Die größte Benzin-Pipeline in den USA soll in den kommenden Tagen wieder pumpen.

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Washington/Baltimore – Die größte Benzinpipeline der USA soll nach einem Cyberangriff schrittweise wieder in den Dienst genommen und bis Ende der Woche weitgehend normal im Einsatz sein. Das erklärte der Betreiber Colonial Pipeline am Montag.

Die Bundespolizei FBI teilte mit, dass bei dem Angriff die Erpressungssoftware Darkside eingesetzt wurde. Eine hochrangige Vertreterin des Weißen Hauses, Elizabeth Sherwood-Randall, erklärte, Präsident Joe Biden werde regelmäßig über den Zwischenfall unterrichtet. Bisher sei kein Schaden bekannt geworden, und es gebe keinen Benzinmangel.

Systeme vom Netz genommen

Colonial hatte mitgeteilt, bestimmte Systeme nach einer Cyberattacke vom Netz genommen zu haben, um die Bedrohung einzudämmen. In der Folge sei der Betrieb der Pipeline komplett zum Erliegen gekommen. Die Betreiber schalteten am Freitag die Behörden und eine externe IT-Sicherheitsfirma ein.

"Böse Buben sind sehr geschickt darin, neue Wege für Angriffe auf die Infrastruktur zu finden", sagte Andrew Lipow, Chef der Beratungsfirma Lipow Oil. "Diese hat nicht die notwendigen Verteidigungsmöglichkeiten, um alle Wege, über die ein System infiziert werden kann, zu versperren."

2,5 Millionen Barrel täglich

Die Pipeline, die sich zum Großteil unterirdisch auf rund 8.850 Kilometer erstreckt, verbindet hauptsächlich an der Küste am Golf von Mexiko liegende Raffinerien mit dem Süden und Osten der USA. Transportiert werden unter anderem Benzin, Diesel und Heizöl – pro Tag um die 2,5 Millionen Barrel (je 159 Liter). Colonial mit Sitz im Bundesstaat Georgia ist der größte Pipeline-Betreiber in den USA.

Das Unternehmen transportiert etwa 45 Prozent aller an der Ostküste verbrauchten Kraftstoffe und beliefert mehr als 50 Millionen Amerikaner. Zu den Abnehmern gehören auch die US-Streitkräfte.

"Krimineller Akt"

Bei Ransomware-Attacken werden Daten auf Computern verschlüsselt – die Angreifer verlangen meist Lösegeld für die Freigabe. Eine stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin, Anne Neuberger, erklärte, die Regierung habe keine Informationen, ob der Pipeline-Betreiber den Erpressern Lösegeld gezahlt habe. Momentan sei von einem kriminellen Akt auszugehen, es würden aber alle Hinweise geprüft, auch mit Blick auf eine mögliche Verwicklung staatlicher Akteure. Bei der Attacke mit der Software Darkside würden die Profite meist zwischen den Programmentwicklern und Angreifern geteilt.

Nach dem Hackerangriff hatte die US-Regierung am Sonntag sogar den regionalen Notstand ausgerufen. Dieser Schritt gehe auf die dringende Notwendigkeit ein, "den sofortigen Transport von Benzin, Diesel, Kerosin und anderen Erdölprodukten" sicherzustellen, erklärte das US-Verkehrsministerium.

Regionale Notstandserklärung

Durch die regionale Notstandserklärung kann Treibstoff über die Straße in die betroffenen Bundesstaaten transportiert werden, darunter Florida, Texas, New York, Washington und Pennsylvania. Denn auch zwei Tage nach dem Cyberangriff konnte Colonial nur einige kleinere Versorgungsleitungen wieder öffnen, das Hauptsystem war weiter außer Betrieb. Die verstärkte Verteilung von Treibstoff per Tanklaster könne die weggefallenen Pipeline-Kapazitäten nicht wettmachen, warnte Neil Wilson, Chefanalyst des Onlinebrokers Markets.com.

Die Preise für Erdölprodukte stiegen in den USA. Stimmen wurden laut, wonach dies bei einem längeren Ausfall sogar in Europa der Fall sein könnte. (APA, 10.5.2021)