Outstanding Universal Value – herausragender universeller Wert für die gesamte Menschheit – lautet das Grundkriterium, um Unesco-Weltkulturerbestätte zu werden. Die Wiener Innenstadt ist dies seit 2001, die von ihr selbst formulierten Werte sind: ein kontinuierlicher Austausch von Werten im zweiten Jahrtausend, die Bauperioden des Mittelalters, Barocks und der Gründerzeit sowie die Rolle als musikalische Hauptstadt Europas.

Eine Auszeichnung, die vor 20 Jahren mit einer Handvoll Hausaufgaben einherging, unter anderem die Erstellung eines Managementplans für das Weltkulturerbe. "Die Stadt darf kein Museum werden", betonte die Unesco damals, gerade die Gleichzeitigkeit von schützenswertem Erbe und lebendiger Stadt bedürfe aber Planung. Die zehn Punkte dieser Hausaufgabe schienen bewältigbar, bis auf einen: "Minimieren des wirtschaftlichen Drucks, um eine dichtere Bebauung der Kernzone zu verhindern."

Der Canaletto-Blick vom Belvedere auf die Innenstadt, einer der Dreh- und Angelpunkte in der Diskussion um das Weltkulturerbe.
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Wie stark dieser wirtschaftliche Druck war, zeichnete sich schon im ersten Jahr ab, als der Hochhausstreit um Wien Mitte entbrannte. Nachdem dort ein (bis heute nicht zufriedenstellender) Kompromiss gefunden war, kam man in ruhigeres Fahrwasser. Die Hausaufgabe Managementplan geriet dabei in den Hintergrund: Zwar wurde schon 2002 der Unesco ein Konzept übermittelt, doch dann geschah lange nichts. 2009 hieß es seitens der Stadtplanung, man brauche eigentlich gar keinen Managementplan, da die Schutzbestimmungen für das historische Zentrum schon ideal seien, und übrigens sei "der Managementplan für ein Weltkulturerbe ein sehr komplexes Gebilde".

Feilschen und Handeln

Kurz und auf Wienerisch gesagt: Es gibt ihn, aber es gibt ihn nicht, aber wir brauchen ihn auch nicht, und es ist alles sehr kompliziert. Allerdings schien die Unesco auch nicht gerade auf die Erfüllung der Hausaufgabe zu drängen.

Dies änderte sich mit dem Hochhausprojekt am Heumarkt. Zwar hatte die Stadt, um der Unesco die Angst vor einem zweiten Wien Mitte zu nehmen, betont, Wien habe ja ein Hochhauskonzept mit Ausschlusszonen, doch im gleichen Atemzug verkündete man, dieses Hochhauskonzept sei leider veraltet und müsse überarbeitet werden.

Das neue, 2014 beschlossen und von hoher Situationselastizität, verzichtete gänzlich auf Ausschlusszonen. Der Fall Wien Mitte wiederholte sich bekannterweise, es folgte ein bis heute andauerndes Gefeilsche um Bauvolumen und Höhen, die Stadtverantwortlichen verliehen bisweilen ihrer gekränkten Verwunderung über die Tatsache Ausdruck, dass die Unesco sich der wienerischen Situationselastizität nicht anpassen wollte und auf ihren schon 2012 klar formulierten Höhenlimits bestand.

Nachdem Wien 2017 auf der Roten Liste landete, war Handeln angesagt. Landtagspräsident Ernst Woller (SP) ist seit 2018 ressortübergreifend dafür zuständig, die verfahrene Situation zu retten. "Seitdem gibt es einen intensiven Dialog mit der Unesco, wir haben uns sehr oft getroffen, und beide Seiten sind sich einig, dass Wien das Prädikat Weltkulturerbe nicht verlieren darf", sagt er zum STANDARD.

Zwei Direktiven

Die vergessene Hausaufgabe Managementplan wurde dabei wieder aus der Schublade geholt, denn auch das Heritage Impact Assessment des Bundeskanzleramts hatte dies eingefordert. 2019 wurde die Erstellung des "Managementplans Welterbe Historisches Zentrum von Wien" im Gemeinderat beschlossen, Budget: 480.000 Euro.

Die Wiener Verwaltung ging an die Arbeit, ein mit internationalen Experten besetztes Sounding Board wurde eingerichtet, im Herbst dieses Jahres soll der Managementplan beschlussfertig sein. Der Entwurf dazu wurde am vergangenen Donnerstag bei einer öffentlichen Enquete im Wiener Rathaus vorgestellt und diskutiert. Bei den regierungs- und verwaltungsnahen Rednern schien vorab die Direktive ausgegeben worden zu sein, möglichst oft das Wort "Dynamik" zu verwenden, worin man einen gewissen Widerspruch zum Grundgedanken des Weltkulturerbes sehen könnte. Zweite Direktive: Der Elefant im Raum, das Projekt Heumarkt, solle möglichst nicht angesprochen werden, wurde es aber doch, schließlich war das Heumarkt-Fiasko einer der Gründe, warum der Managementplan in Angriff genommen wurde.

Wie sieht der Managementplan aus? "Die Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen Zuständigkeiten zu bündeln", erklärte Planungsdirektor Thomas Madreiter. "Wir sind überzeugt, dass die geltenden Gesetze und Instrumente grundsätzlich eine solide Grundlage für das Welterbemanagement darstellen", sagt Bernhard Steger, der für den Managementplan federführende Leiter der MA 21A.

"Um dem Schutz des Welterbes aber einen noch klareren Stellenwert einzuräumen, werden wir auch Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen vorschlagen." Das Welterbe soll in der Wiener Bauordnung explizit verankert werden, zuständig in der Praxis soll der seit 1947 bestehende und aufgrund seiner Nichtöffentlichkeit immer wieder umstrittene Fachbeirat für Stadtplanung sein, mit erweiterten Kompetenzen fürs Weltkulturerbe.

Viel Lob gab es für die Arbeit der Verwaltung, aber auch Kritik, sowohl von politischer als auch von fachlicher Seite. Seitens der Opposition monierte Elisabeth Olischar (ÖVP), der Managementplan enthielte zu viele schwammige Worthülsen wie "Adaption und Nachschärfung von Schutzinstrumenten", und die Öffentlichkeit sei viel zu wenig in den Prozess eingebunden worden.

Chance oder Last

Architektin Elke Delugan-Meissl, Vorsitzende des Fachbeirats, begrüßte die Erweiterung von dessen Kompetenzen, wünschte sich aber eine frühere Einbindung. "Oft sind Projekte schon sehr weit gediehen, wenn sie uns vorgelegt werden. Dann macht es fast keinen Sinn mehr. Besser wäre es, früher mit Investoren ins Gespräch zu kommen, um die Richtlinien klarzustellen."

Kritik übte Christian Kühn, Dekan der TU Wien und Architekturpublizist: "Wien hat mit dem Weltkulturerbe eine Verantwortung übernommen, der es bisher nicht nachgekommen ist. Auch nicht durch den Managementplan, denn das Papier ist viel zu allgemein. Es fehlt eine strukturelle Analyse, und man fragt sich, ob dessen Autoren das Phänomen Weltkulturerbe als Chance oder als Last empfinden."

Auch für Andreas Vass, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA), geht der Plan nicht weit genug: "Die durchgängig unkritische Betonung einer dynamischen Immobilienwirtschaft ist sicher nicht im Sinn einer Wirksamkeit des Managementplans. Ein Zeithorizont von fünf Jahren für eine "Klarstellung betreffend die Entwicklung von Hochhäusern"? Wir brauchen nicht erst jetzt, sondern schon längst einen strikten Ausschluss von Hochhäusern in der gesamten Kern- und Pufferzone und entlang bestimmter Sichtachsen auch darüber hinaus!"

Die treffendsten Worte in der Mitte der Debatte fand Martin Fritz, Mitglied des Sounding Boards, und sie waren an die Politik gerichtet: "Bei Eingriffen in die Substanz der Stadt steht nicht nur die Ästhetik auf dem Prüfstand, sondern auch die Qualität der Verwaltung. Das kann man nicht an Experten delegieren. Der Ball liegt bei Ihnen." (Maik Novotny, 09.05.2021)