Mit gutem negativem Gefühl gegen den missliebigen Status quo: Attwenger sind zurück und packen das Kind bei den Hörnern.

Foto: TIM HUPFAUER, Grafik: Helmut Wimmer

Dass Attwenger eine systemkritische Band sind, hat man immer schon gewusst. Immerhin geht es ja bei dem neumodisch – im Sinne infrastrukturell notwendiger Berufe – gemeinten Begriff ursprünglich um etwas ganz anderes. Der Mensch lebt nicht von Brot allein. Man muss ihm auch gewisse Freiheiten zugestehen. Zum Beispiel jene des Aufsässig-, Grantig- und Lästigseins.

Attwenger sind systemkritisch, weil sie das System kritisieren. In diesem Themenfeld haben es die Musiker Markus Binder und Hans-Peter Falkner in über 30 Jahren zur Meisterschaft gebracht. Man erinnere sich etwa an alte Lieder wie Kaklakariada aus dem Jahr 2002. Damals schon brachen Attwenger das Thema Provinzialismus, Patriotismus und Kleinkariertheit mit dem Verweis auf die "Landesflagge" herunter. Es geht um die Essenz.

markus binder

Die Musik dazu speiste sich auf Alben wie Dog, Pflug, Most, Song oder Luft aus Volksmusik, die eben nicht nur auf obsoleten regionalen Vorgaben beruhte. Wenn es sich bei Volksmusik um eine Musik handelt, die tatsächlich vom Volk gesungen, gespielt und vor allem gehört wird, dann muss man eben auch Stile mitdenken, die von außerhalb kommen. Im konkreten Fall verbinden Attwenger die Form des im oberösterreichischen Dialekt immer auch etwas missmutig vorgetragenen Gstanzls mit Hip-Hop, Rock 'n' Roll, längst auch Clubsounds – sowie, rein vom Feeling her, des Punk.

Wenn sich in der Kunst wie im Leben nie etwas verändern würde, dann würden wir noch heute am Abend ums Lagerfeuer sitzen. Wir würden mit Holzprügeln auf Steine klopfen und uns Jagderlebnisse mit dem Speer vorsingen. Insofern haben Attwenger in drei Jahrzehnten mehr für die Volksmusik geleistet, als es uns die Hüter der reinen Lehre des alpenländischen Gesangs lange weismachen wollten. Gott sei Dank sind diese Diskussionen fast schon überflüssig gewesen. Aktuell allerdings erstickt das Land in falscher Heimatliebe aus dem Trachtendiskonter – sowie angesichts der Anfechtungen der Moderne in einem neuen Traditionalismus. Der ist nicht gesund. Er macht uns klein, er macht uns schäbig.

Die Umstände nerven

Attwenger reagieren darauf nach längerer Studiopause auf ihrem neuen, elften Album Drum Mordstrumm lästig. Allerdings geschieht das mit einem guten negativen Gefühl im Hintergedanken. Attwenger singen über die Lage. Die Umstände nerven. Kredit zum Beispiel ist ein elektronischer Rockabilly-Song, der das Kind bei den Hörnern packt, ohne es mit dem Bade auszuschütten: "kana hod a kohle owa olle dan mit / global und lokal und ois auf kredit /san gödig und lustig san fesch und san fit / haum ois wos sie woin haum ois auf kredit." (Markus Binder besteht auf Kleinschreibung.)

Kredit und der Song Schuidn kommen auf Drum im Doppelpack daher. Sie stellen die größtmögliche Annäherung Attwengers an aktuelle Zustände dar. "klimawaundl schwiegermuada / lebenswaundl voglfuada / hauffmweise emotionen / tonnenweise emissionen / bisness class economy / fliagd der kas jetz ohne mi / mir wird des olles zu real / i brauch an aundaren kanal …"

Gesang im Vierzeilerformat

Das Schlagzeug scheppert und dengelt wie eh und je, sehr gern auch bei hohem Trashtempo. Dazu gesellen sich nicht allzu moderne elektronische Beats und Sounds. Falkners Ziehharmonika wird großteils durch Verzerrer- und Phaser-Effekte verfremdet. Der beiderseitige Gesang im Vierzeilerformat ist sehr nah am Ohr angesiedelt. Attwenger schleichen auch sehr gern sehr nahe dran um den heißen Brei herum.

markus binder

In der Schule von Ernst Jandl oder H. C. Artmann, zwei Hausheiligen des Duos, betreiben Attwenger trotz ihrer Kunst mit hängenden Mundwinkeln aber auch nach wie vor Sprachkunst. Diese muss nicht zum Punkt kommen, um etwas zu sagen. "durt wo de hiwoin dort wüll i ned sei / wei durt san wieder so vü so seppm dabei / i waas ned es is so do ziagz mi ned hi / und i mog diese leid ned und sie meng ned mi."

Oder, wie es anfangs auf dem Album heißt: "er so und sie so und er so / warum bist du so und wieso i so / er so und sie so / owa normalerweis is er eigentlich nie so."

Präziser kann man es nicht sagen. Markus Binder nennt das "die Grandezza des Banalen". (Christian Schachinger, 11.5.2021)