Blümel gängelt zentrale Einrichtungen der Demokratie, Kurz heißt diese Vorgangsweise offenbar gut. Und die Grünen geben sich in ihrer Kritik schaumgebremst.

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Die kleine, verschworene Gruppe um Sebastian Kurz geht davon aus, dass sie prinzipiell recht hat. Davon leiten der Kanzler und seine Getreuen offenbar das Prinzip ab, dass sie das Recht sind und damit über jenem Recht stehen, das auf dem Papier Verfassung und Gesetze vorgeben. Dieser teils schnoddrige, teils auch autokratische Zugang zum Rechtsstaat und seinen Einrichtungen ist gefährlich. Wenn jene, die den Staat repräsentieren, diesen nicht respektieren, seine Regeln missachten und nach allen Regeln der Kunst austricksen, wie kann man dann von den Bürgern erwarten, sich rechtskonform zu verhalten? Wenn die da oben das Recht biegen und brechen und sich den Staat so herrichten, wie sie es brauchen, warum sollen sich dann die da unten konstruktiv in die Gesellschaft einfügen, deren Spielregeln großteils durch Gesetze definiert werden? Warum noch rücksichtsvoll gegenüber anderen sein, wenn die Mächtigen das Recht des Stärkeren praktizieren und selbst entscheiden, wie viel Kontrolle sie zulassen?

Es liegt auf der Hand

Das ist eine bedenkliche Entwicklung, und sie findet unter einem türkisen Kanzler statt. Und unter anderen Umständen, also wenn die Grünen nicht als Koalitionspartner in der Regierung wären, hätten diese längst und sehr vehement nicht nur den Rücktritt von Finanzminister Gernot Blümel gefordert, sondern garantiert auch jenen des Kanzlers. Es liegt ja auf der Hand: Blümel gängelt zentrale Einrichtungen der Demokratie wie Höchstgericht und Parlament, Kurz heißt diese Vorgangsweise offenbar gut. Er deckt sie.

Verharmlosung des Angriffs

Die Grünen finden das nicht gut und artikulieren das auch, sind in ihrer Kritik aber doch recht schaumgebremst. Klar doch: Sie wollen die Koalition, in der sie ihre Aufgabe sehen, nicht gefährden. Durch diese zahme Zögerlichkeit relativieren und verharmlosen die Grünen allerdings diesen Angriff auf die Grundfeste der Demokratie. Sie tragen ihr Scherflein dazu bei, dass der Versuch, die Justiz dem Diktat der Politik unterzuordnen, als normale politische Auseinandersetzung angesehen wird. Was es nicht ist. Das hebt letztendlich das Staatsgefüge aus den Angeln. Wenn die Grünen ihre demokratische Gesinnung ernst nehmen, müssen sie viel entschiedener auf die ÖVP einwirken, die Einrichtungen der Republik zu respektieren. Oder sie müssen diese Koalition aufkündigen. Sonst drohen sie zum Komplizen einer ÖVP zu werden, die den Rechtsstaat bewusst unterläuft, mit allem, was da noch kommen mag. (Michael Völker, 9.5.2021)