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Seinen Baby-Hook trifft Pöltl hochprozentig.

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Jeder zweite Abend bedeutet Schwerstarbeit für Pöltl unter den Brettern: "Manchmal gehen nur 70 oder 80 Prozent, weil alles wehtut."

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Jakob Pöltl ist auf 2,16 Meter Höhe ein geerdeter Typ. Und er verfügt über eine Charaktereigenschaft, die im harten Business der National Basketball Association (NBA) von Vorteil sein kann: Zurückhaltung. Die Liga hat viele Basketball-Talente kommen und gehen gesehen, die an ihrem eigenen Ego gescheitert sind. "Am College trug ich viel Verantwortung auf dem Spielfeld, in der NBA hatte ich Phasen, wo ich außer Blocks stellen gar nichts gemacht habe. Mir fällt beides nicht schwer, ich kann mich gut auf neue Situationen einstellen, kenne meine Rolle", sagt der 25-jährige Wiener dem STANDARD.

Seit März läuft es für Pöltl richtig gut, ja fulminant. Mit 1,8 Blocks im Schnitt liegt er ligaweit auf Platz fünf in dieser Kategorie, mit acht Rebounds pro Spiel gehört er zu den besten 25. Und für die Spurs geht es noch um etwas in dieser Saison. Trotz einer negativen Bilanz von 33:37-Siegen stehen die Texaner im Play-in-Tournament, ein Quali-Turnier für die letzten beiden Plätze im Playoff.

Gewinnen die Spurs als Zehnter im Westen gegen die neuntplatzierten Memphis Grizzlies, geht es in einem weiteren Spiel gegen den Verlierer des Duells zwischen den Los Angeles Lakers (7.) und den Golden State Warriors (8.) um das letzte Playoff-Ticket. "Ich finde das Turnier grundsätzlich eine gute Idee. Für uns ist es aktuell ein Vorteil, es sind zwei spannende Partien für die Zuschauer. Die Kritik an noch mehr Spielen in einem ohnehin kurzen und dichten Saisonkalender verstehe ich aber auch", sagt Pöltl.

Peinliche Premiere

Sein größtes Problem hat Pöltl mittlerweile in den Griff bekommen. Rückblick, es war der 31. März: Pöltl wirft gegen die Sacramento Kings zwei Airballs hintereinander von der Freiwurflinie, sprich: Der Ball berührte zweimal hintereinander nicht einmal den Ring. Dass dies eine historische Premiere in der NBA war, ist nicht verbrieft. "Als es schlecht lief, war ich nervös, verkrampft, wollte es erzwingen."

Über den Sommer arbeitete Pöltl mit Spurs-Klublegende Chip Engelland. Der 60-jährige Assistant-Coach und Wurftrainer, der stets im Hintergrund bleibt, reparierte in den Nullerjahren sogar Tony Parkers Wurfbewegung und machte aus dem vierfachen französischen NBA-Champion mit den Spurs einen gefährlichen Distanzwerfer. "Meine Führungshand war im Weg, zeitweise werfe ich nun fast schon einhändig. Wir haben auch daran gearbeitet, wie der Ball in meiner Hand liegt, dass ich mehr Grip bekomme und mir der Ball nicht links oder rechts runterrollt."

Auch Mentaltraining stand kurzzeitig auf dem Programm. Spieler haben unterschiedliche Zugänge zu Drucksituationen. Ex-NBA-Star Dirk Nowitzki etwa summte an der Freiwurflinie gerne David Hasselhoffs Song Looking for Freedom, um sich zu beruhigen. Pöltl will in "eine Routine reinkommen, wenn ich zur Linie gehe, die Außenwelt ausblenden, damit ich meine Gedanken besser steuern kann". Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Seit April trifft Pöltl mehr als 70 Prozent seiner Freiwürfe. Damit kann er auch am Ende eines Spieles, wenn es um die Wurst geht, am Parkett bleiben.

Mehr Verantwortung

Hin und wieder passiert es auch, dass ein gegnerischer Spieler den Ball über Pöltl hinweg in den Korb stopft und auf einem Poster eines Fotografen landet. Ob man da nicht manchmal besser zurückzieht, anstatt sich in den Weg zu stellen? "Das ist mir eigentlich wurscht. Solange es kein schlechtes Play ist, wo ich ein Foul kassiere, springe ich trotzdem mit." Natürlich kommt auch Pöltl hie und da ein Dunk aus, der den Gegner demoralisiert. "Ich kann auch austeilen."

Mehr als ein Jahr Pandemie ist auch an Pöltl nicht spurlos vorübergegangen. Es gibt kein Mannschaftstraining, die Spurs haben alle gemeinsamen Freizeitaktivitäten gestrichen. "Es geht auf die mentale Substanz", sagt Pöltl. "Dazu musst du jeden zweiten Abend alles geben, auch wenn der Körper schmerzt. Manchmal gehen nicht mehr als 70 oder 80 Prozent, weil alles weh tut. Ich habe zwischen den Spielen Kontakt mit meinen Freunden, wir zocken manchmal Playstation. Solange es etwas ist, was ich im Sitzen oder Liegen machen kann."

Pöltl kassiert für drei Jahre bei den Spurs 26 Millionen Euro. Experten sprechen vom "Big Wiener", wie er in Fanforen genannt wird, bereits als Schnäppchen. "Ich kann mich zurücknehmen. Ein Nachteil ist, dass es mir schwerfällt, mich aus dieser Rolle wieder heraus zu entwickeln. Ich möchte in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen." (Florian Vetter, 14.5.2021)

NBA-Ergebnisse vom Donnerstag:
New York Knicks – San Antonio Spurs 102:98
Charlotte Hornets – L.A. Clippers 90:113
Indiana Pacers – Milwaukee Bucks 133:142
Atlanta Hawks – Orlando Magic 116:93
Miami Heat – Philadelphia 76ers 106:94
Memphis Grizzlies – Sacramento Kings 116:110
Chicago Bulls – Toronto Raptors 114:102
Minnesota Timberwolves – Denver Nuggets 103:114
Phoenix Suns – Portland Trail Blazers 118:117