Gehegt und gepflegt trägt ein Avocadobaum irgendwann Früchte – so wie gute Nachbarschaft.

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Es ist fast genau vier Jahre her, dass wir im Müllraum unseres heutigen Wohnhauses eine Frau mit Fahrrad trafen. Wir hatten gerade eine Wohnung im Haus besichtigt. Nun wollten wir wissen, ob es im Haus zwischenmenschlich passt.

Wer schon einmal in einem Mehrparteienhaus gewohnt hat, weiß: Hausgemeinschaften sind kompliziert. Aber während man bei der Wohnungssuche die Immobilie auf Mängel abklopft, wird dies mit den künftigen Nachbarinnen und Nachbarn oft verabsäumt.

Wer Pech hat, zieht in die Traumwohnung – und nebenan haust jemand, der jeden Abend Techno in der Lautstärke eines Düsenjets hört. Oder man hat einen Miteigentümer, der sämtliche wichtigen Entscheidungen blockiert und im Haus alle gegeneinander ausspielt.

Daher fragte ich die Frau im Müllraum direkt, wie es so läuft im Haus. Sie war sympathisch und sagte, dass es keine Probleme gibt. Wir waren überzeugt.

Lukrative Tauschgeschäfte

Heute wissen wir: Es war eine gute Entscheidung, die damals im Müllraum fiel. Denn durch Corona hat sich Nachbarschaft in vielen Häusern noch einmal verändert. Entweder zum Negativen oder, wie bei uns, noch mehr zum Positiven: Wenn alle sozialen Kontakte im Leben reduziert werden müssen, freut man sich umso mehr über ein bisschen Smalltalk mit ausreichend Abstand auf dem Hausgang oder von Balkon zu Balkon.

Daraus entstanden auch lukrative Tauschgeschäfte: Über unsere selbstgebackenen Buchteln freuten sich die Nachbarn. Dafür bekamen wir gebackenes Gemüse.

Nun wagen wir den nächsten Schritt. Demnächst adoptieren wir mit Nachbarn ein Avocadobäumchen bei einem Ökoprojekt in Spanien, wo es gehegt und gepflegt wird, bis der Baum Früchte trägt. Eigentlich funktioniert ein Avocadobaum also genau wie gute Nachbarschaft. (Franziska Zoidl, 14.5.2021)