Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nimmt immer gefährlichere Ausmaße an: Militante Palästinenser im Gazastreifen setzten am Dienstag ihre Raketenangriffe auf Israel fort. Ein Großteil der rund 300 abgefeuerten Raketen wurde nach Armeeangaben vom Abwehrsystem Iron Dome abgefangen und ging zum Teil noch im Gazastreifen nieder. Dennoch starben zwei Frauen bei einem Raketeneinschlag in der Hafenstadt Ashkelon. Eine weitere Person wurde nach Medienberichten schwer verletzt. Insgesamt gibt es 30 Verletzte in Israel.

Dieses Haus in Ashkelon wurde bei einem Raketeneinschlag schwer beschädigt.
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Auch im Gazastreifen beklagen die Palästinenser eine blutige Bilanz. Israels Luftwaffe flog noch in den Nachtstunden und in der Früh Luftangriffe auf das Küstengebiet. Insgesamt starben 28 Menschen durch das Luftwaffenbombardement der israelischen IDF-Streitkräfte, darunter zehn Kinder. Das berichtete die israelische Tageszeitung "Haaretz" unter Berufung auf palästinensische Behördenangaben. Zudem dürften mehr als 100 Menschen verletzt worden sein.

Nach Angaben der israelischen Armee wurden bei den Angriffen insgesamt 15 Mitglieder der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas und des militanten Islamischen Jihad getötet. Israel will nun die Intensität und Frequenz seiner Angriffe auf den Gazastreifen verstärken. Dies kündigte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag an. Die radikalislamische Hamas hatte zuvor gedroht, in Ashkelon ein "Inferno" anzurichten, sollten bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen weitere Zivilisten getötet werden.

Nach den Bombardements durch die israelische Luftwaffe steigt schwarzer Rauch über dem dichtbesiedelten Gazastreifen auf.
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Zusammenstöße am Tempelberg

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. In Jerusalem – und dort insbesondere auf dem Tempelberg – gab es im Laufe des muslimischen Fastenmonats Ramadan mehrfach schwere Zusammenstöße mit zahlreichen Verletzten. Auslöser waren unter anderem drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Viertel Sheikh Jarrah durch israelische Behörden.

In Ostjerusalem war es am Montag erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen, bei denen mehr als 500 Menschen verletzt wurden. Just an jenem Tag, an dem in Israel an die Eroberung des arabischen Ostteils einschließlich der Altstadt während des Sechstagekriegs 1967 erinnert wird.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die seit Montag in Jerusalem bei der Versorgung der Verletzten hilft, berichtete am Dienstag von "Kopf-, Brust- oder Augenverletzungen" durch Gummigeschoße und Betäubungsgranaten sowie stumpfen Verletzungen. Unter den Verletzten seien viele Kinder gewesen, erklärte Natalie Thurtle, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Palästina, in einer Aussendung. Viele Verletzte in der Altstadt hätten aus Angst vor Verhaftung oder Inhaftierung keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen, so Ärzte ohne Grenzen unter Berufung auf Berichte anderer Patienten.

Verschärft hatten sich die Spannungen und Proteste durch Pläne, Häuser palästinensischer Familien im Stadtteil Sheikh Jarra in Ostjerusalem zu räumen. Das Land, auf dem sie leben, wird von jüdischen Siedlern beansprucht.
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Netanjahu warnte vor längerem Konflikt

Mehrere Raketen militanter Islamisten wurden am Montag am Jerusalem-Tag auch in Richtung der Stadt abgefeuert. Ministerpräsident Netanjahu sah dadurch eine rote Linie überschritten. Er stimmte die Bevölkerung bereits am Montag auf einen längeren Konflikt ein.

Die EU und die USA haben die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen verurteilt und riefen zur Deeskalation auf. Scharfe Kritik an Israel kam unterdessen von den arabischen Staaten, unter anderem von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, die ihre Beziehungen mit Israel in den vergangenen Monaten normalisiert hatten.

Streit um Jerusalem

Der Status Jerusalems ist eine der zentralen Streitfragen im Nahost-Konflikt. Der Tempelberg in der Altstadt mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee ist für Juden wie Muslime von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.

Israel beansprucht Jerusalem als "ewige und unteilbare Hauptstadt" für sich. Die Palästinenser halten ihrerseits an ihrem Anspruch auf Ostjerusalem als Hauptstadt eines unabhängigen Staates fest. Die Uno wertet Ostjerusalem als besetztes Palästinensergebiet. (red, Reuters, APA, 11.5.2021)