Ein Geheimtipp ist Xiaomi schon lange nicht mehr: Der chinesische Hardwarehersteller hat sich vor allem mit einem oftmals sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis längst einen Fixplatz in der Smartphone-Branche erarbeitet. Und zwar einen nicht gerade kleinen: Nicht zuletzt "dank" der Probleme des vom US-Handelsbann geplagten Konkurrenten Huawei hat es Xiaomi mittlerweile auf Platz drei der weltweiten Rangliste der erfolgreichsten Smartphone-Hersteller geschafft. Lediglich Samsung und Apple verkaufen derzeit noch mehr Geräte.

Eine Frage des Gewinns

Freilich sind Stückzahlen das eine – und der damit erzielte Gewinn noch einmal etwas ganz anderes. Der ist bei Xiaomi natürlich erheblich niedriger, erzielt das Unternehmen seinen Erfolg doch vor allem in niedrigen und mittleren Preisregionen. Das soll sich ändern: Künftig will Xiaomi auch am einträglichen Premium-Segment mitnaschen. Das Mi 11 Ultra darf geradezu stellvertretend für diese wachsenden Ambitionen stehen: Vom Namen bis zur (fast) kompromisslosen High-End-Ausstattung ist unübersehbar, dass Xiaomi sein neues Smartphone als direkten Konkurrenten zu Samsungs Galaxy S21 positioniert. Und das schlägt sich auch im Preis nieder. Um stolze 1.499 Euro soll das Smartphone in Österreich und Deutschland verkauft werden. Ob es das wert ist und was Xiaomis Neuling sonst so zu leisten vermag, soll im Folgenden geklärt werden.

Dezent ist anders: Xiaomis Mi 11 Ultra.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Mit dem Charme eines kleinen Panzers

Der Ersteindruck lässt sich mit einem Wort umschreiben: massiv. Wem das S21 Ultra zu dezent ist, der findet hier eine Alternative, die noch dicker aufträgt. Mit seinen Abmessungen von 164,3 x 74,6 x 8,4 Millimeter ist das M11 Ultra ganz sicher nichts für kleine Hände – und schon gar nicht für schwache, liegt das Gewicht doch nicht nur bei stolzen 234 Gramm, diese sind auch sehr ungleich verteilt: Das wohl bisher größte Kameramodul in der Smartphone-Geschichte sorgt dafür, dass das Gerät extrem kopflastig ist. Dies führt wiederum dazu, dass man es relativ weit oben halten muss, um einen sicheren Griff zu haben. Der Umstand, dass der Bildschirm seitlich leicht gebogen ist, trägt dann noch sein Weiteres dazu bei, dass das Mi 11 Ultra einfach nicht gut in der Hand liegt.

Dabei ist die Verarbeitung generell sehr gut. Die Rückseite ist aus Keramik gehalten, und die strukturelle Integrität wird durch einen Aluminiumrahmen verstärkt. Der Bildschirm ist wiederum durch die aktuellste Gorilla-Glass-Version mit dem Codenamen Victus geschützt. Auch das Klickgefühl bei den Knöpfen stimmt, einzig dass diese etwas dünn und scharfkantig ausfallen, kann man bemäkeln. Einen Vorteil hat das riesige Kameramodul übrigens dann doch. Da es über die volle Breite geht, liegt das Mi 11 Ultra im Gegensatz zu vielen aktuellen Konkurrenten wenigstens stabil auf dem Tisch auf.

Der Bildschirm

In solch ein großes Gehäuse muss natürlich ein passendes Display verpackt werden. In diesem Fall ist es 6,81 Zoll groß und kann mit einer Auflösung von 1.440 x 3.200 Pixel aufwarten, was einem Seitenverhältnis von 20:9 entspricht. Erfreulich ist auch der 120-Hz-Support, der für schnellere Touch-Reaktionen und sanftes Scrolling sorgt. Umso verblüffender ist, dass dieser von Haus aus gar nicht aktiviert ist. Wer das will, sollte dieses Feature also in den Systemeinstellungen aktivieren. Xiaomi kombiniert dies dann übrigens noch mit einem 480-Hz-Touch-Sensor. Wie stark man den Unterschied im Vergleich zur klassischen 60-Hz-Darstellung bemerkt, ist wie gewohnt sehr subjektiv. Insofern empfiehlt es sich, einfach selbst auszuprobieren, ob sich das aus der eigenen Perspektive rentiert. Immerhin verbraucht so ein 120-Hz-Bildschirm auch merklich mehr Strom.

Ein durchaus interessanter Kompromiss könnte dabei sein, den hochfrequenten Modus mit einer reduzierten Auflösung zu betreiben, immerhin sieht man bei FHD+ (2.400 x 1.080 Pixel) im Alltag kaum einen Unterschied. Zum gesteigerten Stromverbrauch noch ein Wort: Xiaomi bemüht sich, diesen – wie andere Hersteller auch – durch eine automatische Anpassung der Bildwiederholrate je nach Inhalt zu minimieren. Dabei spricht das Unternehmen von einem Bereich zwischen 30 und 120 Hz, in der Praxis springt das Gerät aber fast immer zwischen 60 und 120 Hz hin und her. Generell ist diese Maßnahme durchaus sinnvoll, immerhin bringen die 120 Hz etwa bei Spielen, die fix mit 60 Hz laufen, recht wenig.

Der Bildschirm ist generell sehr gut, problematisch ist hingegen die seitlich Biegung.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die Bildqualität des AMOLED-Displays ist generell sehr gut, einzig die Farbdarstellung wirkt eine Spur weniger exakt als bei manch anderen Herstellern. Zwar kann man dies über zahlreiche Einstellungsparameter selbst anpassen, eine gute Kalibrierung von Werk aus ersetzt dies aber nicht. Uneingeschränkt positiv fällt hingegen die hohe maximale Helligkeit aus. Diese liegt laut dem Hersteller bei 1.700 Nits für HDR-Inhalte, für normales Smartphone-Geschehen sind es immer noch 900 Nits. All das wie gewohnt nur in direktem Sonnenlicht bei automatischer Helligkeitsanpassung und auch nur kurzfristig. Sonst würde nämlich hohe Einbrenngefahr bestehen. Apropos HDR: Das Mi 11 Ultra unterstützt sowohl HDR10+ als auch Dolby Vision.

Erste Schwachstellen

Was hingegen wirklich ärgert, ist die Touchscreen-Situation beim Mi 11 Ultra – diese ist gerade für diese Preisklasse schlicht inakzeptabel. Das liegt am seitlich gebogenen Bildschirm. Dieser führt nämlich dazu, dass schon beim normalen Halten oft an den Rändern Berührungen registriert werden, wodurch die eigentlichen Eingaben an anderen Stellen ignoriert werden. Besonders mühsam ist dies etwa beim Versuch, Fotos oder Videos aufzunehmen, wenn dann wieder einmal der Auslöser einfach ignoriert und der passende Moment verpasst wird. Dieses Problem ist natürlich nicht ganz neu, sondern auch schon von anderen Geräten mit solch gebogenen Displays bekannt. In der Intensität ist dieses Fehlverhalten dem Tester aber schon lange nicht mehr untergekommen. Zumindest bietet das den passenden Anlass, einmal mehr einen Appell an Smartphone-Hersteller zu richten, diese sinnlosen Spielereien endlich zu lassen und Funktionalität über reine Äußerlichkeiten zu stellen.

Performance

Für die standesgemäße Rechenleistung sorgt ein Snapdragon 888, also Qualcomms aktueller Top-Chip, dem 12 GB RAM zur Seite stehen. Dieser liefert in Benchmarks ziemlich exakt die zu erwartenden Werte, was vor allem heißt: Zumindest in der Android-Welt gibt es derzeit nichts Flotteres. Ebenso bekannt ist dessen starke Hitzeentwicklung bei starker Grafikbelastung, in diesem Fall führt dies sogar dazu, dass der Wildlife Extreme Stresstest gar nicht zu Ende geführt wird, da die Software von Xiaomi vorher einen Abbruch erzwingt. Das Gerät wird dabei auch recht warm. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass das alles wenig realistische Szenarien sind. Im Alltag erweist sich das Mi 11 Ultra jedenfalls als äußerst flink – das gilt allerdings heutzutage auch für viele Smartphones mit deutlich schwächerem Chip. Nur bei anspruchsvollen 3D-Aufgaben merkt man noch wirklich einen signifikanten Unterschied. Wem das gebotene Leistungsniveau trotzdem noch nicht reicht, der könnte ebenfalls wieder die Auflösung reduzieren. Muss der Grafikchip weniger Pixel herumschieben, geht das natürlich flotter.

Das Kameramodul ist in jeder Hinsicht beeindruckend.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Eine Smartphone-Kamera wie keine andere

Kommen wir zu dem Bereich, in dem sich aktuelle Smartphones noch am stärksten unterscheiden: der Kamera. Oder in diesem Fall ihrer drei. Neben dem Hauptsensor gibt es also noch eine Ultraweitwinkel- und eine Telekamera. Und schon der Blick auf die Spezifikationsliste zeigt: Hier hat sich Xiaomi ganz schön ausgetobt.

Für die primäre Kamera kommt ein 50-Megapixel-Sensor (f/2.0, Dual Pixel PDAF, Laser AF, OIS) zum Einsatz, der von Haus aus 2x2-Binning betreibt, also jeweils vier Pixel am Sensor zu einem in der fertigen Aufnahme kombiniert. Die daraus resultierenden Bilder sind also erst recht wieder rund 12 Megapixel groß. Vor allem aber ist der verwendete Sensor für ein Smartphone wirklich riesig. Mit 1/1,12 Zoll übertrifft man sogar noch das S21 Ultra (1/1,33 Zoll). Dazu passt dann auch, dass die Pixelgröße schon so mit 1,4 µm sehr hoch ausfällt – zumindest für einen Sensor mit so hoher Megapixelanzahl – und dank Binning dann auf virtuelle 2,8 µm kommt. Ein hervorragender Wert, der vor allem bei Aufnahmen am Abend – also wenn wenig Licht vorhanden ist – hilft.

Was noch erfreulicher ist: Diese Stärken sind nicht bloß theoretischer Natur. Die Aufnahmen des Mi 11 Ultra wissen fast durchgehend zu gefallen. Bei gutem Licht liefert die Kamera sehr scharfe und auch klare Aufnahmen, die generell recht ausgewogen wirken. Kleine Abzüge gibt es dafür, dass die Aufnahmen immer wieder einmal zu hell werden, und die Kamera generell ein Problem mit Überstrahlen durch starke Lichtquellen hat. Bei sehr feinen Strukturen zeigt sich zudem eine leichte Tendenz zu einer Art Leuchteffekt. Die Detailerhaltung ist dafür wirklich hervorragend. Wer in dieser Hinsicht noch mehr will, der kann Aufnahmen auf Wunsch auch mit den vollen 50 Megapixeln tätigen, wie gesagt ist das aber nur bei sehr guten Lichtverhältnissen sinnvoll. Wie bei vergleichbaren Kameras mit solch großen Megapixel-Werten ist der Unterschied aber enden wollend – während die Verarbeitung langsamer wird. Zumindest fällt das Rauschen in diesem Modus weniger stark aus als bei anderen vergleichbaren Smartphone-Kameras.

An dieser Stelle ein wichtiger Zwischenruf: Wer sich die Aufnahmen im Detail ansehen will, für den gibt es auch diesem Mal wieder ein Google Photos Album. Dort finden sich auch noch weitere Aufnahmen und zusätzliche Vergleichsszenarien.

Das Mi 11 Ultra liefert generell sehr gelungene Aufnahmen.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Die Bilder wirken sauber aber gleichzeitig auch detailreich – eine Kombination die bei Smartphones eher selten ist.
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Eine Aufnahme, die zwar nicht sehr hübsch ist, dafür aber gut die Unterschiede zwischen Mi 11 Ultra und S21 Ultra zeigt. Die Xiaomi-Kamera (im Bild) liefert mehr Details, das Bild ist aber teilweise zu hell und auch überstrahlt.
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Das S21 Ultra hat zwar einige dieser Probleme nicht, neigt aber zu einem sehr dramatischen Look – und ist weniger detailreich.
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Kaum weniger groß fällt das Lob für Abendaufnahmen aus, dies auch dank eines automatisch aktivieren Nachtmodus. Einschränkend sei erwähnt, dass die Kamera nicht unbedingt die schnellste ist, das heißt, bei wenig kooperationsbereiten Motiven – etwa Kindern oder Katzen – braucht es schon mal etwas Geduld, um ein brauchbares Bild zu erzielen. Das ist freilich bei vielen Smartphone-Kameras der Fall.

Beeindruckende Bilder mit einem nicht ganz so kleinen Problem

Nun wäre es sehr schön, wenn diese Lobpreisung einfach uneingeschränkt so stehen bleiben könnte. Das kann sie aber leider nicht. Jenseits der bereits erwähnten Touchscreen-Nervigkeiten leidet die Kamera-App von Xiaomi noch unter einem anderen Problem. Sie ist langsam. Also wirklich langsam. Zwischen dem Drücken auf den Auslöser und der Aufnahme des Bilds gibt es eine merkliche Verzögerung, deren Länge von den Lichtverhältnissen abhängt. Das ist nicht nur äußerst irritierend, es führt auch dazu, dass das Bild nie ganz das ist, was man eigentlich aufnehmen wollte – und wenn man sich nicht daran gewöhnt, auch schnell mal verschwommen wird. Generell scheint es mit der Softwarequalität nicht sonderlich weit her zu sein. So war im Testverlauf immer wieder zu bemerken, dass die Voransicht im Viewfinder massiv ruckelte. All das macht die Nutzung der Kamera schlicht zu einem frustrierenden Erlebnis – und eine zuverlässige Kamera zu haben ist im Alltag meist wichtiger als kleinere Qualitätsunterschiede. Immerhin hat man von der tollen Bildqualität nichts, wenn man die Aufnahmen verpasst. Dies sollte sich Xiaomi bei seiner Prioritätensetzung in Hinblick auf die Kamera in Erinnerung rufen.

Auch Abendaufnahmen gelingen sehr gut, auch wenn in dem Fall überambitioniertes Processing die Wolken am Himmel ziemlich verwischt hat. Der große Sensor sorgt aber sonst dafür, dass viele Details erhalten sind.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Zum Vergleich die selbe Szene mit Samsungs Galaxy S21 Ultra. Anmerkung: Dieses Bild wurde durch manuelle Aktivierung des Nachtmodus erzielt. Mit den Default-Einstellungen entsteht hier hingegen ein komplett unbrauchbares Foto.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Und schlussendlich auch noch mit Googles Pixel 5, das zwar bei den Details aufgrund des kleineren Sensors nicht mehr mithalten kann, aber sonst eine sehr gelungene Aufnahme liefert.
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Hervorragende Kameras allerorten

Aber lieber wieder zu positiveren Dingen: Denn auch die Telekamera des M11 Ultra kann hervorragende Bilder liefern. Dafür verwendet Xiaomi einen 48-Megapixel-Sensor mit f/4.1, PDAF, OIS und einer Pixelgröße von 0,8 µm bei einer noch immer ziemlich beeindruckenden Sensorgröße von 1/2,0 Zoll. Auch hier kommt wieder 2x2-Binning zum Einsatz. Vor allem aber verspricht die im Periskopaufbau angeordnete Kamera eine Vergrößerung um den Faktor fünf sowie eine Brennweite, die 120 mm entspricht. Die resultierenden Bilder sind wie gesagt wirklich sehr gut und können sogar mit dem Niveau von Samsungs S21 Ultra mithalten. Letzteres hat dank des 10x-Teles bei höheren Vergrößerungsfaktoren einen leichten Vorteil, dafür verblüfft die Xiaomi-Kamera damit, dass der Tele auch am Abend noch gut funktioniert. Wenn man etwas kritisieren will, dann vor allem, dass die Farbgebung einmal mehr nicht konsistent mit der Hauptkamera ist. Und der beworbene 120x-Zoom ist natürlich genau so ein sinnloses Gimmick wie die ähnlichen Versprechen der Konkurrenz. Zumal hier noch dazukommt, dass es keinerlei brauchbare Stabilisierungshilfen in diesem Modus gibt, was es praktisch unmöglich macht, einen anvisierten Ausschnitt auch zu treffen – zumindest mit freier Hand.

Am Abend liefert das Mi 11 Ultra bei 10-facher Vergrößerung wirklich hervorragende Bilder.
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Hier muss sich das S21 Ultra dann deutlich geschlagen geben.
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Dann wäre da noch die Ultraweitwinkelkamera: Auch hier wird wieder ein 48-Megapixel-Sensor (f/2.2, 1/2,0 Zoll, 0,8µm, PDAF, 12mm Äquivalent) verwendet. Vor allem aber fällt der extrem große Betrachtungswinkel von 128 Grad auf. Damit übertrifft man die ohnehin schon sehr großzügigen 120 Grad von Samsung. In diesem Fall stellt sich aber auch die Frage, ob das überhaupt noch sinnvoll ist, führt dies doch auch dazu, dass die Verzerrungen deutlich stärker ausfallen. Was die generelle Bildqualität anbelangt, liefert aber auch diese Kamera wieder durchaus ansprechende Aufnahmen, die aber auch extrem weich wirken. In Summe liefert hier das S21 Ultra dann doch die deutlich besseren Bilder.

Extrem großer Betrachtungswinkel aber auch wenig scharfe Bilder bei der Ultraweitwinkelkamera.
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Sehr positiv fällt dann wieder das Verdikt für die Videofähigkeiten aus: In Auflösungen bis zu 8K24 kann das Mi 11 Ultra Videos festhalten. Während dieser Modus einmal mehr weitgehend sinnbefreit ist, gefallen die Resultate des 4K60-Modus wirklich sehr gut. Die Stabilisierung funktioniert tadellos, vor allem aber bieten die Aufnahmen gute Farben und viele Details.

Selfies: Meh

Bliebe noch die Frontkamera, die angesichts all des bis jetzt erhobenen Lobes aber eine Enttäuschung darstellt. Die Aufnahmen mit dem 20-Megapixel-Sensor (f/2.2, 27 mm, 1/3,4", 0,8 µm) wirken leblos, die Qualität ist generell eher durchschnittlich. Da drängt sich schon fast der Verdacht auf, dass dies Absicht sein könnte – bietet das Mi 11 Ultra doch noch eine zweite Option für Selfies: die Nutzung der Hauptkamera.

Möglich wird dies durch einen Minibildschirm, der sich neben der Kamera auf der Rückseite befindet und so dabei hilft, den richtigen Ausschnitt zu wählen. Klingt nach einer verlockenden Möglichkeit, und tatsächlich sind die damit erzielbaren Aufnahmen deutlich besser. Und doch ist das in der Praxis kaum mehr als ein nettes Gimmick. Immerhin ist dieses 1,1 Zoll große Display einfach nicht groß genug, um damit einen vernünftigen Ausschnitt wählen zu können. Dazu kommt, dass es beim Umdrehen des Geräts – nach manueller Aktivierung des betreffenden Modus in der Kamera-App – schnell einmal passiert, dass durch unabsichtliche Berührungen etwas verstellt wird, ohne dass man es merkt. Wirklich unverständlich erscheint zudem, warum all das dann nicht mit dem eigenen Porträtmodus der Kamera funktioniert.

Nun nimmt man natürlich nicht dauernd Selfies auf, also bietet dieser sekundäre Bildschirm noch andere Möglichkeiten. Von Haus aus sind an dieser Stelle Zeit, Datum und Akkustand zu sehen. Wer will, kann aber auch Benachrichtigungs-Icons anzeigen lassen – oder alternativ gleich Minigrafiken oder Sinnsprüche nach eigener Façon darstellen. Auch das alles nette Spielereien, die Existenz dieses zweiten Displays kann aber nichts davon wirklich rechtfertigen.

Akkulaufzeit

Der Akku des Mi 11 Ultra fällt mit 5.000 mAh adäquat für ein Smartphone dieser Größe aus. Die daraus resultierende Laufzeit bewegt sich denn auch ziemlich genau in dem Bereich, der angesichts der Kombination aus SoC (System on a Chip – in dem Fall also der Snapdragon 888) und Akkugröße zu erwarten ist. Beim Tester waren das im Schnitt so um die sechs Stunden Bildschirmzeit bei voller Auflösung und aktiviertem 120-Hz-Modus. Wie immer sei betont, dass all dies stark von der individuellen Nutzung abhängig ist. Wem das Gebotene noch nicht reicht, für den hat Xiaomi einige Tipps parat, wie man die Laufzeit durch den Verzicht auf gewisse Funktionalitäten verlängern kann. Apropos: Im Test von "Don't kill my app" kann das Mi 11 Ultra nicht überzeugen. Ein Wert von 70 Prozent ist der Beleg dafür, dass auch Xiaomi zweifelhafte Stromsparmaßnahmen verwendet, die zu Problemen mit Apps – etwa verspäteten oder ganz ausbleibenden Benachrichtigungen – führen können.

Aufladen geht mit dem mitgelieferten Charger in Windeseile.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Uneingeschränkt erfreulich ist hingegen die Ladegeschwindigkeit: Mit dem mitgelieferten 67-Watt-Ladegerät war das Mi 11 Ultra im Test in gerade einmal 36 Minuten komplett aufgeladen. Optional gäbe es dann auch noch die Möglichkeit des drahtlosen Ladens, die ebenfalls genau auf diese Leistung und Geschwindigkeit kommt.

Storage

Der lokale Speicherplatz liegt bei 256 GB und ist dank der Verwendung von UFS 3.1 auch sehr flott. Also außer man will Daten nach außen transferieren – verwendet doch Xiaomi zwar einen USB-C-Anschluss, dahinter steckt aber nur eine veraltete USB-2-Schnittstelle. Das bedeutet, dass gerade das Übertragen von Fotos und Videos auf den PC deutlich länger als bei anderen aktuellen Smartphones benötigt. Eine bei diesem Preis wirklich unverständliche Entscheidung.

Zur biometrischen Autorisierung kann der eigene Fingerabdruck verwendet werden. Dafür gibt es einen optischen Sensor, der im Bildschirm verbaut ist. Die Position ist dabei durchaus gut gewählt, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit hat man bei anderen Herstellern aber schon besser gesehen. Am Rande sei erwähnt, dass es auch die Möglichkeit der Gesichtserkennung gibt. Davon sollte man aber die Finger lassen. Solche Lösungen, die nur auf einer Kamera ohne weitere Zusatzhardware basieren, sind hochgradig unsicher.

Harman Kardon ist das Hasselblad von Xiaomi

Ohne Branding-Deal geht es offenbar nicht. Also wirbt Xiaomi für den Sound des Mi 11 Ultra mit dem Namen Harman Kardon. Natürlich bedeutet das nicht, dass der Partner dabei irgendetwas zur Hardware beigetragen hat, aber er soll zumindest bei der Optimierung der Tonausgabe geholfen haben. Nun kann man von solchen Deals so wenig halten, wie man nur will, die Realität ist, dass der Stereoklang halbwegs okay und auch relativ laut ist. Also so man solche Begriffe für die Minilautsprecher eines Smartphones überhaupt verwenden kann.

Ein Pluspunkt: Das Mi 11 Ultra ist nach IP68 vor Wasser und Staub geschützt. Ebenso gefällt die Ausstattung in Hinblick auf die Datenübertragung. So wird bereits das noch recht junge Wifi 6E unterstützt, und natürlich darf auch 5G-Unterstützung nicht fehlen. Dazu kommt dann noch Bluetooth 5.2. Ach ja, und der Vollständigkeit halber: An der Telefoniequalität gab es im Verlaufe des Tests nichts auszusetzen.

MIUI

Als Software kommt MIUI 12 (Global) auf Basis von Android 11 zum Einsatz. An MIUI scheiden sich seit langem die Geister, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich das Unternehmen sehr gerne von Apple "inspirieren" lässt. Das sieht man sofort am Default-Homescreen, was bedeutet, dass sämtliche Apps iOS-artig einfach am Hintergrund abgelegt werden. Alternativ dazu kann aber auch ein klassisches Android-Layout mit separatem App-Launcher gewählt werden. Auch an anderer Stelle merkt man die Klonaktivitäten. So kann statt des Android-Benachrichtigungsbereichs ein Design im Stile von Apples Kontrollzentrum gewählt werden.

Während der MIUI-Stil mit seinen zum Teil exzessiven – und etwas langen – Animationen in den Bereich des persönlichen Geschmacks fällt, gibt es auch ganz objektiv jede Menge Ärgerliches zu berichten. Die Softwarequalität lässt nämlich zu wünschen übrig – und zwar stark. Das zeigt sich an zahlreichen Bugs von plötzlich abstürzenden Apps über eine Tastatur, die schon beim Set-up einfach unmotiviert ausgeblendet wird, bis zu inkonsistenter – und zum Teil schlicht fehlerhafter – grafischer Darstellung. So waren bei einigen Dialogen Textpassagen zu bemerken, die ohne Abstand zum Bildschirmrand positioniert wurden. Nun ist dies im Vergleich zu Abstürzen ein vergleichsweise geringes Problem. Beides wirft aber die Frage auf, wie die Software durch auch nur die einfachsten Qualitätstests gekommen ist. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Fehler gibt es bei jedem Hersteller, aber das, was MIUI hier zum Teil bietet, ist schon noch einmal ein anderes Niveau – leider im negativen Sinne.

Viele Apps

Bei der Softwareauswahl dominiert – zumindest in der globalen Version – Google. Und das nicht einfach wegen der Android-Vorschriften, Xiaomi installiert auch darüber hinaus eine beeindruckende Zahl von Google-Apps. Die gute Nachricht: Vieles davon lässt sich restlos löschen. Dies gilt dankenswerterweise auch für unmotiviert dazuinstallierte Apps anderer Hersteller wie Amazon Shopping oder Booking.com. Auch hier gilt einmal mehr: Es wäre schön, wenn die Gerätehersteller zumindest bei Geräten dieser Preisklasse mit solchen Werbepartnerschaften aufhören könnten. Immerhin verdienen sie schon über den Hardwareverkauf einiges.

Xiaomi liefert wirklich viele Apps mit, die über allerlei Bildschirme und Unterverzeichnisse verstreut sind.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD
Noch ein paar Screenshots, von links nach rechts: Die Detaileinstellungen zum rückseitigen Display. Ein iOS nachgebildetes Kontrollzentrum als Ersatz für den Android-Benachrichtigungsbereich. Der Task Switcher. Eine eher zweifelhafte Beigabe in Form eines Sicherheitsscanners, der selbst wie ein Sicherheitsproblem klingt,
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die starke Nutzung von Google-Diensten mag nicht zuletzt daran liegen, dass es in der Vergangenheit immer wieder Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Xiaomi-eigenen Software gegeben hat. So beklagten Datenschützer etwa im Vorjahr, dass der Mi-Browser ungefragt – und auch im Inkognito-Modus – Nutzungsdaten abgreift. Xiaomi zeigte sich damals überrascht und betonte, dass man sich missverstanden fühle, da hier nur anonyme Statistiken erfasst würden. Wie dem auch immer sei, klar ist nur, dass der Mi-Browser weiter fix vorinstalliert ist. Was in diesem Fall umso verblüffender ist, da ohnehin Chrome als Default-Wahl aktiviert ist.

Bloatware de luxe

Auch sonst gibt es ein paar zweifelhafte Beigaben wie "Cleaner"- und Antiviren-Tools. Letztere führen sogar vor jeder App-Installation aus dem Play Store noch einmal einen Extra-Check durch. Dass Sicherheitsexperten immer wieder betonten, dass Antiviren-Tools unter Android weitgehend sinnlos – beziehungsweise aufgrund ihres umfassenden Datenzugriffs sogar gefährlich – sind, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Ebenso seltsam mutet an, dass einzelne Xiaomi-Apps über einen eigenen Update-Server des Unternehmens auf dem Laufenden gehalten werden anstatt über den Play Store. Zumal man sonst auf die Auslieferung eines eigenen App Stores verzichtet.

Was bei Xiaomi leider ebenfalls fehlt, ist eine offizielle Update-Policy. Das Unternehmen betont lediglich, dass man sich an alle Google-Vorschriften hält. Das ist aber ein ziemliches Nullversprechen, gibt es in dieser Hinsicht vom Android-Hersteller her nur sehr minimale Vorgaben. In der Praxis liefern Xiaomi-Geräte jedenfalls meist zwei große Android-Versionssprünge, wie lange und wie zuverlässig es Sicherheitsaktualisierungen gibt, variiert hingegen. Generell wäre es für Xiaomi dringend an der Zeit, in dieser Hinsicht endlich fixe Regeln zu kommunizieren, an die man sich dann auch hält. Gerade wenn man sich in diesen Preisregionen bewegen will, sind rasche und zuverlässig Updates ein Muss.

Verfügbarkeit

Das Mi 11 Ultra soll laut Xiaomi noch in der zweiten Maihälfte in Österreich erhältlich sein. Neben einer schwarzen gibt es auch eine weiße Ausführung des Geräts. Der Preis liegt wie erwähnt bei 1.499 Euro. Wie es zu dieser doch deutlichen Diskrepanz zu Deutschland – wo von einem Preis von 1.199 Euro die Rede ist – konnte Xiaomi auf Rückfrage nicht erläutern. Stattdessen gab es den Hinweis, dass das Smartphone in Österreich lediglich über Mobilfunker verkauft werden soll. Um zu wissen, wo der Preis schlussendlich wirklich liegt, gilt es also wohl noch etwas abzuwarten, nur eines ist sicher: Sehr hoch.

Die Küchenwaage zeigt noch ein bisschen mehr an als die offizielle Spezifikationsliste. Eines ist aber sicher: Ein Leichtgewicht ist das Mi 11 Ultra nicht.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Fazit

Mit dem Mi 11 Ultra beweist Xiaomi, dass man es versteht, gute High-End-Hardware zusammenzustellen. Die Kamera ist beeindruckend, an der Performance gibt es wenig auszusetzen, und der Bildschirm weiß ebenfalls zu gefallen. Auch bei Details wie WLAN-Support oder IP68 werden alle nötigen Punkte abgehakt. Das Problem dabei: Ein Smartphone besteht nun einmal nicht nur aus Hardware allein. Und so konterkariert Xiaomi die Vorzüge des Geräts mit einer Fülle von in ihrer Intensität geradezu verblüffenden Defiziten. Von Touch-Schwierigkeiten über die Verzögerungen bei der Kamera bis zu zahlreichen Software-Bugs: All das wären schon bei günstigeren Geräten gute Argumente gegen einen Kauf, in dieser Preisklasse sind es aber echte Ausschlussgründe.

Wenn Xiaomi eine ernsthafte Konkurrenz zu Samsung im Premium-Segment werden will, muss es das Unternehmen aber schaffen, ein rundes Gesamtpaket zu schnüren. Das ist das Mi 11 Ultra leider nicht – und das ist in dem Fall durchaus betrüblich. (Andreas Proschofsky, 16.5.2021)