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Das Lieferkettengesetz soll sicherstellen, dass Arbeiter wie etwa Baumwollpflücker nicht mehr ausgebeutet werden.

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Der Druck auf die Politik, Konzerne beim Klimaschutz stärker in die Pflicht zu nehmen, steigt: Europaweit fordern mehrere Initiativen neue Regeln, damit Unternehmen für die Schäden an Umwelt und Verletzungen von Menschenrechten zur Kasse gebeten werden. Und zwar auch dann, wenn sie diese Verstöße nicht in Europa, sondern im fernen Ausland begehen – vor allem auch in jenen Staaten, die keine Verbote von Ausbeutung vorsehen oder diese Verbote nicht exekutieren.

Konzerne könnten sich in solchen Fällen nicht darauf ausreden, sich ohnehin an lokale Vorschriften zu halten, argumentieren die Befürworter eines Lieferkettengesetzes. Sie sollten, wenn sie von niedrigen Kosten profitieren, auch für dabei verursachte Schäden haften. In Frankreich ist ein solches Gesetz bereits in Kraft, in Deutschland liegt ein Regierungsentwurf für ein Sorgfaltsgesetz im Bundestag und wird dort debattiert.

DER STANDARD

Noch weit entfernt

Österreich ist noch weit entfernt von einer Verordnung zur Sorgfalt in Lieferketten. Das soll sich ändern, fordern mehrere zivilgesellschaftliche Initiativen, die Teil der Treaty Alliance Österreich sind.

Nun kommt in Brüssel Bewegung in die Sache. Schon bald, "noch diesen Sommer", will die EU-Kommission einen Entwurf für eine Sorgfaltsrichtlinie – manche sagen Lieferkettenrichtlinie dazu – vorlegen, sagte Lucrezia Busa, Mitarbeiterin von Justizkommissar Didier Reynders, in einem Symposium am Freitag. Die Konferenz wurde von der Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel gemeinsam mit der Internationalen Organisation für Migration, Südwind und Clean Clothes veranstaltet.

Einheitliche Regelung

Das Verbot ausbeutender Lieferketten soll dann in allen Mitgliedsstaaten gelten. Es könnte etwa jene Unternehmen, die Kinderarbeit einsetzen, für einige Zeit von öffentlichen Förderungen ausschließen. Das Justizministerium begrüße es, wenn es europaweit verbindliche Regeln für Unternehmen gebe, sagt Georg Kathrein, Leiter der Zivilrechtssektion im Justizministerium, die auch für Unternehmensrecht zuständig ist. Viele Unternehmer würden solche Vorschriften zwar skeptisch sehen, vergessen dabei aber, dass auch sie davon profitieren, sagt Kathrein, der betont, dabei seine persönliche Meinung auszudrücken und nicht die des Ministeriums.

Die Richtlinie gibt für Wirtschaftstreibende nämlich einheitliche Regeln vor, Unternehmen müssen sich nicht durch ein Dickicht unterschiedlicher nationaler Lieferkettengesetze schlagen. Ein solches Dickicht könnte aber entstehen, wenn Brüssel zu lange abwartet und weitere Mitgliedsstaaten ihre eigenen Regeln erlassen.

Langer Prozess

Letztlich mache es das auch ausländischen Unternehmen leichter, in der EU Fuß zu fassen, sagt Kathrein. Ein gemeinsames Vorgehen schütze zudem sauber arbeitende Unternehmen auch in Produktionsländern vor einem dortigen Boykott – auch diese Gefahr besteht.

Ein Gesetz, das etwa Kakaobauern in Ghana und Textilarbeiterinnen in Bangladesch schützt, gebe auch österreichischen Konsumenten Sicherheit, sagt Theresa Pribasnig, die als Referentin im Sozialministerium die Aktivitäten gegen Menschenhandel und Ausbeutung bündelt.

Vielen Verbrauchern sei es wichtig, verantwortungsbewusst einzukaufen, aber die Unternehmen machten es ihnen durch intransparente Produktionsbedingungen schwer, mündige Kaufentscheidungen zu treffen, sagt Pribasnig. Ein Lieferkettengesetz würde Unternehmen zur Transparenz verpflichten, so das Argument.

Langes Warten

Bis die EU-Richtlinie in Kraft treten könnte, werden laut Kathrein jedenfalls mindestens fünf Jahre vergehen. Die Regierungen und diverse Lobbys werden noch viel an dem Kommissionsentwurf verändern – oder, wie Menschenrechts-NGOs befürchten, ihn verwässern.

In Deutschland war das der Fall. Auf Druck der Wirtschaft sei der ursprüngliche Entwurf abgespeckt worden, sagt Kathrein. Es gibt einige Ausnahmen: Vorerst unterliegen nur Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden der Norm. Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund beträfe das Gesetz in der aktuellen Form vorerst nur etwa 600 Unternehmen. (Maria Sterkl, 11.5.2021)