Weil Finanzminister Gernot Blümel lange die Verfassung missachtet hat, ist er für die Opposition rücktrittsreif.

Foto: APA / ROLAND SCHLAGER

Wien – Die drei Oppositionsparteien, SPÖ, FPÖ und Neos bringen nach dem Exekutionsantrag des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen der ausgebliebenen Aktenlieferung an den Ibiza-Untersuchungsausschuss eine Ministeranklage ein. Blümels fortgesetzte Verweigerung der Aktenvorlage sei "offenkundig rechtswidrig" gewesen, wie es in dem der APA vorliegenden Antrag heißt.

Blümel missachte seit einem Jahr die Verfassung und seit Anfang März eine Anordnung des VfGH, kritisierte SPÖ-Klubvorsitzender Jörg Leichtfried. Dies sei ein "Tiefpunkt" türkiser Politik. "Regierungsmitglieder, die auf die Verfassung und unsere Gesetze vereidigt sind, müssen diese auf Punkt und Beistrich befolgen", so Leichtfried. Ein Minister, der sich so verhält wie Blümel, sei daher rücktrittsreif.

Mehrheitsbeschluss notwendig

Mit der Weigerung, das VfGH-Erkenntnis umzusetzen, habe der Finanzminister gegen die Verfassung verstoßen, betonte Nikolaus Scherak von den Neos: "Das kann ein selbstbewusstes Parlament nicht hinnehmen." Der VfGH soll jetzt die Möglichkeit bekommen, zu untersuchen, ob Blümel mit der verspäteten Lieferung der Akten an den Untersuchungsausschuss eine Gesetzesverletzung begangen hat.

Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn in der "ZiB 2".
ORF

Für den freiheitlichen Klubobmann Herbert Kickl ist das Maß, was Blümel anbelangt, "endgültig voll". Blümel sei der erste Minister überhaupt, der es wagt, eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu ignorieren. Nach so einem Verhalten könne man nicht zur Tagesordnung übergehen, argumentierte er: "Blümel hätte längst von sich aus den Hut nehmen müssen."

Der entsprechende Antrag, der die Amtsenthebung Blümels erwirken soll, wird zunächst einmal dem Verfassungsausschuss zugewiesen. Dass der Finanzminister tatsächlich real gefährdet wäre, ist jedoch unwahrscheinlich, ist doch für eine Ministeranklage ein Mehrheitsbeschluss des Nationalrats notwendig. Dafür bräuchten die Oppositionsparteien Stimmen aus den Regierungsfraktionen.

Und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer winkte im Ö1-"Mittagsjournal" gleich einmal ab: Blümel habe in "letzter Sekunde geliefert" – dass es dazu eines Exekutionsantrag des VfGH bedurfte, sei zwar "peinlich", letztlich sei der Finanzminister aber seiner gesetzlichen Pflicht nachgekommen. Daher sei eine Ministeranklage "nicht notwendig". Maurer erwartet sich aber, dass Blümel "seine Lektion gelernt hat".

Peschorn sieht "Dilemma"

Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, sprach am Sonntag in der "ZiB 2" über die Causa Blümel von einem "politischen und rechtlichen Dilemma", in das man sich "von allen Seiten hineinmanövriert hat". Seit März berät Peschorn das Finanzministerium als Anwalt der Republik in dieser Sache. Fehler wollte er niemandem zuweisen. Über politische Entscheidungen könne er keine Auskunft geben.

Peschorn habe schriftlich vorgeschlagen, alle Daten und E-Mail-Postfächer in einen elektronischen Datenraum einzuliefern, um diese mit dem Untersuchungsausschuss nach definierten Schlagworten zu durchsuchen. Somit wäre man rasch zu Treffern gekommen. Ob diese Vorgehensweise nicht dem Erkenntnis des VfGH widerspreche, das eine Vorlage aller Akten verlangte, außer es handle sich um private Nachrichten und werde gut begründet? Peschorn erwiderte, dass der VfGH die fehlende Begründung bemängelte. So wie es jetzt kam, habe es niemand gewollt, sagte Peschorn. Weil man mit der analogen Lieferung tausender Seiten nicht überprüfen könne, ob tatsächlich alle Akten geliefert wurden, werde man vermutlich bald auf seinen Vorschlag zurückkommen.

Zusätzlich wurden alle Akten mit Stufe 3 (geheim) geliefert. Damit der Konflikt gelöst werden könne, sei Peschorn für die Einleitung eines Umstufungsverfahrens, das der Untersuchungsausschuss in die Wege leiten könne. So könnte eine "weitere Eskalationsstufe" vermieden werden. (APA, red, 10.5.2021)