Alle Kameras auf Günther Platter hieß es in dieser so turbulenten Woche für das Bundesland Tirol wieder einmal. Am Ende ist noch nicht klar, ob er geschwächt oder gestärkt daraus hervorgehen wird.

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Den besten Spruch hat sich der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger für das Ende seiner einstündigen Pressekonferenz am Freitag aufgespart. "Es könnte nicht besser laufen für die Opposition", sagte er mit einem zwinkernden Auge und wischte damit dem langgedienten Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ordentlich eins aus. Dieser hatte am Mittwochvormittag in einer eilig einberufenen Pressekonferenz seine zwei Neuen im Team der Landesregierung präsentiert und versuchte die Personalrochade – wenig glaubwürdig – als von langer Hand geplant zu verkaufen. Dabei half ihm nicht gerade, dass sein neuer Wirtschaftslandesrat, der Platter-treue bisherige Vize-Landtagspräsident Anton Mattle, von seiner Überraschung erzählte, als er am Vorabend der PK den Anruf vom Chef bekam. Wenigstens die auf Bernhard "Alles richtig gemacht" Tilg folgende Klinikmanagerin Annette Leja hielt Wort.

Es kann ja eigentlich nicht besser laufen, was diese Regierungsumbildung betrifft", legte Platter bei der Vorstellung noch eins drauf und sprach von einer "regelrechten Aufbruchstimmung" in der Volkspartei. Um wenig später – ungefragt – auch noch seine Wiederkandidatur für die Landtagswahlen 2023 (!) zu verkünden. Dass er mit der Bekanntgabe seiner Kandidatur und der Postenbesetzung Mattles die vom traditionell starken Wirtschaftsbund favorisierten Bündler Christoph Walser und Mario Gerber in die Schranken wies, spricht aber eher für Brüche als für Aufbruch in der Volkspartei.

Bisher war Platter immer ausgewichen und wollte eine Wiederkandidatur rechtzeitig kommunizieren. Nun sah er offenbar den richtigen Zeitpunkt gekommen. Die Opposition spricht gerade deshalb von einer "Panikaktion", einem an die Wand gestellten Landeskaiser, von einer Flucht nach vorne. Was genau war in dieser für Tirol unheilvollen Woche rund um den Innsbrucker Landhausplatz geschehen?

Eine ominöse Vergabe

Einer Anfrage der oppositionellen Liste Fritz folgten vor rund einer Woche erste Antworten auf eine Vergabe, die die Tiroler Politik wohl noch länger beschäftigen wird. Im September 2020 sah sich das Land gezwungen, der anrollenden Herbstwelle an Coronavirus-Infektionen mit umfassenden Testangeboten zu begegnen. Die Krisenmanager glaubten dabei scheinbar, dass die bestehenden Angebote nicht ausreichten, um schnell und kostengünstig hunderttausende PCR-Tests auszuwerten.

Es hätten "äußerst dringliche und zwingende Gründe" vorgelegen, sodass die Vergabe seinerzeit "ohne vorherige Bekanntmachung mit nur einem Unternehmer begründet werden kann", heißt es nun, Monate später. Umstritten ist die Vergabe aber nicht nur wegen der fehlenden Ausschreibung im mit immerhin acht Millionen Euro größten Tiroler Vergabe-Deal seit Corona. Auch dass die heimischen Labors nicht einmal gefragt wurden, ob sie bereit und fähig wären, den Auftrag zu erfüllen, sorgt für Unmut.

Ebenso stößt der Bevölkerung sauer auf, dass wieder einmal das "System ÖVP Tirol" zugeschlagen haben soll, wie die FPÖ moniert. Die Freiheitlichen sehen in den "Kitzbühel-Amigos" eine auffällige Häufung der Freundschafts- und Beziehungsverhältnisse im Tiroler Unterland samt Verbindungen ins Büro Platter, wie sie mit scheinbar hektisch geschwärzten Taferln bei der PK am Freitag aufzuzeigen versuchten. Grund für den eingesetzten Edding waren wohl Klagsandrohungen gegenüber der Liste Fritz wenige Stunden zuvor, die Ähnliches behauptete. Da ging man lieber auf Nummer halbsicher.

Und dann wäre da noch der letztlich erfolgreiche Anbieter selbst. Als Geschäftsführer der HG Labtruck GmbH mit Sitz in Kirchberg in Tirol, die mit ihren futuristischen mobilen Testbussen, ihren günstigen Preisen und ihrer schnellen Abwicklung zu überzeugen schien, fungierte der Wiener Urologe Ralf Herwig. 100-Prozent-Gesellschafter ist wiederum die HG Pharma, die Herwig 2015 gründete. Angebote an andere Bundesländer verliefen übrigens im Sand. Nur Tirol schlug zu.

Ein ominöser Anbieter

Herwig ist mehr als umstritten. Ihm hätte am Freitag in Wien der Prozess wegen des Verdachts auf Körperverletzung mit Dauerfolgen, schwerer sowie fahrlässiger Körperverletzung und schweren Betrugs gemacht werden sollen. Herwig erschien ob einer Erkrankung aber nicht zum Termin. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wegen der "Turbulenzen um seine Person" zog sich Herwig jedenfalls aus dem operativen Geschäft der HG Pharma zurück – vielleicht für immer, wie er der APA noch am Mittwoch sagte. Auch der ominöse Vertrag zwischen der Firma und dem Land Tirol, den bislang weder der Koalitionspartner noch die Opposition und schon gar nicht die steuerzahlenden Tirolerinnen und Tiroler zu sehen bekamen, wird nach Auslaufen am 30. Juni nicht mehr verlängert werden, wurde diese Woche bekannt. Zu allem Überfluss für die obersten Krisenmanager mischten sich neben unsauber, weil superschnell ausgewerteten Antigentests (mit einer Minute Wartezeit statt 15) auch noch Verdachtsmomente bezüglich der Qualität von mehr als 200.000 PCR-Tests in die ohnehin schon angespannte politisch-virologische Stimmung Tirols.

Hauptproblem war, dass es in der HG Pharma bei den mutationsspezifischen PCR-Tests zu Kalibrierungsschwierigkeiten kam. Das Ergebnis war, dass aus Tirol eine besorgniserregend hohe Zahl an Verdachtsfällen der "Fluchtmutation" B.1.1.7+ E484K gemeldet wurde, vor der Impfungen schlechter schützen.

Ein ominöser Anstieg

Vor 15 Tagen hatten sich in Tirol bereits 1800 Verdachtsfälle angesammelt, mit einem drastischen Anstieg im Laufe des Aprils. Tirol war damit der internationale Hotspot dieser Variante, ein Ischgl 2.0 stand im Raum. In der letzten Woche sei es dann aber zu einem starken Rückgang gekommen, weshalb das Land zuletzt Entwarnung gab. Ob diese Zahlen überhaupt stimmten, wird nun aber eben bezweifelt.

Die Ages gab am Mittwoch bekannt, dass von den 2120 Verdachtsfällen auf B.1.1.7+E484K bisher nur 313 bestätigt seien. Bei 189 habe es keinen Nachweis auf die Fluchtmutation gegeben. Bei insgesamt 1618 Fällen liege noch kein Sequenzierungsergebnis vor. Der Genomik-Experte Ulrich Elling (IMBA an der ÖAW) geht von einer hohen Dunkelziffer falscher Verdachtsfälle aus. In der ZiB 2 vermutete er gar, dass sich die mehr als 2100 B.1.1.7+E484K-Verdachtsfälle halbieren könnten. Wie sich die Zahlen bei der Fluchtmutante in Tirol tatsächlich entwickelten, war bis Freitagnachmittag unklar – also auch, ob B.1.1.7+E484K wirklich auf dem Rückzug ist.

Für die Opposition war der Schaden aber bereits angerichtet, tausende Tirolerinnen potenziell zu Unrecht "eingesperrt" worden. Die angesehene Virologin Dorothee von Laer von der Uni Innsbruck konnte aber zumindest beruhigen, dass es keinerlei Grund zur Annahme gebe, dass – anders als bei den B.1.1.7+E484K-Verdachtsfällen – auch nur ein "gewöhnlicher" PCR-Test falsch negativ oder falsch positiv gewesen sei. Von Laer und ihr Team sind es nun auch, die die Befundung der PCR-Tests aus den HG-Pharma-Trucks übernehmen, gab Tirol am Donnerstag bekannt.

Wer das bisher gemacht hat, ist immer noch unklar. Vielleicht erfährt die Öffentlichkeit mehr, wenn die von der FPÖ angekündigte Sonderprüfung des Landesrechnungshofes stattfinden sollte. Dann könnte es auch für Landeshauptmann Platter wieder eng werden. (Fabian Sommavilla, Klaus Taschwer, 8.5.2021)