Investieren für ein besseres Klima: Was viele Finanzprodukte versprechen, entpuppt sich meist als wenig nachhaltig. Das Schlagwort "grün" dient eher der Imagepolitur.

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Jeder und jede Einzelne kann zum Umweltschutz und zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Wäre es nicht toll, wenn sich damit gleichzeitig Geld verdienen ließe? Dieser verlockende Gedanke markiert den Kern der sogenannten Green Finance, der grünen Finanzwirtschaft. An entsprechenden Produkten für Endkonsumenten besteht am Markt kein Mangel.

So gibt es ein schier unübersichtliches Angebot an Fonds, die auf nachhaltige Werte setzen. Solche Fonds enthalten ausschließlich oder mehrheitlich Aktien von Unternehmen, die Umwelttechnologien entwickeln, nachhaltige Projekte realisieren, sich zur Reduktion ihres Treibgasausstoßes verpflichtet haben oder durch andere Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele beitragen wollen. Auf diese Weise lässt sich – so weit die Theorie – persönlicher Vermögensaufbau mit der Rettung des Planeten verbinden.

Marketinginstrument

In der Praxis sei dieser Traum allerdings eben nur genau das: ein Traum. Das meint jedenfalls Johannes Jäger, Fachbereichsleiter für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule des BFI Wien. Im Auftrag der Arbeiterkammer hat Jäger ein Jahr lang die globalen Effekte und Wechselwirkungen von Green Finance untersucht.

Methodisch ist es eine kritisch-realistische Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur und Case Studies. Die Resultate seiner Forschung sind in Form von neun Fachartikeln als Sonderausgabe des "Journals für Entwicklungspolitik" erschienen. Jägers Fazit: "Es zeigt sich leider, dass Green Finance in den Spuren des traditionellen globalen Finanzsystems fährt. Dadurch vertieft es bestimmte Probleme, die heute schon vorhanden sind, noch weiter."

Dazu zähle insbesondere das Problem, dass Finanzflüsse und auch materielle Ressourcen von ärmeren Entwicklungsländern in die reichen Industriestaaten transferiert werden. Dadurch erhöht sich deren Schuldenlast sowie ihre Abhängigkeit. Das wiederum reduziert den politischen Spielraum dieser Länder für eigene Entwicklungsprojekte.

Laut Jäger besteht innerhalb der Fachliteratur ein weitgehender Konsens darüber, dass "Green Finance" in erster Linie ein Marketinginstrument ist. Nach der großen Finanzkrise von 2008 hat die Branche nach Möglichkeiten gesucht, ihr Image aufzupolieren. Das Schlagwort "grün" schien dafür gut geeignet. Und die steigende Nachfrage seitens privater Anleger nach grünen Finanzprodukten gibt dem recht.

Tropfen auf den heißen Stein

Ein Grundproblem liege allerdings darin, dass Investitionen in grüne beziehungsweise nachhaltige Projekte und Unternehmen nur dann getätigt werden, wenn eine realistische Aussicht auf Profit besteht. Dadurch ändern sich die Finanzierungsbedingungen von grünen Projekten nicht gegenüber jenen der klassischen Wirtschaft.

Unternehmen haben somit keinen Anreiz, ihr Handeln grundlegend zu ändern. Um beispielsweise Aktien eines Produzenten von grünem Strom kaufen zu können, muss jemand anderer diese verkaufen. Der Gesamtbestand bleibt unverändert, für die Kapitalisierung des Unternehmens ändert sich also nichts.

Außerdem bleibe die Investition in grüne Finanzprodukte global gesehen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, solange gleichzeitig "braune" Produkte angeboten würden. Große, weltweit agierende Investoren werden weiterhin dort anlegen, wo die Rendite am höchsten ist.

Regeln statt Freiwilligkeit

Jäger plädiert stattdessen für klare Regeln seitens der Politik. "Auf kompetitiven Märkten kann man sich dem Zwang, Profite zu erzielen, nicht entziehen. Deshalb sind Strategien, die auf das Verhalten Einzelner setzen, nicht zielführend", meint er. "Im Endeffekt kann ein System nur geändert werden, wenn es klare Regeln für alle gibt."

Umweltauflagen, Abgasnormen und Verbote giftiger Stoffe haben sich in der Vergangenheit als geeignete Maßnahmen erwiesen, Volkswirtschaften zumindest lokal sauberer zu gestalten. Auch geldpolitisch könnte der Staat lenkend eingreifen. Etwa indem Banken die Vorgabe bekommen, einen bestimmten Anteil ihrer Kredite für nachhaltige Projekte zu vergeben. In China gibt es das bereits.

Das bedeutet freilich nicht, dass die Freiwilligkeit des Einzelnen neben regulatorischen Maßnahmen gar keine Rolle spielt: "Wenn man etwas Gutes tun will, kann man spenden oder seinen Konsum ändern. Aber die Vorstellung, dass man Geld verdienen und gleichzeitig die Umwelt retten kann, so schön das klingt, ist nicht haltbar." (Raimund Lang, 12.5.2021)