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Auch wenn Trump nicht mehr völlig in der Öffentlichkeit steht: Er hat sich noch nicht zurückgezogen.

Foto: REUTERS/Joshua Roberts/File Photo

Die betrügerische Wahl des Jahres 2020 werde als große Lüge in die Geschichte eingehen, schimpfte Donald Trump zu Beginn dieser Woche auf der Website seines politischen Aktionskomitees Save America. "BIG LIE", schrieb er und wiederholte in Großbuchstaben, was er seit seiner Niederlage gegen Joe Biden behauptet.

Prompt setzte seine Parteifreundin Liz Cheney zum Konter an. "Das Votum des Jahres 2020 wurde nicht gestohlen", erwiderte sie via Twitter. Wer behaupte, Trump sei durch Betrug um den Sieg gebracht worden, verbreite eine große Lüge, wende sich von der Rechtsstaatlichkeit ab und vergifte die Demokratie.

Cheney glaubt nicht an Wahlbetrug.

Nummer drei der Fraktion

Das war, aus Trumps Sicht, der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Seither bereiten seine Verbündeten im Parlament eine parteiinterne Abstimmung vor, um die Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney aufs Abstellgleis zu schieben. Schon nächste Woche dürften die Republikaner entscheiden, die Abgeordnete aus Wyoming in der Hierarchie herabzustufen.

Seit zweieinhalb Jahren ist Cheney die Nummer drei der Fraktion im Repräsentantenhaus. Lange galt sie als verlässliche Verfechterin der Trump'schen Agenda, stramm konservativ, mit Feuer und Flamme für das Steuersenkungspaket des Präsidenten werbend.

Kein Ritt ins Abendrot

Seit dem 6. Jänner, als aufgeputschte Trumpisten das Kapitol stürmten, gehört sie indes zu den schärfsten Kritikern. Unter den zehn republikanischen Abgeordneten, die im Bunde mit den Demokraten für die Amtsenthebung Trumps votierten, war Cheney die prominenteste.

Damals hatte es den Anschein, als wäre es das Signal für eine Art Absetzbewegung auf Raten. Als würde der 74-Jährige in Palm Beach, seinem Domizil in Florida, bildlich gesprochen ins Abendrot reiten. Als würde er nach und nach in Vergessenheit geraten, als würde das populistische Fieber allmählich nachlassen und die Republikanische Partei zur Tagesordnung übergehen. Die Annahme hat sich als falsch erwiesen.

Kraftprobe des Ex-Präsidenten

Nach wie vor ist es Trump, der in der Partei unangefochten den Ton angibt, auch wenn er auf Sprachrohre wie Twitter und Facebook verzichten muss. Das Tauziehen um Liz Cheney ist denn auch nichts anderes als eine Kraftprobe, mit der er seinen ungebrochenen Einfluss nachweisen will. Um Ideologisches geht es dabei nicht. Es geht allein um die Frage, wie loyal man sich ihm gegenüber verhält. Genauer gesagt, ob man seine durch keinerlei Fakten belegte These vom massenhaften Wahlbetrug teilt oder an ihr zweifelt.

Mitt Romney, einer von sieben republikanischen Senatoren, die im Februar für ein Impeachment Trumps stimmten, bekam vor wenigen Tagen die Quittung für seine Courage präsentiert. Auf einem Parteikongress in Utah wurde er ausgebuht. Der Versuch seiner Gegner, ihn in aller Form abzumahnen, scheiterte nur knapp, mit 711 Ja- bei 798 Nein-Stimmen. Und das im Mormonenstaat Utah, wo Romney, in den USA der bekannteste Politiker mormonischen Glaubens, normalerweise Heimspiele bestreitet.

In Arizona, einem der Swing States, in denen Biden knapp gewann, bestehen die örtlichen Republikaner darauf, das Wahlergebnis nochmals zu prüfen – ein halbes Jahr nach dem Urnengang. Elise Stefanik, eine Senkrechtstarterin aus dem Bundesstaat New York, gibt ihnen lautstark Rückendeckung. Auch deshalb soll sie Liz Cheney in der Fraktionsführung ablösen.

Auf Widerstand folgt Einknicken

Allein schon an Stefaniks Biografie lässt sich ablesen, wie gründlich der Tycoon die "Grand Old Party" auf seinen Kurs gebracht hat. Im Herbst 2014 wurde die Harvard-Absolventin, damals gerade mal dreißig, im ländlichen Norden New Yorks ins House of Representatives gewählt.

2016 unterstützte sie zunächst John Kasich, den Moderatesten des republikanischen Bewerberfelds. Als Trump im Weißen Haus eine restriktive Einwanderungspolitik durchsetzte und die Quote für aufzunehmende Flüchtlinge drastisch herabsetzte, sprach sie von übereilten Entscheidungen. Die 2017 beschlossenen Steuersenkungen lehnte sie ab. Was danach folgte, war ein bedingungsloses Einschwenken auf die Trump-Linie.

Keine Manipulation nachgewiesen

Bei den Wortgefechten des ersten Impeachment-Verfahrens, von den Demokraten eingeleitet im Zuge der Ukraine-Affäre, legte sich Stefanik mit imponierender Eloquenz für den Präsidenten ins Zeug. Und nach dessen Wahlschlappe gehörte sie zu denen, die die Fabel vom Wahlschwindel besonders krass ausschmückten. Allein in Fulton County in Georgia, einem Wahlkreis, der große Teile der Metropole Atlanta umfasst, schrieb Stefanik noch im Jänner in einer Lokalzeitung, sei rund ein Viertel aller Stimmen von "minderjährigen, verstorbenen oder sonstigen nicht Berechtigten" abgegeben worden.

Dabei hatte auch die konservative Regierung des hart umkämpften Staates Manipulationsvorwürfe nach zweimaliger Nachzählung ins Reich der Legenden verwiesen. (Frank Herrmann aus New York, 7.5.2021)