Jetzt ist also im sizilianischen Agrigento der frühere Antimafiarichter Rosario Angelo Livatino seliggesprochen worden – als erster Richter überhaupt, der sich gegen die Cosa Nostra aufgelehnt hatte. Der strenggläubige Livatino, der sich mit harten Urteilen gegen die Mafiosi profiliert hatte, wurde im September 1990 im Alter von nur 37 Jahren von einem Killerkommando der Clans erschossen.

Der sizilianische Priester Pino Puglisi (links) war nur eines von zahllosen Opfern der Mafia. Er wurde vor knapp 30 Jahren ermordet.
Foto: Andreas SOLARO / AFP

Für die vatikanische Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen war der ermordete Richter ein Märtyrer, der "aus Hass gegen den Glauben" ("in odium fidei") sein Leben verloren hatte.

Papst Franziskus hatte Livatino bereits vor einem Jahr als "leuchtendes Beispiel nicht nur für Richter, sondern für das ganze Justizpersonal" bezeichnet. Mit der Seligsprechung des ermordeten Richters hat der Papst ein starkes Zeichen gegen die Mafia gesetzt – und am selben Tag ein weiteres folgen lassen: Am vergangenen Sonntag teilte das vatikanische Presseamt mit, dass im Vatikan eine Arbeitsgruppe zur Exkommunizierung der Mafia geschaffen werde.

In deren Visier werden sich nicht nur die Mafiosi selber befinden – sondern vor allem auch die schwarzen Schafe innerhalb der katholischen Kirche selbst: "Wir wollen jedwedem Kompromiss eines 'gewissen Katholizismus' mit der Mafia den Garaus zu machen", sagte der designierte Leiter der Arbeitsgruppe, Vittorio Alberti vom päpstlichen Entwicklungs-Dikasterium, zu Vatican News (früher Radio Vatikan).

Faule "Kompromisse"

Solche "Kompromisse" zwischen Vertretern der katholischen Kirche und der Mafia gab es in Italien viele – bis heute. In der Vatikanbank IOR hatte die sizilianische Cosa Nostra jahrelang in großem Stil Geld gewaschen – etwa über Konten von nichtsahnenden Nonnen und Ordensmännern, deren Namen zur Tarnung verwendet wurden.

Unter Papst Benedikt XVI. und seinem Nachfolger Franziskus wurde der Augias-Stall IOR in den vergangenen Jahren zwar mehr oder weniger gründlich ausgemistet – aber vor allem in Süden Italiens, in den Hochburgen der 'Ndrangheta in Kalabrien und der Cosa Nostra in Sizilien, pflegen etliche katholische Priester nach wie vor eine ungute Nähe zu den Clans.

Richter Rosario Livatino wurde im September 1990 in Sizilien Opfer eines Mordanschlags der Mafia.
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Das liegt auch daran, dass sich die Bosse, Killer und Mitläufer der Mafia gerne als gute Katholiken in Szene setzen und einer verlogenen Scheinreligiosität huldigen. Bis heute lassen süditalienische Priester bei religiösen Festen den Umzug mit der Madonnen-Statue vor dem Haus des lokalen Clan-Oberhaupts anhalten, um ihm damit die Ehre zu erweisen.

Es gibt auch Priester, die jeweils die Kirchenglocken läuten lassen, wenn ein Mafiamitglied der Gemeinde aus dem Gefängnis entlassen wird. Und das alljährliche Spitzentreffen der mächtigsten 'Ndrangheta-Bosse fand bis vor kurzem im schwer zugänglichen Kloster Madonna dei Polsi im kalabrischen Aspromonte-Gebirge statt. Bei dieser religiös verbrämten Zusammenkunft der brutalsten Mafiagruppe Italiens wurden jeweils die kriminellen Aktivitäten der Clans koordiniert und deren Einflussgebiete aufgeteilt.

Gemeinsam mit der Mafia gegen die Kommunisten

Die Nähe der italienischen Kirche und des Vatikans zur Mafia hat historische, kulturelle und ideologische Gründe: "Die Kirche hat die Mafia lange nicht als ideologischen Feind betrachtet – ihre Feinde waren die Kommunisten und die sexuelle Befreiung", betont Isaia Sales, Dozent für die Geschichte der organisierten Kriminalität in Neapel.

Damit befand sie sich auf der Linie der katholischen und antikommunistischen Volkspartei Democrazia Cristiana (DC), die Italien nach dem Zweiten Weltkrieg 50 Jahre lang praktisch allein regiert hatte – und deren Vertreter nur allzu oft Verbindungen zur Mafia hatten, bis hinauf in höchste Regierungsämter. "Uns liegt am Herzen, ein für alle Mal zu bekräftigen, dass man nicht gleichzeitig zur Welt der Mafia und zur Kirche gehören kann", betont Alberti. "Wir wollen eine neue Mentalität herstellen."

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Papst Franziskus scheint gewillt wie kaum einer seiner Vorgänger, den Einfluss der Mafia in der Kirche zurückzudrängen.
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Franziskus selber hatte schon kurz nach seiner Wahl zum Papst unmissverständlich Stellung gegen die Mafia bezogen und mit der kirchlichen Höchststrafe, der Exkommunizierung, gedroht: "Diejenigen, die den falschen Weg wählen, wie auch die Mafiosi, sind nicht in der Kommunion mit Gott. Sie sind exkommuniziert", hatte der Papst im Sommer 2014 in Kalabrien vor einer Viertelmillion Gläubigen betont. "Die Mafia ist genau das: die Bewunderung des Bösen, die Missachtung des Gemeinwohls. Gegen dieses Böse muss angekämpft werden."

Zuletzt hatte Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Fratelli tutti" im Herbst 2020 vor der "typisch mafiösen Pädagogik" gewarnt: Sie schaffe "in einem falschen Gemeinschaftsgeist Bindungen der Abhängigkeit und der Unterordnung, von denen man sich nur sehr schwer befreien kann". (Dominik Straub aus Rom, 11.5.2021)