Nur jede dritte Befruchtung führt auch zu einer erfolgreichen Schwangerschaft, sagt die Statistik. Bei 80 bis 90 Prozent der Fehlgeburten passieren unmittelbar nach der Befruchtung der Eizelle Fehler, die dazu fühlen, dass der Embryo nicht lebensfähig ist.

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In der frühen Schwangerschaft sind Blutungen, krampfartige Schmerzen im Unterbauch oder ein nicht mehr hörbarer Herzschlag des Embryos ebenso gefürchtet wie endgültig, kündigen sie doch das Schwangerschaftsende an. Aber warum passiert so etwas überhaupt?

Frauen neigen dazu, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Mehr als zwei Tassen Kaffee täglich getrunken? Höher dosiertes Koffein beeinträchtigt immerhin die Durchblutung der Plazenta und somit die Versorgung des Fötus mit Sauerstoff und Nährstoffen. Zu große psychische Belastungen wie zum Beispiel Geldsorgen, Arbeitsdruck, partnerschaftliche Disharmonie? Zu viel Alkohol in den ersten Wochen? Das alles kann eine Rolle spielen. Häufig sind es jedoch andere Faktoren, die zu einer Fehlgeburt führen.

Suche nach Auslöser

Statistisch führt nur jede dritte Befruchtung zu einer erfolgreichen Schwangerschaft. Mitunter ist ihr Ende bereits besiegelt, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Das ist der Fall, wenn bei der Reifeteilung der Eizelle ihr Bestand an 46 Chromosomen nicht richtig geteilt wird. Dieser störanfällige Vorgang funktioniert bei etwa zehn bis 20 Prozent der Embryonen nicht. Je älter eine Frau, desto größer ist das Risiko.

In den anderen 80 bis 90 Prozent der Fälle passieren unmittelbar nach der Befruchtung der Eizelle Fehler. Neue Erkenntnisse hierzu veröffentlichte kürzlich ein Forscherteam am Göttinger Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie unter Leitung der MPI-Direktorin Melinda Schuh im Fachmagazin "Cell". Was fanden sie konkret heraus?

In der Zeit nach der Befruchtung, also im Zygoten-Stadium, liegen die elterlichen Chromosomen in der Eizelle, der Zygote, kurzzeitig in zwei getrennten Zellkernen vor. In diesem Stadium heißen sie auch Vorkerne. Diese Vorkerne bewegen sich langsam aufeinander zu, bis sie sich berühren, ihre Hülle auflösen und die elterlichen Chromosomen in einem einzigen Zellkern vereinigt sind.

Wenn Fehler auftreten

Um diesen sehr wichtigen Prozess genauer zu untersuchen, befruchteten Schuh und ihre Mitarbeiter Rinder-Eizellen im Reagenzglas und beobachteten sie anhand der Lebendzell-Mikroskopie. Doch mitunter tanzen manche Chromosomen beim geordneten Sammeln an der Grenzfläche aus der Reihe und gehen deshalb verloren. "Dann passieren in der Zygote folgenschwere Fehler", sagt Schuh.

Bestandteile des Zellskelettes in der Zygote und der Vorkernhülle steuern sowohl die Bewegung der Vorkerne aufeinander zu wie auch das Sammeln der Chromosomen an deren Grenzflächen zeitlich aufeinander abgestimmt. Mitunter ist diese Steuerung aber schlichtweg überfordert, sodass Fehler auftreten, die dazu führen, dass der Embryo nicht lebensfähig ist. Die gute Botschaft: Eine solche Fehlgeburt bedeutet kein zusätzliches Risiko für die nächste Schwangerschaft.

Kinderwunsch

Hat eine Frau tatsächlich mehrere Fehlgeburten, was bei etwa drei bis fünf Prozent aller Paare mit unerfülltem Kinderwunsch der Fall ist, dann liegt das eher an immunologischen Ursachen. Etwa ein Drittel der Frauen mit wiederholten Fehlgeburten produziert Antikörper gegen ein Protein der Plazenta, sogenannte ATAK. Dadurch verringert sich die Produktion wichtiger Schwangerschaftshormone.

Spezielle Infusionen können in diesen Fällen die Aktivität der ATAK und so auch das Risiko einer Fehlgeburt verringern. In den meisten Fällen verläuft die weitere Schwangerschaft dann normal. Mitunter versagt ein auf Immuntoleranz basierender Schutzmechanismus für den Embryo. Das mütterliche Immunsystem greift dann den Embryo an.

Es gibt noch einige andere Störungen, die eine Fehlgeburt verursachen können, aber, wenn erkannt, erfreulicherweise relativ gut behandelbar sind. Das kann zum Beispiel eine gestörte Schilddrüsenfunktion oder ein polyzystisches Ovarsyndrom, kurz PCOS, sein. Weiters Veränderungen der Gebärmutter wie gutartige Muskelgeschwülste, sogenannte Myome, und feine Trennwände in der Gebärmutter. Kleine Veränderungen im Blutgerinnungssystem können die Versorgung des Embryos stören.

Manchmal schleppt aber auch einfach die Samenzelle eine folgenreiche Genveränderung ins genetische Material der Eizelle ein. (Gerlinde Felix, 13.5.2021)