In Portugal trafen sich die EU-Spitzen zum ersten Mal seit langer Zeit wieder persönlich.

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Die Europäische Union werde sich "mit vollem Engagement für die Aufhebung aller Barrieren einsetzen, die den globalen Kampf gegen die Corona-Pandemie behindern". Dazu gehöre, dass "alle Staaten den Export von Impfstoff erlauben und die Unterbrechung von Lieferketten vermeiden". Auf dieses Bekenntnis verständigten sich nach den Worten des Ständigen EU-Ratspräsidenten Charles Michel alle Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer beim informellen EU-Gipfel in Porto, der am Freitag begann.

Um das zu erreichen, werde es vor allem darum gehen, die weltweiten Produktionskapazitäten aufzubauen, was die EU finanziell unterstützen wird. "Der Schlüssel ist multilaterale Zusammenarbeit", erklärte Michel und nahm damit eine Schlusserklärung des Treffens vorweg. Dieses wird am Samstag mit einem (virtuellen) EU-Indien-Gipfel abgeschlossen. Wegen der dramatischen Corona-Lage in seinem Land darf Ministerpräsident Narendra Modi mit starker Soforthilfe rechnen. Auf der Tagesordnung steht eigentlich die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen.

Unter Druck

Nach dem Vorstoß der USA, wonach für eine begrenzte Zeit der Patentschutz für Impfstoffe gegen Corona aufgehoben werden soll, gerieten die in Porto erstmals seit längerem wieder physisch versammelten Regierungschefs unter Druck. Es gibt Uneinigkeit in dieser Frage, weil damit Standortfragen der Pharmaindustrie betroffen sind – so wie auch beim gemeinsamen EU-Impfstoffeinkauf. Frankreich blockiert den Kauf von 1,8 Milliarden Dosen von Biontech/Pfizer.

Eine klare Antwort auf die Patentfrage versucht man nun an der EU-Spitze durch das Betonen einer starken globalen Verantwortung und Hilfe zu vermeiden: durch wohlfeile diplomatische Formulierungen.

Eine Aufhebung des Patentschutzes werde "keine einzige Impfdosis bringen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Nötig sei vielmehr, dass Länder mit Impfstoffen diese teilten, der Export nicht beschränkt und in den Ausbau der Produktion investiert werde. Von der Leyen bekräftigte, sie sei "offen" für eine Diskussion über den Vorschlag der USA.

Streit bei EU-Mindestlohn

Ähnliches zeichnete sich beim eigentlichen Gipfelthema, der Sozialpolitik, ab. Neben den Regierungschefs trafen sich auch Gewerkschaften und Arbeitgeber, um Möglichkeiten stärkerer EU-Sozialpolitik, wie etwa die Einführung eines EU-weiten Mindestlohns, zu erörtern. Mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reiste deshalb Arbeitsminister Martin Kocher (parteifrei), nicht aber Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne).

Nicht nur die EU-Staaten sind in puncto Mindestlohn gespalten, seit Jahren werden Entscheidungen aufgeschoben. Auch die Regierung in Wien ist uneinig. Kurz und Kocher lehnen einen EU-Mindestlohn ab, Mückstein ist dafür. Vom Gipfel sollte auf Wunsch der portugiesischen Regierung dennoch ein "sozialer Aktionsplan" beschlossen werden. Bis 2030 soll die Beschäftigungsrate auf 78 Prozent gesteigert, 15 Millionen EU-Bürger aus der Armut geholt werden. (Thomas Mayer, 7.5.2021)