Personalpolitische Vorgaben sollen dazu führen, dass Führungskräfte bei Amazon zu eigenwilligen Methoden greifen, um ihre Kernteams vor Abgängen zu schützen.

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Auch große Konzerne sind vor fragwürdigen bürokratischen Auswüchsen offenbar nicht gefeit. Das legt ein Bericht von "Business Insider" auf Basis interner Dokumente nahe. Der Vorwurf: Manche Manager beim Onlineriesen Amazon sollen neue Mitarbeiter mit der Absicht einstellen, sie binnen eines Jahres wieder zu entlassen.

Diese Praxis, sie soll den Namen "Hire to Fire" tragen und dürfte primär die USA betreffen, ist demnach eine Folge interner Vorgaben. Hier soll es um den Zielwert "Unregretted Attrition" (URA) gehen, der einen Anteil an Mitarbeitern festschreibt, deren Abgang – freiwillig oder forciert – man wortwörtlich nicht bedauert. Die Intention dahinter dürfte sein, interne und externe Beschäftigte mit schlechten Performance-Ratings regelmäßig mit potenziell besseren Kandidaten auszutauschen, um langfristig die Produktivität des jeweiligen Teams zu heben. So soll etwa Andy Jassy, der bald Jeff Bezos als CEO ablösen wird, zuletzt mit einer URA-Quote von sechs Prozent operiert haben.

Focus

Auf Manager soll entsprechend Druck ausgeübt werden, diese Vorgaben einzuhalten. Das Web-Services-Team soll sie 2020 verfehlt haben und die Differenz nun heuer gutmachen müssen. Mitarbeiter, die im Vergleich zu ihren Kollegen schlechtere Performance-Ratings haben, werden nicht sofort auf die Straße gesetzt, sondern in ein Verbesserungsprogramm namens "Focus" überstellt, das jedoch für unrealistische und vage Zielvorgaben kritisiert wird. Am Ende dieses Programms kann auch ein Abschied aus dem Unternehmen stehen.

Es soll fast unmöglich sein, wieder aus dem "Focus"-Programm genommen zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Betroffene sich auch intern nicht für andere Stellen bewerben können.

"Hire to Fire" zum Schutz von Kernteams

Die Vorgaben haben laut dem Bericht zur Folge, dass manche Manager neue Mitarbeiter an Bord holen und dabei bereits planen, sie bald wieder zu entlassen. Denn das ermöglicht ihnen, einerseits den URA-Zielwert zu erfüllen und gleichzeitig ihre Kernteams vor Abgängen zu bewahren.

Amazon dementiert, dass Mitarbeiter angestellt würden, um sie bald wieder zu entlassen. Ebenso werde die Bezeichnung "Hire to Fire" intern nicht verwendet, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Auch existierten keine zentralen Vorgaben dafür, wie viele Mitarbeiter pro Jahr am "Focus"-Programm teilnehmen müssen. (red, 12.5.2021)