Auch nach dem fulminanten Sieg ihrer Scottish National Party (SNP) ist für die Parteichefin und schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon die Priorität klar: die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie. Doch die 50-Jährige hat bereits angekündigt, was danach wieder an die Spitze ihrer To-do-Liste rückt: "der Bevölkerung Schottlands das Recht zu geben, ihre Zukunft zu wählen". Also ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum.

Nicola Sturgeon bleibt die Nummer eins Schottlands.
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Bei der letzten Abstimmung im Jahr 2014 hatte sich eine knappe Mehrheit von 55 zu 45 Prozent für den Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen. Der damalige Ministerpräsident und SNP-Chef Alex Salmond nahm seinen Hut und ebnete damit den Weg für Sturgeon an die Spitze. Sie wurde als erste Frau SNP-Chefin und schottische Ministerpräsidentin.

Salmond wurde Konkurrent

Zuvor war die Anwältin aus Glasgow Salmonds Vize gewesen und hatte sich in seiner Regierung um die Gesundheits- und später Infrastrukturagenden gekümmert. Bei der jetzigen Wahl ist Salmond mit seiner Alba-Partei als bessere nationalistische Alternative zu Sturgeon angetreten – konnte aber keinen Sitz im Parlament ergattern. Sturgeon sitzt fest im Sattel.

Bereits 1992 machte die damals 21-Jährige von sich reden, als sie als jüngste Kandidatin in der Geschichte bei den britischen Wahlen antrat. Sie musste sich zwar geschlagen geben, doch blieb Sturgeon auf Kurs nach oben. Als politisches Vorbild nannte sie einmal im Interview mit der BBC die ehemalige, konservative britische Premierministerin Margaret Thatcher.

Minderwertigkeitskomplex

Die älteste von drei Schwestern, die südlich von Glasgow aufgewachsen ist, wurde schließlich 1999 ins schottische Parlament gewählt. Zur gleichen Zeit wurde ihr späterer Ehemann, Peter Murrell, Parteimanager der SNP. Das Paar heiratete 2010 und blieb kinderlos.

Obwohl mittlerweile oben auf der Karriereleiter angekommen, spricht Sturgeon noch immer von ihrem Minderwertigkeitskomplex – den sie gerne mit dem des schottischen Volkes vergleicht. "Ich habe immer das Gefühl, mich beweisen zu müssen", sagte sie vor der jetzigen Wahl zum New Yorker : "Das ist eine sehr persönliche Sache aber ich denke, dass sie sich in einer gewissen Art in der schottischen Psyche widerspiegelt."

Ihren eigenen Komplex würde sie bearbeiten, doch Schottland müsste seinen noch besiegen: Der Weg in die Unabhängigkeit könnte dafür ein Rezept sein. (Bianca Blei, 9.5.2021)