Ab Juli wird sich das Leben der österreichischen Schiedsrichter radikal ändern. Sie dürfen während der Arbeit Video schauen.

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Robert Sedlacek hatte am Montag den Sonntag aufzuarbeiten. Der 65-Jährige ist Präsident des Wiener Fußballverbandes und im Fußballbund ÖFB zuständig fürs Schiedsrichterwesen. Was war also am Muttertag passiert? In den drei Partien der Meistergruppe gab es gravierende Fehlpfiffe, sie betrafen insgesamt vier Elfer. Die Opfer waren der LASK, Rapid und Sturm Graz, die Profiteure die WSG Tirol, der Wolfsberger AC und Red Bull Salzburg. Wobei sich die Serienmeister von Schiedsrichterentscheidungen emanzipiert haben, sie spielen für österreichische Verhältnisse einfach zu gut Fußball.

Felix Ouschan schenkte Tirol zwei Strafstöße (natürlich nicht vorsätzlich), der LASK war über das 3:3 erbost. Zumal Kapitän Gernot Trauner für sein Nicht-Vergehen die Gelb-Rote Karte kassiert hatte. Rapid führte gegen den WAC 1:0, dann fiel Christopher Jäger auf eine Schwalbe von Christopher Wernitznig rein, Michael Liendl glich aus, Rapid verlor sogar 1:2. Das lag auch am gerechtfertigten Ausschluss gegen Mateo Barać. Trainer Kühbauer hielt sich verbal zurück, tobte innerlich. "Die Irren-ist-menschlich-Geschichte kann ich mittlerweile nicht mehr hören. Die Spieler bereiten sich vor, sie arbeiten hart, es geht um viel Geld."

Gerhard Grobelnik tanzte in Graz insofern aus der Reihe, als er keinen Elfer gab. Salzburg führte 2:1, Maximilian Wöber attackierte (foulte) Sturms Kelvin Yeboah. Grobelnik entschuldigte sich später nach Studium der TV-Bilder für seine Fehleinschätzung. Salzburg hatte verdient 3:1 gewonnen. Noch einmal Kühbauer: "Es war ein Nasenspitzenrennen, ob der zweite Elfer gegen den LASK oder jener gegen uns lächerlicher war."

Keine Entmachtung

Sedlacek, selbst einmal Schiri, sagte dem STANDARD: "Kein guter Sonntag. Vier umstrittene Entscheidungen. Man kann sie sogar als falsch bezeichnen." Ab der nächsten Saison wird der Video-Assistent-Referee (VAR) auch in der österreichischen Bundesliga eingesetzt. Sedlacek freut das. "Der VAR ist kein Allheilmittel, aber eine Verbesserung. Im VAR-Room werden ja Menschen die Szenen interpretieren. Er ist eine Hilfe für die Schiedsrichter, keine Entmachtung."

Das Personal wurde und wird in Seminaren geschult, der Assistent greift in vier Situationen ein: Abseits, Rote Karte, Elfmeter. Und jedes Tor wird in der Entstehung geprüft. Sedlacek ist sich bewusst, "dass die Partien künftig fünf Minuten länger dauern. Aber Richtigkeit geht vor Geschwindigkeit." Eine große Krise im österreichischen Schiedsrichterwesen sieht der Chef nicht, er sagt aber schon: "Die Schere geht weiter auf. Das ist wie bei den Vereinen." Seit 2008 sind bei Großereignissen die heimischen Schwarzen arbeitslos, Konrad Plautz war der letzte Vertreter. Das lag zum Teil daran, dass die EM auch in Österreich stattgefunden hat.

Ein Match im Oberhaus wird mit 1500 Euro honoriert (vor Steuern), 26 Personen teilen sich den kleinen Kuchen. Es sind maximal Halbprofis. Der Fußball habe, so Sedlacek, an Tempo zugelegt. Auch hierzulande. "Es wird schneller, härter, intensiver. Der Grat zwischen Foul und Show wird immer schmäler." In den hoffentlich bald endenden Zeiten der Geisterspiele dachte man, die Arbeit sei für die Schiedsrichter einfacher geworden, schließlich fehle der Druck von der Tribüne. Laut Sedlacek ist das Gegenteil eingetreten. "Sie werden abgelenkt, weil sie jedes Wort hören."

LASK-Trainer Dominik Thalhammer war lange für den ÖFB tätig, zuletzt als Teamchef der Frauen. Er wurde nach Abpfiff von Ouschan mit einer Gelb-Roten Karte wegen Kritik an Ouschan bestraft. "Ich habe nichts Gravierendes gesagt." Im Gegensatz zu Sedlacek sieht Thalhammer aber doch ein gröberes Problem. "Ich bin weit davon entfernt, dem ÖFB Ratschläge zu erteilen. Ich weiß aber, dass man extrem viel in die Trainerausbildung investiert, um diese zu professionalisieren. Das ist gelungen. Bei den Schiedsrichtern wurde zu wenig unternommen. International wird anders als bei uns gepfiffen."

Glaubwürdigkeit

Sedlacek sagt, man werde die drei Runden ohne VAR überstehen. Es stehe jedem Schiedsrichter zu, Fehler öffentlich einzugestehen. "Aber macht man das dauernd, wird es langweilig und unglaubwürdig."

Kühbauer und Thalhammer stellten immerhin fest: "Es lag auch an uns, dass wir nicht gewonnen haben." Was menschlich ist. (Christian Hackl, 10.5.2021)