Frauenmorde in Österreich: Diese Aktion der SPÖ-Frauen machte am 3. Mai vor dem Parlament auf das Ausmaß aufmerksam.

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Vor genau zehn Jahren, am 11. Mai 2011, wurde in Istanbul das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erstmals unterzeichnet. 13 Staaten haben damals diesen ersten europäischen Vertrag unterzeichnet, der gezielt gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt gerichtet ist. Die Istanbul-Konvention stellt damit ein "umfassendes Regelwerk dar, welches Mindeststandards für Prävention und Schutz, und ein Angebot von Dienstleistungen wie Hotlines, medizinische Leistungen, Beratungen und Rechtshilfen bei Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt festlegt", wie es auf der Website der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie heißt.

Politiker*innen erinnern an Relevanz der Konvention

Bis heute haben 33 Staaten die Istanbul-Konvention unterzeichnet und ratifiziert (zur Liste der Länder, die unterzeichnet haben). Elf weitere haben sie unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert. Am 19. März ist ausgerechnet die Türkei, die mit der Stadt Istanbul der Konvention ihren Namen gegeben hat, aus dem Abkommen ausgetreten. Daher haben nun europäische Politiker*innen auf die Relevanz der Konvention hingewiesen und eindringlich vor Rückschritten beim Gewaltschutz gewarnt. "Die Istanbul-Konvention ist ein Meilenstein im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt", heißt es in dem Brief, den 27 Gleichstellungs-, Frauen-, Außen-, Familien- und Sozialpolitiker*innen unterzeichnet haben. Für Österreich haben Frauenministerin Susanne Raab, Außenminister Alexander Schallenberg und Karoline Edtstadler (alle ÖVP), Bundesministerin für EU und Verfassung, unterschrieben.

Die Politiker*innen äußern mit dem Brief ihre Sorge über "einen immer stärker werdenden Widerstand gegen diese richtungsweisende Konvention". Corona habe die Lage für Frauen noch weiter verschärft, die Nachfrage nach Opferschutzunterkünften und Beratungsstellen sei stark gestiegen. Dennoch seien die Stimmen gegen die Konvention lauter als je zuvor, und trotzdem gebe es in jüngster Zeit auch von Regierungen und Abgeordneten innerhalb der Europäischen Union Widerstand gegen die Konvention, heißt es in dem Brief. Die Gegner*innen der Konvention würden Anstoß an der Definition von Geschlecht als sozialem Konstrukt nehmen oder daran, dass in Unterrichtsmaterialien nichtstereotype Geschlechterrollen aufgenommen werden sollen, heißt es in dem Schreiben.

Türkei soll Entscheidung rückgängig machen

"Dies führte unter anderem dazu, dass der Ratifizierungsprozess in einigen Mitgliedsstaaten blockiert wurde und dadurch auch der Beitritt der Europäischen Union zur Istanbul-Konvention ins Stocken geraten ist. Ein weiterer Mitgliedsstaat kündigte zudem seine Absicht an, aus dem Vertrag auszutreten." Die Entscheidung der türkischen Regierung "hat uns vor Augen geführt, dass solche Austrittsdrohungen auch in die Tat umgesetzt werden".

Die Unterzeichner*innen fordern die Türkei dazu auf, die Entscheidung zum Austritt aus der Istanbul-Konvention rückgängig zu machen. Handlungsbedarf gebe es aber auch bei den Ländern, die die Konvention unterschrieben und ratifiziert haben: "Wir sind entschlossen, die vollständige Umsetzung und Durchsetzung der Konvention in unseren Ländern sicherzustellen und uns gemeinsam für den Schutz der durch das Übereinkommen garantierten Grundwerte einzusetzen", heißt es in dem Brief abschließend.

Dieser Handlungsbedarf wird aktuell auch in Österreich diskutiert. Das Thema Gewalt gegen Frauen wird aufgrund einer Reihe an Frauenmorden diskutiert. Nach insgesamt zwölf Femiziden in diesem Jahr wird von Gewaltschutzeinrichtungen und Frauenvereinen kritisiert, dass in den vergangen Jahren zu wenig zur Eindämmung der Gewalt gegen Frauen getan wurde.

Schattenbericht

2016 wurde von Gewaltschutzeinrichtungen und Frauenvereinen ein Schattenbericht zur Implementierung der Istanbul-Konvention in Österreich erstellt. In diesem Bericht werden etwa die finanziellen Mittel für Gewaltschutz bemängelt. Die NGOs, die den Bericht erstellten, schätzten die Kosten, die durch genderbasierte Gewalt jährlich in der EU verursacht werden, auf rund 228 Milliarden Euro. Die Empfehlungen des Schattenberichts lauten daher, dass eine massive Erhöhung der finanziellen Mittel nötig sei sowie eine bessere Förderstruktur für Mädchen- und Frauenberatungsstellen, die derzeit jährlich um Förderungen ansuchen müssen. Auch die Datenlage sei mangelhaft, ebenso die Forschung zu Gewalt gegen Frauen in Österreich. Ebenso kritisierte der Schattenbericht den Umgang mit Gewaltopfern durch die Polizei und vor Gericht. Einige dieser Kritikpunkte wurden durch neue Maßnahmen einem kürzlich einberufenen Gewaltschutzgipfel aufgegriffen (DER STANDARD berichtete), etwa ein beschlossener Schwerpunkt in der Ausbildung von Richter*innen und Staatsanwält*innen zu Gewalt gegen Frauen und eine umfassendere Datensammlung. (red, 11.5.2021)