Wenn das Medianalter deines Kontinents 19,7 Jahre beträgt, dann ist die Alterspyramide vor allem auch eines: ein riesiger potenzieller Markt für Start-ups und moderne Computertechnologien aller Art.

Afrika boomt, Afrika startet durch. Knapp 1,7 Milliarden Euro an Risikokapital flossen 2019 in aufstrebende junge Firmen, fast fünfmal so viel wie noch fünf Jahre zuvor. Im Vergleich zu Europa und den Granden im Silicon Valley wirken diese Zahlen noch gering, aber die Tendenz ist klar erkennbar.

In Österreich wurden 2020 etwa rund 200 Millionen von Start-ups lukriert, in ganz Europa waren es 41 Milliarden. Für Afrika aber erfreulich: Die Investments kommen keinesfalls nur mehr von außen, auch innerafrikanisch wird immer öfter richtig viel Geld locker gemacht und die Start-up-Branche von lokaler Seite unterstützt.

Zwar musste auch in Afrika aufgrund von Corona die eine oder andere große Investition abgeblasen oder verschoben werden, dennoch wurden 2020 so viele Beteiligungsdeals wie noch nie zuvor abgeschlossen: 347 Start-ups konnten sich Daten von Partech zufolge über eine kräftige Finanzspritze freuen. Es war also maximal ein kleiner Dämpfer auf der Fortschrittskurve.

Der Fintech-Rubel rollt

Unangefochten an der Spitze der afrikanischen Start-up-Landschaft liegt die Fintech-Industrie, also jene Branche, die digitale Lösungen für Bezahl-, Bank-, Versicherungs- und Vorsorgesysteme anbietet. Gut ein Viertel der afrikanischen Start-up-Investments fließt in diesen Bereich. Sie haben es dank eines immer besser ausgebauten Mobilfunknetzes geschafft, vor allem auch jenen Menschen mobile Bankinglösungen anzubieten, die bisher keinen Zugang zu traditionellen Banken hatten, was Diebstähle förderte. Und unterm Kopfkissen wird Bargeld dank der Inflation bekanntlich auch nicht gerade mehr wert.

In Kenia soll bisweilen jährlich eine Summe in Höhe von 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über die mobile Bezahlplattform M-Pesa abgewickelt werden. Diese gilt freilich nicht mehr als Start-up, es zeigt aber das Marktpotenzial.

Auch für mehr als 20 Prozent der Erwachsenen in Staaten wie Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Gabun, Kenia, Senegal, oder Uganda ist das Mobiltelefon mittlerweile zu ihrer Hausbank geworden. Dass jüngere Menschen für Onlinebanking potenziell offener sind als ältere, ist ein Phänomen, das ohnehin nicht nur in afrikanischen Breitengraden zu beobachten ist.

Angeführt wird der boomende Finanzdienstleistungsmarkt nach wie vor von einem über den Kontinent gestreuten Quartett, den Big Four der afrikanischen Start-up-Szene: Nigeria, Kenia, Ägypten und Südafrika. Auf den Plätzen folgen aufstrebende Märkte wie Ruanda, Ghana, Mauritius oder Tunesien – die Niederlassungen konzentrieren sich freilich auf wenige Hubs, meist in den Hauptstädten (siehe Karte) oder wo eben steuerfreundliche Gesetze locken. Auch in Frankreich, Großbritannien und den USA bauen afrikanische Start-ups immer öfter Zweigstellen auf.

Ersatz für Vater Staat

Neben Fintechs zogen zuletzt vor allem jene Start-ups ordentlich an, die sich für ertragreichere Ernten, nachhaltige Energiegewinnungsformen, die Überbrückung der schwierigen Logistikketten, sowie eine bessere Gesundheitsversorgung einsetzen. Immer wieder stellen Start-ups Dienstleistungen oder Angebote zur Verfügung, die in Europa großteils als Aufgabe des Staates angesehen werden, in Afrika aber unzureichend erledigt werden.

So zählt etwa die nigerianische App "Babymigo", eine Plattform zum Austausch werdender Mütter, Kinderärztinnen, Hebammen und vieler mehr, mittlerweile mehr als 150.000 Benutzerinnen – eine simple Wunderwaffe im Kampf gegen hohe Kindersterblichkeit.

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Kenianische Bauern liefern ihre Maisernte ab, um via der App Digifarm passende Abnehmer zu finden.
Foto: REUTERS/Jackson Njehia

Die südafrikanische App "Lumkani"(Swahili für "Pass auf!") hingegen erkennt rapide Temperaturanstiege, die über ein herkömmliches Feuer fürs Essen hinausgehen, und dient so vor allem in den Slums der Großstädte als effektive Lösung gegen verheerende Brände.

Binnen Sekunden werden Bewohnerinnen und Anrainer in einem 60-Meter-Radius per SMS gewarnt. Die App war so erfolgreich, dass man mittlerweile auf Versicherungsmöglichkeiten und Einbruchschutz ausgeweitet hat.

Wo bleiben die Frauen?

Ebenfalls aus Südafrika stammt die Idee zu "Sunexchange". Dabei wird weltweit Geld für Photovoltaikanlagen gesammelt, die auf den Dächern von Einrichtungen montiert werden sollen, die es sich selbst nicht leisten könnten. Die ausfinanzierte Anlage wirft dann eine regelmäßige Dividende ab – und produziert nebenbei umweltfreundlich Strom. Hunderte weitere Ideen und Jungfirmen entstehen jährlich und warten nur darauf, aufgegriffen zu werden und Leben zu verbessern.

Ein Problem, das afrikanische Start-ups noch mehr als "westliche" haben, ist jedoch das Genderungleichgewicht. Gerade einmal 15 Prozent haben zumindest eine Frau in Führungspositionen, in Nordamerika sind es 43 Prozent. (Fabian Sommavilla, 13.5.2021)