Allein auf dem Motorboot oder unter Wasser ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit gering.

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Nach der Impfung wird vieles wieder möglich sein. Das jedenfalls ist die Hoffnung, die in vielen Staaten mit der Durchimpfung der Bevölkerung verbunden wird. So auch auf den Seychellen, wo mittlerweile rund 60 Prozent die zweite Teilimpfung bekommen haben. Allerdings: Auf der wohlhabenden Inselgruppe im Indischen Ozean war diese Hoffnung vergebens. Die Fallzahlen dort haben zuletzt einen Allzeit-Höchststand erreicht. Die Regierung hat bereits aufgegebene Lockdown-Maßnahmen wieder einführen müssen – darunter Kontaktbeschränkungen und neue Schließzeiten für Bars und Geschäfte sowie vorübergehende Schließungen von Schulen.

Zwar ist, wie die Regierung mitteilt, ein Großteil der Neuinfizierten nur leicht erkrankt. Allerdings sorgt die Zahl von rund 300 Neuinfektionen pro Tag in dem 100.000-Einwohner-Staat dennoch für eine zunehmend angespannte Lage in den Spitälern, wie das "Wall Street Journal" jüngst berichtet hat. Rechnet man die gering anmutenden Fallzahlen nämlich auf die geringe Bevölkerungszahl um, kommt man pro Kopf auf eine höhere Infektionsrate, als sie derzeit etwa in Indien gemessen wird. Immerhin: Die Zahl der Todesfälle ist noch nicht gestiegen, in den vergangenen Tagen ist niemand auf den Seychellen an Covid-19 verstorben.

Geschenkte Gäule

Jener Effekt, der sich etwa in Israel, Malta und teils wohl auch schon in Großbritannien feststellen lässt, ist aber ausgeblieben: Dort waren die Fallzahlen nach Erreichen einer hohen Durchimpfungsrate deutlich gesunken. Auf den Seychellen scheinen mit dem vorläufigen Ende der Lockdown-Bestimmungen die Ansteckungen hingegen wieder deutlich Fahrt aufgenommen zu haben. Der Grund mag auch im Impfstoff liegen, der auf den Inseln verwendet wird – möglicherweise aber zusätzlich auch daran, dass eine ganze Reihe von Virusvarianten dort verbreitet ist, darunter B.1.351, die sogenannte südafrikanische Mutante.

Zum Einsatz kommen vor allem zwei Vakzine: Bei 90.000 Dosen handelt es sich um Covishield, die indische Lizenzvariante des Astra-Zeneca-Impfstoffs Vaxzevria. Weitere 60.000 Dosen stammen aus chinesischer Produktion. Sie wurden von der Firma Sinopharm hergestellt, deren Produkt unter anderem auch in Ungarn zum Einsatz kommt. Erhalten hat die Inselgruppe beide Stoffe vor allem wegen ihrer strategisch wichtigen Lage: Indien schenkte dem Archipel 50.000 Dosen und verkaufte 40.000 weitere. China ließ den Seychellen 60.000 Dosen zukommen, finanziert wurden sie von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Alle drei Staaten haben Interesse an Einfluss auf die Politik der Inselgruppe. Verimpft wurde bisher mehrheitlich, nämlich zu 59 Prozent, Sinopharm.

Infektionsfaktor Tourismus

Neben Zweifeln an der Wirksamkeit von Vaxzevria bei der Bekämpfung von Infektionen mit B.1.351 gibt es vor allem Fragen nach der Wirksamkeit des Sinopharm-Impfstoffs. Die Vereinigten Arabischen Emirate, die das Vakzin neben mehreren anderen selbst einsetzen, haben zuletzt mehrere Patientinnen und Patienten dazu aufgerufen, sich mit einer dritten Teilimpfung noch einmal immunisieren zu lassen. Die Antikörperproduktion nach den beiden ersten Dosen hatte demnach zu wünschen übrig gelassen.

Denkbar ist also, dass die Erkrankungen auf der Inselgruppe zwar weniger schwer ausfallen, das Infektionsgeschehen aber nicht stark eingedämmt ist. Nach einer Berechnung, die die "Washington Post" jüngst zitierte, käme man so auch mit der hohen Durchimpfungsrate der Seychellen nur auf eine Immunität von 49 Prozent der Bevölkerung. Zu wenig für Herdenimmunität. Dazu würden Angaben der Regierung passen, wonach rund ein Drittel der Neuinfizierten bereits geimpft war. Mit welchem Vakzin, wurde nicht bekanntgegeben.

Eine Rolle bei den Infektionen könnte aber auch der wiederaufgenommene Tourismus spielen. Die Seychellen, deren BIP zu 25 Prozent am Fremdenverkehr hängt, verlangen seit Anfang April für die Einreise nur noch einen Corona-Test, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Quarantäne oder weitere Testungen gibt es nicht, eine Impfung ist ebenfalls nicht vonnöten. Rund 16 Prozent der neuen Fälle, erklärt das Gesundheitsministerium der Seychellen laut dem britischen "New Statesman", entfallen auf nichtgeimpfte Ausländer. (mesc, 11.5.2021)