Wie jedes andere Jahr auch, wenden sich Kate und Gerry McCann Anfang Mai an die Öffentlichkeit. Es ist der Monat, in dem ihre Tochter Madeleine am 12. vor 18 Jahren geboren wurde, und es ist der Monat, in dem sie vor 14 Jahren am 3. verschwunden ist. Entführt aus der portugiesischen Ferienanlage, in der die McCanns ihren Urlaub verbrachten.

"Jeder Mai ist hart – eine Erinnerung an die vergangenen Jahre, an gemeinsame Jahre, die verloren oder gestohlen wurden. Dieses Jahr ist es vor allem schmerzlich, weil wir Madeleines 18. Geburtstag feiern sollten. Genug gesagt", heißt es in dem Statement der Eltern. Schließlich danken sie der Polizei für ihre andauernden Ermittlungen, und sie hoffen zu erfahren, was mit ihrer Tochter geschehen ist.

Madeleine McCann verschwand mit fast vier Jahren in Portugal.
Foto: EPA/LUIS FORRA

Gedenkveranstaltungen online

Der Entführungsfall McCann war einer der öffentlichsten der vergangenen Jahre. Nicht nur die britische Öffentlichkeit nahm Anteil am Schicksal des Mädchens, das in den Köpfen der Menschen noch immer ein Kleinkind ist – die Bilder in den Medien wurden ikonisch. Die ganze Welt schien mitzufiebern, was mit Madeleine geschehen war. Und so versammeln sich im Mai noch immer die Menschen in ihrem britischen Heimatdorf Rothley in Leicestershire. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Gedenkveranstaltungen aber ins Netz verlegt.

Madeleine verschwand am 3. Mai 2007 in Praia da Luz an der portugiesischen Algarve. Ihre Eltern waren mit Freunden am Abend essen gewesen, die damals Dreijährige blieb mit ihren Geschwistern im Hotelzimmer. Sie seien aber nicht einmal hundert Meter vom Zimmer entfernt gewesen, gab das Ehepaar McCann später an. Die Tapas-Bar befand sich auf der anderen Seite des Pools.

Maddies Mutter entdeckte ihr leeres Bett um etwa zehn Uhr nachts und alarmierte die Polizei. Obwohl die Beamten schnell am Tatort waren und eine großangelegte Suche stattgefunden hatte, wurde schnell Kritik an den Ermittlungen in diesen ersten Stunden laut. So sollen Beweise in der Hotelanlage verloren worden, die Koordination mit den Grenzbehörden schlampig abgelaufen und die Interpol-Fahndung nach dem Mädchen erst nach fünf Tagen herausgegangen sein.

Aus dieser Ferienanlage ist Maddie verschwunden.
Foto: ARLOS COSTA / AFP

Erster Verdächtiger und der Segen des Papstes

Doch nicht einmal zwei Wochen nach Maddies Verschwinden haben die Ermittler einen ersten Verdächtigen: einen Briten, der in Portugal lebt. Sein Haus wurde durchsucht, sein Schwimmbecken ausgelassen und Kollegen befragt. Ein Jahr später wurde er von allen Vorwürfen entlastet und gewann Millionenklagen gegen britische Medien, die ihn vorverurteilt hatten.

Das Ehepaar McCann startete bereits einige Tage nach Maddies Verschwinden die private Spendenaktion "Madeleine's Fund: Leaving No Stone Unturned Ltd". Ende Mai segnete selbst Papst Benedikt XVI. die Eltern und ein Foto des Mädchens. Im Juni 2007 gerieten die McCanns selbst unter Verdacht: Ein deutscher Journalist fragte sie direkt, ob sie etwas mit dem Fall zu tun hätten. Die portugiesische Polizei behandelte die beiden bereits im September als Verdächtige, sie wurden später entlastet.

Kate und Gerry McCann machten in der Öffentlichkeit immer wieder auf den Fall ihrer Tochter aufmerksam.
Foto: DOMINIC LIPINSKI / AFP

Klage gegen den Ex-Chefermittler

Im Juli 2008 legen die Behörden in Portugal den Fall zu den Akten. Selbst nach tausenden Seiten an Informationen hätten sie sich keinen Reim darauf machen können, was im Mai des Vorjahres mit Madeleine passiert sei. Der ehemalige Chefermittler Goncalo Amaral veröffentlichte ein Buch, in dem er aber weiterhin seine Theorie vertritt, dass Maddie bei einem Unfall gestorben sei und die Eltern mit der Entführungstheorie die Spuren verwischen wollten. Die McCanns klagten, und daraufhin musste sich das portugiesische Höchstgericht gleich zweimal mit dem Fall befassen. Die juristische Auseinandersetzung wurde 2017 beigelegt, das Ehepaar McCann verlor.

2011 veröffentlichten Kate und Gerry jedoch selbst das erste ihrer schlussendlich drei Bücher über die Suche nach ihrer Tochter. Die britische Polizei kündigte eine erneute Untersuchung des Falls an, nachdem das Innenministerium darum gebeten hatte. Zwei Jahre später wurden aus der Untersuchung neue Ermittlungen – erneut unter der Leitung der portugiesischen Polizei. Großbritannien ließ sich den Einsatz rund zehn Millionen Pfund (11,6 Millionen Euro) kosten. Laut Scotland Yard gab es neue Beweise und neue Zeugen, die das Vorgehen berechtigen würden. Auch die TV-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" zeigte Ende 2013 zum ersten Mal den Fall. Laut einem Ermittler des deutschen Bundeskriminalamts, Christian Hoppe, gingen danach die ersten Hinweise zum aktuellen Verdächtigen ein: Christian B.

Die deutschen Behörden durchsuchten einen Garten, nachdem sie Ermittlungen gegen Christian B. begonnen hatten.
Foto: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH / AFP

Anklage erwartet

Der 44-jährige Deutsche befindet sich wegen verschiedener Sexualverbrechen in Braunschweig in Haft. Unter anderem soll er eine 72-jährige US-Bürgerin im Jahr 2005 in Portugal vergewaltigt haben, ein Jahr davor eine 20-jährige Irin. Der verdächtige B. befand sich zum Zeitpunkt von Maddies Verschwinden in der Nähe der Ferienanlage. Die deutschen Behörden gehen davon aus, dass das Mädchen nicht mehr am Leben ist. Eine Anklage von B. im Fall Maddie steht noch aus. (Bianca Blei, 12.5.2021)