Susanne Raab: Alle Aspekte müssen "breit beleuchtet werden".

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Wien – Nach der Frauenmordserie findet am Mittwoch im Bundeskanzleramt ein runder Tisch mit Opferschutzeinrichtungen statt. 18 Vertreter*innen von Frauenrechtsorganisationen sind eine Woche nach dem Sicherheitsgipfel dazu eingeladen. Am Dienstag gab es einen Expert*innenaustausch zum Thema kulturell bedingte Gewalt mit Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Diese kündigte dabei eine Studie "zu unterschiedlichen Motiven kultureller Gewalt" an. Außerdem soll es mehr Geld für Opferschutz geben.

Die Opferschutzeinrichtungen vermissten vergangene Woche nach dem Sicherheitsgipfel die geforderte Erhöhung der Mittel für Gewaltschutz. Sie hatten 228 Millionen Euro im Jahr für eine Ausweitung und längerfristige Absicherung ihrer Arbeit und zusätzlich rund 3.000 neue Arbeitsstellen im Opferschutz gefordert. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bereits mehr Geld versprochen.

Nicht "blind sein"

Vor dem runden Tisch mit den NGOs sprach Raab am Dienstag mit Expert*innen zu kulturell bedingter Gewalt. Frauen mit Migrationshintergrund müssen gestärkt und über die vorhandenen Hilfsangebote aufgeklärt werden, sagte Raab. Es gehe darum, "unabhängig von der Herkunft jede Möglichkeit zu nutzen, Frauen und Mädchen in Österreich zu stärken", meinte die zuständige Ministerin. Wie viel mehr Geld zur Verfügung gestellt werden soll, sagte Raab nicht, das müsse mit dem Koalitionspartner abgestimmt werden.

2021 wurden bereits elf Frauen von (Ex-)Partnern getötet, in weniger als der Hälfte der Fälle hatten die Täter Migrationsgeschichte. Laut Raab geht es bei kulturell bedingter Gewalt "sehr viel um die Ehre", Gewalt sei ein "legitimes Mittel, um die Ehre herzustellen". "Wir dürfen nicht auf einem Auge blind sein", alle Aspekte müssen "breit beleuchtet werden", forderte sie.

Bei kultureller Gewalt "sprechen wir nicht von Einzelfällen, das ist ein Gesellschaftsproblem", meinte die deutsche Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş. Bis es zu einem Mord komme, dauere es. Frauen in anderen Kulturen seien bereits von Geburt an, im Kindergarten, in der Schule extremster Diskriminierung ausgesetzt. Bei den späteren Tätern "reden wir nicht über böse Menschen, sie haben aus innerer Überzeugung die Meinung, dass sie etwas Gutes tun", meinte Ateş.

"Nur wenn Muslime mitgestalten, können wir eine Änderung vollziehen", forderte Ates die Einbindung der Religionsgemeinschaft. "Gleichberechtigung der Geschlechter ist im Islam möglich", meinte sie. "Ich wünsche mir mehr Selbstreflexion von den Communitys", sagte Emina Saric, Expertin für geschlechtsspezifische Gewalt. Außerdem werde Gewalt oft nicht erkannt, sehr selten würde auch von traditionsbedingten Gewaltformen gesprochen. Saric leitet auch das Präventionsprojekt Heroes – dieses setzt sich mit jungen Männern aus sogenannten Ehrenkulturen für ein gleichberechtigtes Zusammenleben ein.

Wichtigste Arbeit: Prävention

"Kein anderes Thema spaltet mehr, schafft mehr Ängste, als das Thema Gleichberechtigung", sagte Ahmad Mansour, Psychologe und Autor sowie Islamismus-Experte. Mansour ist Initiator zahlreicher Jugendprojekte und beschäftigt sich mit Radikalisierung, Gewalt und Unterdrückung im Namen der Ehre. "Gleichberechtigung ist zentral, kein anderes Thema zeigt den Unterschied zwischen Aufnahmegesellschaft und Herkunftskultur so unterschiedlich", sagte er. Gleichberechtigung würde bei vielen Menschen Identitätsverluste schaffen. Die wichtigste Arbeit sei die Prävention. Die Menschen müssten dazu bewegt werden, "patriarchalische Strukturen infrage zu stellen", forderte Mansour.

Vor dem Expert*innengespräch im Bundeskanzleramt fand am Ballhausplatz eine Protestkundgebung von Frauenrechtsorganisationen statt. Zahlreiche Gewaltschutzeinrichtungen erneuerten ihre Forderungen an die Bundesregierung, unter anderem soll es mehr Geld für Prävention geben. An der Aktion nahm auch SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek teil. "Wer Hilfe braucht, muss diese rasch bekommen", forderte sie. Die SPÖ-Frauen unterstützen die Forderung der Gewaltschutzeinrichtungen nach mehr finanziellen und personellen Ressourcen. (APA, 11.5.2021)