"Wie vü du?" Mit einer investigativen Unschuldsmiene wie aus einer "Columbo"-Folge der 1970er-Jahre wird man heute oft gefragt, wie viele Schritte man täglich macht. Ja, Himmel, wie soll ich das denn wissen? Nein, ich hab die App auf dem Telefon nicht aktiviert, ich trag mein Telefon auch nicht ständig bei mir, sondern renne bei jedem Läuten einmal quer durchs Haus und – rufe dann zurück, weil ich es nie darenne. Egal.

Die App? Ach was, die Apps. Zum Schrittezählen kann man mehrere Apps gegeneinander antreten lassen.
Screenshot: der Standard

"Wie? Was? DIE APP NIE AUFGEDEHT?" Ja, ich hab auch kein Whatsapp, kein Netflix, kein Insta, höre keine Podcasts. Ich bin für mein Alter schon ziemlich alt. Mir ist komplett egal, wie viele Schritte ich mache. Ich gehe gern. Und keine Ahnung, vermutlich sogar viel. Alles, was in einer Viertelstunde zu Fuß erreichbar ist, derhatsch ich. Und wegen zwei Stationen mit der U-Bahn bemühe ich doch meine Jahreskarte nicht. Aber wie viele Schritte ich mache? Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht. Und während ich nach einer Erklärung suche, wie ich das jetzt so erkläre, ohne dass mich wer fragt, ob er sich VHS-Rekorder und Kassettendeck ausborgen könne – ich gäbe beides nicht gern aus der Hand –, schaut die Freundin neben mir betreten (sic!) zu Boden und sagt: "Bei mir waren es gestern nur 48 Schritte." Schweigen. Noch mehr Schweigen. "Ja mei", sagt sie, "ich hab eine kleine Wohnung."

Gehen, um des Gehens willen. Machen Sie das, oder integrieren Sie das Gehen lieber in den Alltag?
Foto: derStandard

Die nächsten Minuten vergehen damit, dass abwechselnd irgendwer sein Smartphone schüttelt, einsteckt und ein paar Schritte geht oder einen Neustart empfiehlt.

Der Weg ist der Weg

Am Abend erzählt mir die alte Wondraschek von der Zweierstiegn (Name und Wohnort von der Red. geändert), dass sie jeden Tag in der Früh zwei Runden im nicht gerade angrenzenden Park gehe. Und mehrmals täglich sehe ich den pensionierten Kieberer, der sich jetzt einen mächtigen Bart hat wachsen lassen, am Fenster vorbeigehen. Er spaziert mit einer leeren Flasche Wein, dann mit einer leeren Blechdose Katzenfutter, dann mit einem Gurkenglas, runter zum Bauhof, wo die Sammelcontainer stehen. Nein, zusammenwarten wolle er nicht, sagt er. So hat er wenigstens einen Weg, den er erledigen muss, weil ohne Ziel herumzugehen, nein, das könne er nicht. "An wos?" – "Hä" – "An Schrittzöhla? Spinnst?"

Die Ingrid wiederum, die lässt ihr Smartphone sogar beim Tennisspielen eingesteckt. Damit nix umsonst ist. Aber sie hofft auf eine Smartwatch zum Hochzeitstag.

"Pokémon go" brachte eine Zeitlang die Jugend vom Sofa zum Gehen. Kennt heute auch keiner mehr.
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Wie halten Sie es denn mit dem Schrittezählen? Nutzen Sie dafür Apps? Welche denn? Haben Sie noch einen altvaterischen Schrittzähler, den man sich an Hüfte oder Schuh klippselt, oder lässt Sie das Thema kalt? Wie viele Schritte machen Sie jeden Tag – oder haben Sie sich vorgenommen? Und zählen die Schritte zwischen Sofa und Kühlschrank auch, selbst wenn die eine höchst negative Kalorienbilanz aufweisen? Wie viel gehen Sie überhaupt? Unterbieten Sie meine Freundin mit den 48 Schritten? (Guido Gluschitsch, 20.5.2021)