; ist inzwischen in Mubadala aufgegangen) und der OMV (36 Prozent).

Alfred Stern, früher Chef von Borealis, ist seit 1. April im Vorstand der OMV für die Kunststofftochter zuständig.
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Nach dem von Seele betriebenen Abgang von Mark Garrett als Chef von Borealis rückte Stern nach und war mittendrin, als die OMV ihren Aktienanteil und damit den entsprechenden Einfluss bei Borealis im Vorjahr auf 75 Prozent erhöhte. Mit 3,8 Milliarden Euro netto für zusätzlich 39 Prozent an dem Kunststoffkonzern war das die bis dato größte Akquisition nicht nur der OMV, sondern eines österreichischen Unternehmens überhaupt. Garrett hat inzwischen viel mitzureden, wenn es um die Nachfolge von Seele geht. Er ist Chef des 15-köpfigen Aufsichtsrats der OMV und sitzt als solcher auch im sechsköpfigen Nominierungsausschuss.

Mit 1. April dieses Jahres und damit wenige Wochen vor der auch für viele Aufsichtsratsmitglieder überraschenden Erklärung Seeles, sich nicht mehr um eine Verlängerung seines Vertrags bemühen zu wollen, ist Stern in den Vorstand der OMV gewechselt. Von dieser Position aus soll er die Integration von Borealis in den Konzern bewerkstelligen. Borealis beschäftigt weltweit rund 6900 Mitarbeiter, 1900 davon in Österreich. Von den 870 Millionen Euro Betriebsgewinn (um Lagereffekte bereinigtes Ebit) der OMV im ersten Quartal 2021 stammte mehr als die Hälfte – exakt 440 Millionen Euro – von der Kunststofftochter.

Das ist manchen im Konzern gar nicht recht. Sie befürchten, gegenüber der Chemie ins Hintertreffen zu geraten und über kurz oder lang an Bedeutung zu verlieren.

Bohrlöcher als Assets nutzen

Pleininger habe, so hört man, eine Gegenstrategie in der Schublade, die auch von der E&P-Belegschaft zu großen Teilen unterstützt werde. Die Strategie läuft, vereinfacht gesagt, auf einen schrittweisen Umbau des Kerngeschäfts – Öl- und Gasförderung – in Richtung erneuerbare Energien hinaus. Ausgeförderte Lagerstätten sollen in Zukunft verstärkt als Speicher für Wasserstoff genutzt werden, wobei der Wasserstoff mit Strom aus Wind- und Sonnenenergie erzeugt werden, also "grün" sein soll.

Geothermie ist ein weiteres Thema, bei dem Synergien gehoben werden könnten. Als OMV verfüge man nicht nur über entsprechendes Wissen, was die Bodenbeschaffenheit betrifft – in Österreich und auch in vielen anderen Ländern, wo man tätig sei. Man eröffne damit auch tausenden Mitarbeitern eine Zukunftsperspektive, ist aus dem Umfeld von Pleininger zu hören. Im Bereich E&P sind konzernweit an die 12.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Revival

Einen Ausflug in das weite Feld erneuerbarer Energien hat die OMV unter Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer schon einmal gemacht. Dazu wurde ein eigener Future Energy Fund ins Leben gerufen. Ziemlich rasch kam man zum Schluss, dass es sich nicht rechnet, damals zumindest nicht.

Stern, der zweite Aspirant auf den Chefsessel, möchte hingegen die bisherige Strategie fortsetzen. Die sieht einen verstärkten Output in Kunststoff vor. E&P-Leute sehen das als Sackgasse und verweisen auf Probleme und das schlechte Image von Plastik, was die OMV über kurz oder lang einholen werde.

Nun ist jedenfalls der Aufsichtsrat am Zug, der den Nominierungsausschuss mit der Suche eines CEO beauftragen muss. Nächste Gelegenheit wäre der 17. Mai. Für diesen Tag ist eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung anberaumt. Es gilt als fix, dass auch nach externen Kandidaten Ausschau gehalten wird.

(Günther Strobl, 7.5.2021)