Der Industrielle Pildner-Steinburg hatte "eine neue Politik und einen neuen Politikstil" durch die junge, türkise ÖVP erhofft. Nun sei er "tief enttäuscht".

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In der ÖVP ist ein noch verhaltenes, aber deutlich hörbares Murren zu vernehmen. Vor allem die SMS-Affäre um den türkisen Kanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel und Öbag-Chef Thomas Schmid hat in der Volkspartei, besonders in den Reihen der alten schwarzen ÖVP, erhebliche Irritationen ausgelöst.

"Verfall der Sitten"

Jetzt wird erstmals auch im Kreis der potenten Industrie-Unterstützer von Sebastian Kurz Kritik an der türkisen Parteiführung laut. Einer aus der Riege der einstigen Wahlunterstützer, der Industrielle Jochen Pildner-Steinburg, wendet sich heute im STANDARD-Gespräch vom Kanzler "tief enttäuscht" ab.

Es ist vornehmlich der Stil der jungen türkisen Parteispitze samt Umfeld, der "Verfall der politischen Sitten", den der ehemalige Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark beklagt: "Die Art, wie in der ÖVP heute Politik gemacht wird, kann ich nur zutiefst ablehnen. Diese Bussi-Bussi-Gesellschaft ist wirklich nicht meine", distanziert sich der einst Wohlgesonnene.

"Ich habe Sebastian Kurz wirklich mit großer Überzeugung unterstützt. Ich habe in ihm eine große Hoffnung gesehen, dass sich in diesem Land Entscheidendes zum Besseren ändert. Ich hatte auf einen neuen Stil, auf eine neue Art der Politik, eine offene Politik gehofft, die vor allem auch attraktiv für die junge Generation ist. Wirklich neu ist jetzt nur, dass man sich mit Socken – wie der Finanzminister im Parlament – oder mit Turnschuhen bei der Angelobung – wie der neue Gesundheitsminister – bewegt und Schulden bis zum Exzess macht. Kurz hatte gute Karten. Aber das, was jetzt passiert, kann ich einfach nicht gutheißen", sagt Pildner-Steinburg, Chef der steirischen Industrieholding GAW.

"Einfach furchtbar"

Die Chatprotokolle, die jetzt öffentlich wurden und einen Blick auf das Innenleben der ÖVP-Spitze offenlegten, seien "furchtbar": "Ich verurteile das zutiefst. Das kann ich absolut nicht mehr akzeptieren."

Pildner-Steinburg zeigt sich auch enttäuscht über seinen Sektor, die Wirtschaft und Industrie: "Ich vermisse eigentlich auch die starke Stimme der Wirtschaft. Es gibt seit eineinhalb Jahren kaum eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik, die auch diesem Namen gerecht wird. Wir sind konfrontiert mit globalen Entwicklungen, die auch uns schwer betreffen, aber ich kann hier kaum eine Orientierung oder Initiative der österreichischen Wirtschaftspolitik erkennen. Die Weltwirtschaft befindet sich in einer gewaltigen Transformation, und dafür sind kreative Antworten gefragt. Auch in der Steiermark hätte ich mir mehr regionale Antworten und Dynamik für den Restart in die nahe Zukunft erwartet."

Seit Monaten werde der Fokus vorwiegend auf die Gastronomie und den Tourismus gelegt. "Wir sind fast in Knebelhaft der Seilbahnbetreiber. Aber ich bin ja schon froh und dankbar, dass man uns weiterproduzieren lässt", ätzt der enttäuschte Kurz-Förderer. (Walter Müller, 6.5.2021)