Bis die offiziellen Ages-Zahlen über den rapiden Rückgang der "Tiroler Fluchtmutation" B.1.1.7+E484K verlautbart werden, bleibt einiges unklar – etwa wie viele der Verdachtsfälle sich tatsächlich als bestätigt herausstellen. Je geringer diese Zahl, desto eher wird sie Kritiker des "Einsperrens der Tiroler Bevölkerung" abermals auf den Plan rufen, wie es die oppositionelle FPÖ seit Wochen lautstark trommelt. Zu sehr habe der Wirtschafts- und Tourismusstandort Tirol unter dem selbstverschuldeten Imageschaden gelitten, so der Vorwurf.

Beim Auftreten neuer Mutationen ist es freilich immer auch eine Abwägungssache zwischen notwendiger Vorsicht und der Einschränkung von Freiheiten. Die gute Nachricht: Zumindest die Ages-Zahlen sollten sehr bald veröffentlicht werden.

Weit weniger klar hingegen ist, wann (und ob) die Öffentlichkeit den umstrittenen Vertrag rund um die Acht-Millionen-Euro-Vergabe für PCR-Tests an die zu HG Pharma gehörende Labtruck GmbH sieht. Die Landeshauptmannpartei ÖVP und die Firma selbst halten diesen aus "datenschutzrechtlichen Gründen", wie es zum STANDARD heißt, nach wie vor unter Verschluss. Nicht einmal der grüne Regierungspartner soll den Vertrag kennen, obwohl das Büro von Landeshauptmann Günther Platter betont, dass Regierungsmitglieder regelmäßig über die Entwicklungen verständigt würden.

Wie der Vertrag zwischen der Labtruck GmbH und dem Land Tirol zustande kam, will niemand der Involvierten so recht verraten.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Platter offen für Prüfung

Platter sagte kürzlich zur "Tiroler Tageszeitung", dass er die von der FPÖ geforderte Sonderprüfung des Landesrechnungshofes bezüglich der Vergaben unterstütze, "wenn es der Wunsch der Opposition ist". Die Rahmenbedingungen bei der HG-Pharma-Vergabe hätten aber jedenfalls gepasst, das habe ihm der Justizialrat bestätigt. Zum STANDARD heißt es aus dem Büro Platter, dass der Erstkontakt zwischen dem Land Tirol und der HG Pharma nicht über Ralf Herwig, sondern über das Management des Unternehmens erfolgte.

Für den Osttiroler Nationalratsabgeordneten Gerald Hauser (FPÖ) ist alles jedenfalls eine einzige Skandalsammlung, was sich da in Tirol über die vergangenen Monate zusammengebraut habe. So ortet er nicht nur bei den Antigentests eine von der Regierung angefeuerte Goldschürfermentalität. Auch bei der Vergabe der PCR-Tests sei "grob fahrlässig" gearbeitet worden. In einer parlamentarischen Anfrage, die er diese Woche im Nationalrat einbringen wird und die dem STANDARD vorliegt, spricht Hauser von "riesigen Problemen mit der Qualität und der Kontrolle von Covid-19-Testlaboren" in ganz Österreich.

Er stößt sich dabei vor allem an der Selbstmeldung der Labore, die ausreicht, um auf der Seite des Gesundheitsministeriums in der Covid-19-Laborliste geführt zu werden. Den darüber stehenden Disclaimer des Ministeriums, wonach es sich bei der Liste um eine reine Serviceleistung handle, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder gar eine Empfehlung bezüglich der Qualität und Validität der Testergebnisse darstelle, will Hauser nicht gelten lassen. Darauf könne man sich nicht verlassen, sagt er. Dass interessierte Laborbetreiber die Gesetze einhalten, darauf müsse man sich sehr wohl verlassen können, sagt das Ministerium.

Der Nationalratsabgeordnete Gerald Hauser (FPÖ) ortet einen Megaskandal und will Antworten vom Gesundheitsminister.
Foto: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Wer hat die Kontrolle inne?

Hauser sieht den Gesundheitsminister und dessen Team vor allem aber aufgrund von Paragraf 68 des Medizinproduktegesetzes für die Überwachung der Labore verantwortlich. Das Ministerium verwies nach einer entsprechenden Anfrage wiederum auf das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Basg). So unterliegen etwa die Hersteller medizinischer Produkte direkt der Kontrolle des Basg sowie der vom Basg beauftragten Sachverständigen.

Eine kurzfristige Anfrage, wie das im konkreten Fall der HG Pharma gehandhabt wurde, wurde vom Basg bis Redaktionsschluss nicht beantwortet. Das Land Tirol spricht jedenfalls von mehreren unabhängigen Qualitätsüberprüfungen der HG Pharma: durch die Landessanitätsdirektion vor der Erstbeauftragung, durch einen Mitarbeiter des Departments für Innere Medizin der Uni-Klinik Innsbruck im November im Zuge seiner Nebentätigkeit als Gutachter sowie durch die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung in Form eines Ringversuchs. Alle seien zum Ergebnis gekommen, dass die Labore "geeignet sind, um die Pandemie zu bekämpfen". (Fabian Sommavilla, 10.5.2021)