Die "indische" Mutante hat zur katastrophalen Lage in Indien beigetragen. Wie hoch dieser Anteil ist, muss allerdings noch weiter erforscht werden.

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In Österreich lassen sich die Fälle der "indischen" Variante mit dem Kürzel B.1.617 bisher an ein bis zwei Händen abzählen: Zwei infizierte Personen in Salzburg (nach Einreise aus Indien) wurden letzte Woche offiziell bestätigt. Dazu kommen seit Dienstagvormittag drei bestätigte Fälle im Burgenland und ein Verdachtsfall in Tirol. Die Cluster dürften aber unter Kontrolle sein. Anders ist die Situation in Indien, aber auch in einigen anderen Ländern, wo sich B.1.617 rasch ausbreitet.

Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit der Mutante, von der es wieder drei Subtypen gibt, hat sich die Wissenschaft einige Wochen lang recht schwer getan. Bekannt ist, dass bei B.1.617 rund ein Dutzend Mutationen zusammenkommen. Bei B.1.617.1 und B.1.617.3 treten zwei unangenehme Mutationen im Spike-Protein auf: E484Q und L452R. Diese könnten für eine höhere Infektiosität sorgen und womöglich auch die Immunabwehr nach Impfungen und Infektionen umgehen (Stichwort "Fluchtmutation").

Forscher gingen deshalb zum einen davon aus, dass die Variante für die katastrophale Corona-Lage in Indien mitverantwortlich sein dürfte. Andererseits scheinen Impfstoffe laut einem noch nicht fachbegutachteten Preprint recht gut zu wirken, und die Mutante dürfte die Immunabwehr kaum unterlaufen können.

"Variant of Concern" statt "of Interest"

Bei B.1.617.2, einem der drei Subtypen, fehlt zwar die Mutation E484Q; dennoch hat Ende letzter Woche die britische Gesundheitsbehörde PHE ausgerechnet diese Subvariante von der "Variant of Interest" zur "Variant of Concern" (VoC) hochgestuft, also für "besorgniserregend" erklärt. Diese Bezeichnung VoC gab es bis jetzt nur für die nachgewiesenermaßen infektiöseren und aggressiveren Varianten B.1.1.7 (die "britische"), B.1.351 (die "südafrikanische") und P.1 (die "brasilianische").

Am Montag zog nun auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach und hat die im Oktober erstmals beobachtete Variante B.1.617 ebenfalls mit dem Prädikat "besorgniserregend" versehen. WHO-Corona-Expertin Maria Van Kerkhove bestätigte in Genf, dass es Hinweise gebe, dass B.1.617 ansteckender sowie zu einem gewissen Grad resistent gegen Impfstoffe sei.

Evidenzen aus Großbritannien

Der Hauptgrund für die neue Einstufung in Großbritannien, wo man den besten Virusvariantenüberblick hat: B.1.617.2 hat sich in England – im Gegensatz zu B.1.617.1 und B.1.617.3 – trotz Vorherrschen der infektiöseren Variante B.1.1.7 und einer hohen Impfrate zuletzt relativ schnell ausgebreitet. Ende letzter Woche waren bereits 500 Fälle und rund 50 Cluster vor allem aus London und dem Nordwesten Englands bekannt. Das ist ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zur Woche davor.

Zudem hatten sich anscheinend auch 15 Menschen in einem Londoner Pflegeheim mit B.1.617.2 infiziert, die bereits zweimal mit Vaxzevria geimpft worden waren. (Klaus Taschwer, 11.5.2021)