Fühlende Lebewesen bei einem Spaziergang in einem Londoner Park.

Foto: EPA/ANDY RAIN

Es sei ein "bahnbrechender Tag" für den britischen Tierschutz, ist sich David Bowles im Telefonat mit dem STANDARD sicher. Der Sprecher der Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA), der größten Tierschutzorganisation des Vereinigten Königreichs, spricht sogar von einer "Möglichkeit, die man nur einmal in einer Generation erhält". Gemeint ist die Ankündigung der britischen Regierung, alle Lebewesen mit Rückenmark – also Wirbeltiere – als fühlende Wesen zu deklarieren und ihre künftige Politik dem unterzuordnen.

Queen Elizabeth II las in der Thronrede am Dienstag mehrere Vorhaben vor, die Premier Boris Johnson und seine Minister im kommenden Jahr angehen wollen – die Themen waren von der Pandemiebekämpfung über Gewaltschutzmaßnahmen bis hin zum Tierschutz breit gestreut. Bereits im Vorfeld hatte sich der zuständige Umweltminister George Eustice im Interview mit dem "Telegraph" zu dem Mammutvorhaben geäußert.

Die sogenannte Animal Sentience Bill, also der Gesetzesentwurf über das Empfindungsvermögen von Tieren, soll festlegen, dass sich Wirbeltiere ihrer Gefühle und Emotionen bewusst sind. Sie können demnach Freude und Lust ebenso fühlen wie Schmerz und Leid.

Prüfung durch Komitee

Bowles führt im STANDARD-Gespräch aus, dass daraufhin ein Komitee geschaffen wird, das die Arbeit der Regierung auf diesen Grundsatz hin überprüft. "Dabei geht es nicht nur um Tierschutzgesetzgebung per se", sagt Bowles, "sondern es kann jedes Vorgehen der Regierung betreffen, das sich auf Tierwohl auswirkt." Etwa den Bau von neuen Straßen und die damit verbundene Verdrängung von Wildtieren. Zwar hat das Komitee keine Sanktionsmacht, doch die Erlaubnis, Anfragen an Minister zu stellen, sagt Bowles: "Das führt zu mehr Transparenz und öffentlicher Bloßstellung, wenn sich ein Minister dann nicht erklären kann."

Doch nicht nur die Gefühlswelt der Tiere soll anerkannt, sondern mit einem weiteren Gesetzesentwurf der Import von Großwildjagdtrophäen verboten werden. Ein weiteres Vorhaben soll den Export von Tieren ins Ausland und die Haltung von Primaten als Haustieren untersagen. Zudem soll es ein Einfuhrverbot für Pelze geben und die Erstickung von Schweinen durch CO2 verboten werden. Katzen sollen verpflichtend gechippt werden. Bereits Ende April wurde die Höchststrafe für Tierquälerei von sechs Monaten auf fünf Jahre angehoben. Das Gesetz tritt im Juni in Kraft.

Populäre Gesetze

"Das Vereinigte Königreich hat eine lange Tradition in Sachen Tierschutz", sagt Bowles. "So hatte Großbritannien im Jahr 1822 das erste Tierschutzgesetz weltweit." Die Briten seien ein tierliebendes Volk, und die Regierung wisse, dass es populär sei, sich des Tierschutzes anzunehmen, sagt Bowles: "Etwa mit dem Exportverbot von Tieren will London zeigen, dass es Vorteile hat, aus der EU draußen zu sein, denn davor wäre das nicht möglich gewesen."

Ist man nun am Ziel angekommen, oder muss es weitere Verschärfungen in Sachen Tierschutz geben?

"Zwar ist es ein großer Tag", sagt Bowles, "Doch auch in Zukunft wird es wichtig sein, wie die Regierung die Sachen umsetzt. Vor allem im Zusammenhang mit internationalen Handelsverträgen." Denn durch solche sei es möglich, dass Produkte importiert werden, die unter den britischen Gesetzen im Land gar nicht produziert werden dürften.

Vergleich mit Österreich

In Österreich hat man prinzipiell eine schlagkräftige Tierschutzgesetzgebung, doch sieht die Hilfsorganisation Vier Pfoten auch hierzulande noch Handlungsbedarf. Im Vergleich zu den vorgestellten Gesetzesvorhaben in Großbritannien wünscht man sich in einer Stellungnahme zum STANDARD ebenfalls eine Chippflicht für Hauskatzen, wie das bereits für Hunde und Zuchtkatzen der Fall ist. Denn es gebe häufig Fälle von ausgesetzten oder entlaufenen Katzen.

"Ein Importverbot von Pelzen wäre ein Meilenstein", heißt es in der Stellungnahme der Tierschutzorganisation. Ein solches gibt es in Österreich nämlich nicht. So existiert zum Beispiel nur in Wien seit Oktober 2018 ein Verkaufsverbot für Pelze auf Märkten. Ein Importverbot ist auch innerhalb der EU schwer umsetzbar. Die Union verbietet jedoch die Einfuhr von Robben-, Hunde- und Katzenfellen.

Ganz prinzipiell wünscht sich Vier Pfoten, dass die Anbindehaltung bei Rindern im Land ausnahmslos verboten wird und auch Vollspaltenböden bei Schweinen und Rindern nicht mehr erlaubt sind. (Bianca Blei, 11.5.2021)