Präsident Iván Duque forderte die Indigenen auf, nach Cauca zurückzukehren – und verschärfte den Einsatzbefehl für die Sicherheitskräfte.

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Bogotá – Nach tagelangen Protesten hat der kolumbianische Präsident Iván Duque den Einsatzbefehl für die Sicherheitskräfte verschärft. Er habe Anweisung gegeben, den größtmöglichen Aufmarsch der Sicherheitskräfte zu gewährleisten und den Bürgern Sicherheit zu geben, schrieb Duque am Sonntagabend auf Twitter. Der Präsident ordnete auch an, die Blockaden aufzuheben, die die Mobilität der Bewohner und die Versorgung der Stadt Cali seit Tagen beinträchtigen.

In der südkolumbianischen Metropole Cali wurden am Sonntag mindestens acht Indigene durch Schüsse verletzt, als hunderte Indigene aus der Provinz Cauca zu den Protesten kamen, wie der Sender RCN Radio unter Berufung auf die nationale Ombudsstelle berichtete. Duque forderte die Indigenen auf, in ihre Gebiete zurückzukehren. Allerdings befürchten Beobachter wegen der Aufstockung der Sicherheitskräfte erneut eine Eskalation der Gewalt.

Der rechtskonservative Iván Duque forderte in seiner Erklärung die Guardia Indígena (CRIC) auf, in ihre "Reservate zurückzukehren".

Auslöser Steuerreform

Seit fast zwei Wochen kommt es in Kolumbien zu zahlreichen, teilweise von Gewalt überschatteten Protesten. Mindestens 26 Menschen sind dabei nach jüngsten Angaben der Ombudsstelle ums Leben gekommen, ein Dutzend davon durch die Polizei und die meisten in Cali. Fast alle Toten sind Jugendliche oder junge Erwachsene.

Zuerst hatten die Menschen gegen eine umstrittene Steuerreform demonstriert, die vor allem zulasten der Mittelschicht und der ärmeren Bevölkerung gegangen wäre. Die Arbeitslosigkeit in Cali ist hoch, die Armut groß. Die Corona-Pandemie hat die Lage zudem verschärft. Inzwischen hat Duque die Reform zurückgenommen, die Proteste halten allerdings an. Die meisten Demonstranten haben nun neue Ziele wie den Widerstand gegen eine ebenfalls geplante Gesundheitsreform und den Einsatz für den brüchig gewordenen Friedensprozess.

UN: "Keine Gewalt mehr"

Die Vertreterin der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in dem südamerikanischen Land, Juliette de Rivero, verurteilte die jüngsten Angriffe und drückte große Besorgnis aus. "Wir rufen alle zur Ruhe auf, besonders in Cali. Die Garantie der Menschenrechte wird durch Dialog und Gewaltlosigkeit erreicht. Wir mahnen: keine Gewalt mehr, keine Gewalt mehr", schrieb Rivero auf Twitter.

Duque führt seit einigen Tagen Gespräche mit der Opposition, Gouverneuren und Jugendlichen. Am Montag soll ein Treffen mit dem Nationalen Streikkomitee folgen. Nach Cali will Duque aber nicht reisen.

Ex-Präsident Uribes harte Hand

In der Praxis scheint der Präsident bisher vor allem seinem politischen Ziehvater Álvaro Uribe gefolgt zu sein, der auf Twitter schrieb: "Das Recht der Kolumbianer, ohne Blockaden und ohne Gewalt zu leben, ist nicht verhandelbar, es gibt nur ein Wort: Autorität."

Kolumbien ist mit rund 50 Millionen Einwohnern nach Brasilien das zweitbevölkerungsreichste Land sowie der wichtigste Verbündete der USA in Südamerika. Mehr als 50 Jahre herrschte ein Bürgerkrieg, 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die kolumbianische Regierung einen Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla, die Wirtschaft erlebte einen Aufschwung, der Tourismus boomte. Doch der Frieden ist brüchig, die exzessive Polizeigewalt ein Rückschlag. (APA, red, 10.5.2021)