Klimaaktivisten fordern radikale Maßnahmen für den Klimaschutz.

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Österreichs Wirtschaftskammer (WKO) nahm sich kein Blatt vor den Mund, nachdem der Entwurf des Klimaschutzgesetzes mehreren Medien zugespielt wurde. Eine "ideologiegetriebene Bestrafungsfantasie" nannte ihr Generalsekretär, der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Karlheinz Kopf, einen darin beschriebenen Mechanismus zur Anhebung der Steuern auf fossile Energieträger. Auch darüber hinaus hält die Kammer den Entwurf für "äußerst problematisch". Das geht aus einem als Analyse bezeichneten internen Papier hervor, das dem STANDARD vorliegt.

Das geplante Gesetz würde Strukturen schaffen, "die erheblichen Druck aufbauen", heißt es in dem mit Ende April datierten Papier. Vor allem ein Aspekt scheint die Kammer zu stören: der Plan der Grünen, Klimaneutralität bis 2040 inklusive einem Treibhausgasreduktionspfad in der Verfassung zu verankern. Das würde den politischen Handlungsspielraum künftiger Regierungen "lahmlegen". Die Einrichtung eines Klimakabinetts hält die WKO für in Ordnung. Dieses könne – in Kombination mit anderen im Entwurf geplanten Institutionen – allerdings dazu führen, dass "NGOs und die Wissenschafter das Klimakabinett vor sich hertreiben und wahrscheinlich sogar gerichtlich belangen".

Rechtliche Sonderstellung

Denn die Kammer fürchtet, dass NGOs und Bürger Klimaschutz einklagen können – und das "nicht bloß abstrakt". Klimaschutz würde eine einzigartige rechtliche Sonderstellung bekommen, heißt es in dem Schreiben. So könnten Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz verlieren, "gar nichts unternehmen", eine NGO aber "jede Tonne einer Reduktionsverpflichtung einklagen".

Für "völlig untragbar" hält die Kammer demnach den eingangs beschriebenen Notfallmechanismus: Sollte Österreich sein Klimaziel verfehlen und die Regierung nicht ausreichend gegensteuern, würden Abgaben auf Fossile um 50 Prozent erhöht werden. Die WKO sieht darin eine "massive Mehrbelastung" für den Wirtschaftsstandort.

Die somit lukrierten Mittel sollen laut dem Gesetzesentwurf in einem Klimaschutz-Fonds landen. Auch damit ist man bei der WKO nicht glücklich: Neben der Umweltförderung und dem Klimafonds "wäre dies ein weiterer Topf, der de facto dem BMK (Klimaschutzministerium, Anm.) gehören würde". Daher sei laut der Analyse eine breitere Aufstellung des Fonds notwendig.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) forciert die ökologische Wende in der heimischen Wirtschaft.
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"Überambitioniert"

Auch den – von Wissenschaftern wiederholt geforderten – klaren CO2-Reduktionspfad in dem "überambitionierten Papier" sieht die WKO kritisch. Die Zielvorgaben würden "massive Verwerfungen" mit sich bringen und seien "enorm teuer". Lediglich in der Landwirtschaft seien die Verpflichtungen "vergleichsweise moderat". Jene Milliardenkosten, die auf Österreich aufgrund einer Klimazielverfehlung zukämen, wurden nicht erwähnt.

Abschließend kritisierte die Kammer, dass Rahmenbedingungen fehlen würden, die Österreich den Zielen näherbringen. Dazu zählt sie etwa Verfahrensbeschleunigungen und ausreichend erneuerbare Energien. Vonseiten der Autoren wird eine multilaterale Klimaallianz angestrebt, die für Österreich Chancen als Technologielieferant eröffne. "Strikt abzulehnen" seien hingegen "unpraktikable, ideologisch-motivierte nationale Alleingänge".

Internes Dokument

Bei dem vorliegenden Papier "muss es sich um ein internes Dokument handeln, das zu einem medial kursierenden Entwurf des Klimaschutzgesetzes Stellung nimmt", heißt es vonseiten der WKO. Die Kammer bekenne sich zu den Pariser Klimazielen: "Wenn Reduktionspfade festgelegt werden, sollten wir wissen, wie sie erreicht werden."

Die Kammer fordert daher "eine umfassende Bewertung der Zahlengerüste durch Experten und Sozialpartner". Die Vorschläge der WKO: Die Schaffung der erforderlichen Infrastrukturen für nachhaltige Energie und Mobilität, kürzere Genehmigungsverfahren und ein Engagement für alle in Betracht kommenden Technologien. (Nora Laufer, 11.5.2021)