Die Arbeitnehmer in Steyr stehen mit dem Rücken zur Wand. Aber noch sei das Werk nicht verloren, bedeutete auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bei ihrem Werksbesuch vor ein paar Tagen.

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Wien – Die Zahlen der MAN-Mutter Traton könnten Übermut befeuern. Die Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte hat die Pandemie offenbar überstanden, sie vermeldet einen Rekord beim Auftragseingang im ersten Quartal: Kunden orderten 81.700 Lastwagen und Busse, das ist ein Zuwachs um mehr als die Hälfte. "So rasch, wie die Pandemie vor einem Jahr das Nutzfahrzeuggeschäft getroffen hat, so rasch geht es nun mit den Bestellungen unserer Kunden wieder aufwärts", sagte Traton-Chef Matthias Gründler am Montag.

Aus dem Omnibusgeschäft kommt der Erfolg definitiv nicht. Denn Fernreisen liegen Corona-bedingt auf Eis, und die Orderbücher sind dünn: Der Auftragseingang ging um 3.000 Fahrzeuge zurück. Bleiben als Ertragsbringer vor allem die Marken Scania und VW selbst, während MAN auf Sparkurs fährt, der im Werk in Steyr längst angekommen ist. Die bereinigte operative Rendite gibt Traton mit 7,9 Prozent an, jene für das Gesamtjahr mit fünf bis sieben Prozent.

Beihilfenregime

So optimistisch ist die Stimmung im Ringen um das Werk Steyr nicht. Wohl hat die Ankündigung von Investor Siegfried Wolf, sein Angebot für die Übernahme des Lkw-Produktionsstandorts nachbessern zu wollen, Hoffnungen geweckt. Abseits von Schlagwörtern scheinen die im Fernsehen skizzierten Pläne allerdings erstaunlich unkonkret. Allein die Ankündigung, 150 Entwickler in eine Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft auszulagern, die vom Land Oberösterreich Förderungen erhält, wirft viele Fragen auf.

Denn eine staatliche Einzelförderung für ein Unternehmen, notabene in einem überbesetzten Markt, wird in Brüssel beihilfenrechtlich mit Sicherheit kritisch beäugt. Stünde diese Gesellschaft allerdings als Green-Mobility-Vehikel auch anderen Unternehmen offen, indem Innovationsinvestitionen gebündelt würden, wären Förderungen besser argumentierbar, sagt ein Experte für F&E-Förderungen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Im Lichte des Green Deal und des EU-Aufbauplans sei derzeit vieles möglich. Eine Notifizierung in Brüssel scheine aber unumgänglich.

E-Mobilisierung ohne Techniker?

Bleibt die Frage, warum Wolfs WSA ausgerechnet 150 hochqualifizierte Ingenieure auslagern sollte, die er nach eigenen Angaben für das Umspuren des Lkw-Werks Steyr auf Leichtfahrzeuge und E-Trucks dringend braucht. Ohne Ingenieure scheint die angekündigte Neuauflage der Marke Steyr unrealistisch, eine Auslagerung wenig zielführend.

Erklärungsbedürftig scheint auch die Ankündigung, mit der Errichtung eines staatlich geförderten F&E-Vehikels weitere 150 Arbeitsplätze zu erhalten – über die 1.250 aus Wolfs erstem Übernahmeangebot hinaus. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass ausgerechnet hochqualifizierte Jobs in der Innovation weggefallen wären und deshalb gerettet werden müssten. Das erscheint doch eher unlogisch, denn es ist genau andersrum: Gesucht sind Arbeitsplätze in der Produktion nicht für Ingenieure. 150 weitere Arbeitsplätze retten hieße aus Sicht der Arbeitnehmer, deutlich mehr und vor allem günstiger zu produzieren.

Stiftung und Förderung

Bei Errichtung einer Stiftung, wie sie Wolf an anderer Stelle skizzierte, wären F&E-Förderungen hingegen nicht unabdingbar. Denn erstens gibt es in Steyr bereits eine Arbeitsstiftung, und zweitens kann im Fall von Auftragsschwäche jederzeit eine errichtet werden. Ihr Erfolg hängt laut Arbeitsmarktexperten von der Höhe ihrer Dotierung ab und den Qualifizierungsmaßnahmen, die ergriffen werden. Wer in eine Stiftung gehe, sei aus dem Unternehmen draußen, warnte Angestelltenbetriebsrat Thomas Kutsam.

Apropos "günstig": Auf Basis des in einem Kleinformat als unangemessen hoch angeprangerten Monatslohns für angelernte Arbeiter würden Mitarbeiter die von Wolf verlangte Kürzung um 15 Prozent übrigens akzeptieren: 4.000 Euro minus 15 Prozent, das wäre immer noch "deutlich mehr, als die meisten derzeit am Monatsende auf dem Konto haben", sagt ein MAN-Mitarbeiter, der anonym bleiben will.

Fragen über Fragen

Fragen über Fragen also vor den Verhandlungen über den Sozialplan am Mittwoch. An diesem Tag tagt auch die Wirtschaftskommission, die in Sachen Standortsicherungsvertrag bis 2030 angerufen wurde. Die Sozialplanverhandlungen führt übrigens die MAN-Geschäftsführung in Steyr, nicht Investor Wolf.

Auf Distanz ging die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Man werde "mithelfen", dass der Standort Steyr erhalten bleibe. Teil eines Konsortiums werde man aber erst dann, "wenn ein wirklich zukunftsweisender Plan am Tisch liegt", stellte RLB-Chef Heinrich Schaller am Montag via Aussendung klar. (ung, Reuters, 10.5.2021)