Am 8. Mai stellte sich eine Gegendemo gegen die Identitären. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Foto: Imago/Isabelle Ouvrard

Es war ein Debakel für die Rechtsextremen, anders kann es nicht beschrieben werden. Ausgerechnet am 8. Mai, dem Jahrestag der Niederlage Nazideutschlands, versuchten die Identitären, die mittlerweile unter dem Label "Die Österreicher" auftreten, eine Kundgebung in Wien-Ottakring abzuhalten, dort wurden sie allerdings von hunderten Antifaschisten bereits erwartet.

Schließlich musste ein Teil der Rechtsextremen den Wiener Bezirk laufend und unter Polizeischutz wieder verlassen. Dass dieser Rückzug auch noch gefilmt wurde, machte das Debakel perfekt. Solche Bilder schaden dem Image der Gruppierung nachhaltig. Ihre hohe Zeit scheint vorüber zu sein.

Die Rechtsextremen verlassen den Kundgebungsort.

Die Kundgebung am 8. Mai zeigte auch, dass die Identitären derzeit keine 80 Aktivisten und Aktivistinnen mobilisieren können. Im Oktober des vergangenen Jahres kamen noch wenige hundert Personen zu einer Demonstration.

Jakob Gunacker, der "Die Österreicher"-Bundesleiter, bei einer Corona-Demo in Wien. Er berichtet live vom Geschehen.
Foto: Markus Sulzbacher

Ihr Engagement bei den Corona-Demonstrationen der vergangenen Monate hat offensichtlich wenig gebracht. Obwohl Identitäre "Kurz muss weg"-Transparente durch halb Wien tragen, Spenden sammeln, im Netz live vom Geschehen berichten und mit Demonstrationsorganisatoren wie Martin Rutter einen engen Umgang pflegen, hat sich die Zahl der Aktivisten und Aktivistinnen nicht vergrößert – von den Corona-Demonstrationen bekannte Gesichter waren in Ottakring nur ganz wenige zu sehen. Selbst ihre aktuellen Internet-Kampagnen, etwa der Versuch, Stimmung über anonyme Accounts zu machen, verpuffen, nachdem Facebook, Youtube und Twitter zahlreiche Accounts gesperrt haben.

FPÖ offiziell auf Distanz

Besonders wurmt Identitäre, dass die FPÖ offiziell auf Distanz ging, nachdem deren Funktionäre die Gruppierung über Jahre hinweg wohlwollend begleitet hatten. Freiheitliche Politiker kamen zu Kundgebungen, unterstützten sie finanziell oder teilten ihre fremdenfeindliche Propaganda auf Facebook und anderen Plattformen. Nachdem bekannt wurde, dass ein Rechtsterrorist, der im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete, dem Identitären-Sprecher Martin Sellner Geld gespendet hatte, gingen die Blauen im Jahr 2019 auf Abstand.

Zwar tun sich auch hohe freiheitliche Politiker manchmal sehr schwer, einen Mindestabstand einzuhalten, aber offiziell gilt das Wort des Parteichefs Norbert Hofer, der kein Anstreifen will. Mit dem Chef der Identitären würde er nie auf ein Bier gehen, erklärte Hofer in einem "Heute"-Interview die Richtung. Die Abgrenzung wird auch intern als Signal an die ÖVP gesehen, die gegen Rechtsextremismus Front macht.

Symbolegesetz bekommt ein Update

Mit der Distanz wollen Hofer als auch der oberösterreichische Landeschef Manfred Haimbuchner, der in Linz in einer Koalition mit der ÖVP sitzt, ihre Regierungsfähigkeit signalisieren. Der parteiinterne Konkurrent der beiden, Herbert Kickl, pflegt hingegen einen betont lockeren Umgang mit den Identitären. In seiner Rede bei einer Corona-Demonstration in Wien am 6. März freute er sich über ihr "Kurz weg Kicklen"-Transparent, und er inseriert auch in der oberösterreichischen Zeitschrift "Info Direkt", die nicht gerade zur Lieblingslektüre von Haimbuchner zählen soll, da darin auch ehemalige Neonazis, Südtirol-Aktivisten sowie Identitäre schreiben.

Ende des vergangenen Jahres hatte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz mit dem Blatt geredet. Angesprochen auf das Engagement von Roman Möseneder, der aus dem Umfeld der Identitären in den Vorstand der Salzburger FPÖ-Jugend gewählt wurde, hatte er "Info Direkt" gesagt, mit der "Distanziererei" wie in Zeiten der Regierungsbeteiligung und auf "Zuruf" der ÖVP sowie von Journalisten sei es "definitiv vorbei". Nachdem es Kritik an diesen Aussagen gegeben hatte, sah sich Schnedlitz "missinterpretiert".

Wie stark die Position Hofers ist, wird sich in den kommenden Wochen bei der Parlamentsabstimmung zum Update zum Symbolegesetz zeigen, welches das öffentliche Zeigen der Symbole der Identitären und der "Österreicher" unter Strafe stellt. Besonders in der ÖVP ist man sehr gespannt, wie sich die FPÖ bei der Abstimmung verhalten wird, schließlich werden die Symbole der Rechtsextremen gemeinsam mit islamistischen Logos verboten.

Die Identitären haben angekündigt, gegen das Symbolegesetz juristisch vorgehen zu wollen. Auch treten Aktivisten als "Die Wehrmänner" auf, etwa als sie vor einigen Monaten das Denkmal für Marcus Omofuma in Wien verhüllten. Der Mann wurde während einer Flugzeug-Abschiebung aus Österreich von drei Polizisten in fahrlässiger Weise getötet. Sellner kommentierte dies mit "White lives matter".

"Die Österreicher" sind mittlerweile eine offizielle Partei, was ein Verbot schwierig macht. Beide Gruppierungen werden vom Verfassungsschutz beobachtet.

Neonazis wollen den Identitären die Show stehlen

Neben dem Flop in Ottakring haben die Identitären auch ein anderes Problem. Neonazis im Umfeld der Website "Unwiderstehlich" und der Szenegröße Gottfried Küssel treten verstärkt öffentlich auf. Sie marschieren bei Corona-Demonstrationen mit und treten als "Gruppe für Sport und Technik" in Erscheinung, etwa wenn sie antifaschistische Wandbilder in Wien übermalen und davon ein Video ins Netz stellen. Die Neonazis wollen so attraktiver für Jugendliche werden und ihre Basis vergrößern. Derzeit versuchen sie im Hooligan-Milieu zu rekrutieren. Um staatlicher Repression vorzubeugen und antifaschistischem Protest zu entgehen, tritt (mehr oder weniger) ein und derselbe Personenkreis unter verschiedenen Namen auf. Dabei spielen Männer, die seit Jahrzehnten in dem Milieu verkehren, eine entscheidende Rolle.

Teile der Neonazis pflegen eine richtige Hassliebe zu den Identitären. Zwar beäugen sie deren Aktionismus neidisch, aber sie kritisieren deren Ideologie als zu liberal oder "zu wenig biologistisch", während sie am 25-Punkte-Programm der NSDAP festhalten. Auch reden sie nicht in antisemitischen Codes, sondern halten sich bei ihrer Judenfeindlichkeit nicht zurück.

Die aktuelle Schwäche der Identitären ist besonders darauf zurückzuführen, dass sie von Onlineplattformen entfernt wurden. Damit wurde ihr Radius massiv eingeschränkt. Kundgebungen mit einigen hunderten Teilnehmern und Teilnehmerinnen können sie kurzfristig nicht organisieren, und außerhalb von Wien spielen sie kaum mehr eine Rolle. (Markus Sulzbacher, 13.5.2021)