Mit der Ironie ist es in den sozialen Medien so eine Sache. Schnell ist sie in die Welt gepostet, noch schneller gerät sie außer Kontrolle. Vor allem dann, wenn sich nicht ein Satiriker ihrer bedient, sondern ein Politiker, dessen Ware nicht Pointen, sondern Positionen sein sollten.

Boris Palmer, grüner Bürgermeister der Universitätsstadt Tübingen.
Foto: imago images/ULMER Pressebildage

Als ironisch will Boris Palmer, grüner Bürgermeister der Universitätsstadt Tübingen, den Gebrauch des "N-Worts" in seinem Facebook-Posting verstanden wissen, das am Wochenende hohe Wellen bis hin zum Parteiausschlussverfahren geschlagen hat. "Jeder verständige Leser" habe erkannt, verteidigt er sich, dass er niemanden rassistisch beschimpft habe, sondern – ironisch – Diskriminierung aufzeigen habe wollen.

Gut möglich, dass das stimmt. Gut möglich auch, dass Palmer keineswegs der Rassist ist, den Teile seiner Partei nun in ihm sehen. Das macht die Sache aber nicht besser. Denn Palmer ist ein Medienprofi, er weiß um die Wirkungsmacht seiner Worte – vor allem auf Facebook. Seit Jahr und Tag bietet er dort markige Sprüche feil, die man von einem Grünen nicht erwarten würde. Mal sind es die Alten, für deren Leben er in der Pandemie die Zukunft Deutschlands geopfert sieht, mal sind es die EU-Grenzen, die er aufrüsten will.

Mit seiner Ausflucht in die Ironie erweist er der Debattenkultur einen Bärendienst. Denn anders als Satiriker werden Politiker nicht von einem Publikum bezahlt, sondern von allen Menschen – gleich ob sie nun Ironie verstehen oder nicht. (Florian Niederndorfer, 10.5.2021)