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Bereits wenige Tage nach dem islamistischen Terroranschlag in der Wiener Innenstadt im November präsentierte die Regierung als Reaktion darauf ein Antiterrorpaket. Ende letzten Jahres wurden die Gesetzesentwürfe in Begutachtung geschickt. Nach Durchsicht der zum Teil sehr kritischen Stellungnahmen und nach neuerlichen koalitionsinternen Verhandlungen gaben Justizministerin Alma Zadić (Grüne), Innenminister Karl Nehammer und Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP) Freitagnachmittag eine neuerliche Pressekonferenz zum Thema.

Gegenüber den Erstentwürfen dürften keine großen Veränderungen mehr vorgenommen worden sein. Die fertigen Versionen liegen allerdings noch nicht vor. Generell betreffen die Gesetzesvorhaben mehrere Bereiche, neben Erneuerungen im strafgesetzlichen Bereich kommt es auch zu Änderungen im Symbole- und Staatsbürgerschaftsgesetz sowie im Islamgesetz.

Straftatbestand bleibt

Eine stark kritisierte Neuerung betrifft etwa die Einführung eines neuen Straftatbestandes. Dieser soll auf "religiös extremistische Verbindungen" abzielen, gemeint ist damit, so machte die ÖVP von Anfang an klar, der "politische Islam". Unzählige Strafrechts- und Verfassungsexperten wiesen im Vorfeld auf die Überflüssigkeit des neuen Straftatbestandes hin. Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk sagte zum STANDARD etwa, dass die Strafbestimmung bereits durch geltendes Recht erfasst werde.

Hieran hält die Regierung jedoch nach wie vor fest. Man habe "penibel darauf geschaut", dass es sich um eine grundrechtskonforme Lösung handle, sagte Zadić. Es gehe darum, die Gesellschaft vor "religiös motivierten Extremisten zu schützen".

Fallkonferenzen nach der Haft

Weitere wesentliche Neuerungen betreffen die Zeit direkt vor und nach der Haftentlassung von Terrorstraftätern. Konkret sollen Konferenzen einberufen werden, im Rahmen derer sich Behörden, Sozialarbeiter und andere involvierte Akteure über den Straftäter austauschen. Für diese Maßnahmen gab es von Expertenseite viel Lob, bemängelt wurden lediglich Details.

Dem Vernehmen nach wurde nun klarer definiert, wann welche Konferenz stattfinden soll und wer daran teilnehmen wird: Kommt es zu einer bedingten Entlassung, soll zuvor erstens eine sogenannte Entlassungskonferenz stattfinden. Diese wird von der Bewährungshilfe einberufen, daran soll auch der Straftäter selbst und sein soziales Umfeld teilnehmen. Im Zuge dessen soll ein Betreuungsplan erarbeitet werden. Zweitens soll eine Fallkonferenz durch das Gericht einberufen werden, an der die Sicherheitsbehörden, die Koordinierungsstelle für Extremismusprävention und Bewährungshelfer teilnehmen, nicht aber der Straftäter selbst. Eine solche Konferenz kann schließlich auch nach der Haftentlassung noch einmal wiederholt werden, bei der auch die Verlängerung der Probezeit angeordnet werden kann.

Gerichtliche Aufsicht und Überwachung

Danach soll der Entlassene während der Probezeit unter gerichtliche Aufsicht gestellt werden. Im Zuge dessen soll es künftig auch möglich sein, eine elektronische Überwachung – etwa durch eine Fußfessel – anzuordnen. Mit Einschränkungen: Die Person muss der Überwachung selbst zustimmen, und in der eigenen Wohnung bleibt die Überwachung tabu. Eine heikle Angelegenheit: Denn schon bisher war es zwar möglich, im Rahmen der gerichtlichen Aufsicht Weisungen zu erteilen – etwa dass Entlassene bestimmte Orte meiden müssen. Doch Experten erkannten im neuen Vorhaben eine völlig neue Form der Überwachung.

Diese Regelung wurde nun zum Teil entschärft: Die Überwachung soll nicht, wie bisher vorgesehen, von den Sicherheitsbehörden kontrolliert werden, sondern bei der Justiz angesiedelt werden. Ebenso wurden strengere Voraussetzungen für die Verhängung der Fußfessel definiert, etwa dass die zuvor verhängte Freiheitsstrafe 18 Monate übersteigen muss. Der Richter muss außerdem explizit bestimmte Orte vorgeben, die verboten sind – zum Beispiel radikale Moscheen. Und dem Vernehmen nach soll die Maßnahme nicht länger als zehn Jahre verhängt werden dürfen – wobei in so einem Fall auch die Probezeit zigfach verlängert werden müsste. Funktionieren soll die Überwachung so, dass ein Alarmsignal geschickt wird, sobald sich der Entlassene einer zuvor durch das Gericht als verboten definierten Örtlichkeit nähert. Anschließend kann das Gericht zum Beispiel eine Fallkonferenz einberufen.

Verschärfungen bei Waffen und Vereinen

Neben den Verschärfungen im Symbolegesetz, wonach nun etwa auch die gesamten Symbole des Hisbollah sowie der Identitären Bewegung aufgenommen werden sollen, sowie den Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsgesetz, wonach verurteilten terroristischen Straftätern ihre etwaige Doppelstaatsbürgerschaft aberkannt werden soll, kündigte Innenminister Nehammer an, dass bald zwei weitere Gesetzesentwürfe in Begutachtung gehen werden: Das Waffengesetz und das Vereinsgesetz sollen verschärft werden. So solle es künftig eine "klare Trennung zwischen Vereinsleben und Religionsgemeinschaften" geben.

Grundsätzlich nehme man 125 Millionen mehr an Budgetmitteln in die Hand, sagte Nehammer. Acht Millionen davon werden in Deradikalisierungs- und Präventionsprojekte fließen.

Finanzeinblick in Moscheegemeinden

Im Ministerium von Raab erarbeitete man in den Monaten nach dem Terroranschlag eine Verschärfung des Islamgesetzes. Der neue Entwurf liegt dem STANDARD noch nicht vor, der erste sah vor, dass die Kultus- und Moscheegemeinden jährlich einen Einblick in ihre Gebarung gewähren müssen. Auch Vereine und Stiftungen, die mit der Moschee in Verbindung stehen, müssen ihre Finanzunterlagen vorlegen, hießt es bei der Pressekonferenz am Freitag.

So will der Staat kontrollieren, ob das 2015 eingeführte Verbot der Auslandsfinanzierung auch eingehalten wird. Bei einem Verstoß droht Raab mit hohen Strafen. Konkret sah der alte Entwurf vor, dass Gemeinden im Ernstfall das Doppelte des Betrags aufbringen müssen, den sie sich gesetzeswidrig aus dem Ausland beschafft haben. Sollte die Rechnungslegung nicht innerhalb von sechs Wochen erfolgen, droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 72.000 Euro. Geplant ist auch ein Imameregister, in dem alle geistlichen Funktionsträger eingetragen werden sollen. Auch Prediger aus dem Ausland sollen sich hier wiederfinden.

Schnellere Moscheeschließungen

Abgesehen davon will das Kultusamt künftig leichter radikale Moscheen schließen, wenn dies zum Schutz der Öffentlichkeit erforderlich sein sollte. Dies soll nach Einbindung der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) unverzüglich passieren können, "auch ohne Aufforderung zur Abstellung". Genau diesen Punkt fanden Juristen verfassungsrechtlich bedenklich – und genau deshalb scheiterte einst die Auflösung der Arabischen Kultusgemeinde.

Gernot Blümel (ÖVP) wollte 2018 als zuständiger Minister nach einem Tipp des damaligen IGGÖ-Präsidenten Ibrahim Olgun die Kultusgemeinde auflösen, weil sie damals nur aus sieben Moscheen bestand. Laut IGGÖ-Verfassung müssen es aber mindestens zehn sein. Das Verwaltungsgericht Wien hob die Auflösung auf, weil Blümel keine Frist einräumte, um das Problem zu beheben. (Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, 7.5.2021)