Ein Haufen Arbeit zur Bewerbung – ist das arbeitsrechtlich erlaubt?

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Sie ist schon mehrere Jahre in der Branche, aber so viel Zeit habe sie noch nie in eine Bewerbung gesteckt, berichtet eine 30-jährige Personalerin. Sie hatte sich bei einem Start-up beworben und war überrascht über die Aufgaben, die ihr gestellt wurden: angefangen mit einem kurzen Telefoninterview über ein einstündiges Zoom-Interview bis hin zum Suchen und Bewerten potenzieller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sollte eine Stellenausschreibung erstellen, einen Onboarding-Plan entwerfen und Feedback zum Webauftritt des Unternehmens geben. Alles Arbeiten, für die sie als selbstständige Beraterin sonst bezahlt bekommt. "Insgesamt habe ich dafür rund 20 Stunden gebraucht. Ich hatte aber auch schon einiges in petto. Sonst hätte ich gut und gerne auch noch einen ganzen Arbeitstag hineinstecken können."

Wie ist die Geschichte arbeitsrechtlich zu beurteilen? Was darf ein Unternehmen verlangen? Alles, solange die Bewerberinnen und Bewerber mitmachen? "Absolut nicht", sagt Erwin Fuchs, Arbeitsrechtsexperte und Rechtsanwalt bei Sabadello Legal. Er habe Fälle, die dem der Personalerin ähneln, schon mehrmals behandelt. "Häufig laufen solche Bewerbungsprozesse unter ‚Probearbeiten‘ oder ‚Schnuppertag‘. Aber Fakt ist: Wenn jemand an diesem Tag eine Leistung erbringt, die für das Unternehmen irgendeinen Mehrwert hat, dann ist er auf dem besten Weg in ein Dienstverhältnis." Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen einen Bewerber mitarbeiten lässt, könnte dieser ein Dienstverhältnis einklagen. "Dieses müsste sodann zu den jeweiligen Bedingungen wieder aufgelöst werden", sagt Fuchs.

Ist das erlaubt?

Sehr wohl erlaubt sind hingegen Probearbeiten, die dem Unternehmen nichts nützen. "In der Industrie gibt es das berühmte Probestück. Das dient ausschließlich dafür zu sehen, ob ein Bewerber zum Beispiel schweißen oder bohren kann."

Auch bei der Bewerbung für Bürojobs sind solche fiktiven Arbeiten möglich, sagt Fuchs. Ein Anwalt könnte zum Beispiel fiktive Fälle beurteilen, eine Journalistin einen Text schreiben, der dann nicht veröffentlicht wird. "Zum tatsächlichen Mitarbeiten ist dann aber die Probezeit da. Sie ist ja genau dafür gedacht, dass man einander erprobt", sagt Fuchs.

Schaden für das Image

Der Arbeitsrechtsexperte resümiert: "Jedes gute Unternehmen sollte die Definition eines Dienstverhältnisses kennen und die Führungskräfte dazu schulen." Denn ein Bewerbungsprozess, wie ihn die Personalerin durchgegangen ist, sei nicht nur arbeitsrechtlich problematisch, sondern schade auch dem Image eines Arbeitgebers. "Wenn sich herumspricht, dass ein Unternehmen die Leute so ausnutzt, entspricht dies wohl einem suboptimalen Employer-Branding."

Die Personalerin bekam den Job übrigens angeboten – lehnte aber ab. Ihre Verwunderung über den aufwendigen Bewerbungsprozess tat sie kund. (Lisa Breit, 10.5.2021)