Jesse Marsch: "Ich gebe immer mein Herz".

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Die Bierdusche durfte nicht fehlen. Marsch erlitt sie zum zweiten und wohl letzten Mal anlässlich der Meisterschaft mit Red Bull Salzburg.

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Wals-Siezenheim – Jesse Marsch kann wunderbar gerührt sein. Der 47-jährige US-Amerikaner ist recht nahe am Wasser gebaut, wobei er am späten Mittwochabend wie ein offenes Fass Bier roch. Ein wesentlicher Bestandteil von Meisterfeiern sind, nicht nur in Salzburg, Bierduschen. Natürlich könnte sich Red Bull kistenweise Champagner leisten, aber Fußball soll im Gegensatz zur Formel 1 erdig sein. Das 2:0 gegen Rapid war das erwartete Meisterstück, es bedurfte nicht einmal der zehntbesten Saisonleistung, um die ohnedies nicht vorhandene Hoffnung der Konkurrenz zu ersticken.

Vor der Pause ist Rapid ebenbürtig gewesen, aber dann fabrizierte Salzburg ein 20-minütiges Powerplay, Patson Daka legte das zweite Tor nach, er hält bei 26 Saisontreffern, ist somit Schützenkönig. Da kündigt sich der nächste Millionentransfer an. Kein Problem, sogar Erling Haaland konnte praktisch nahtlos ersetzt werden. Daka selbst weiß noch nicht, "wie es weitergeht. Ich bin unglaublich dankbar und froh, hier zu sein."

Trainer Marsch, das ist fix, wechselt zur großen Schwester nach Leipzig. Er hat in seiner kurzen Amtszeit das Maximum an nationalen Titeln geholt, zweimal das Double, also vier. Das hat zuvor nur Óscar García geschafft (2016, 2017). Weitere Zahlen zur schamlosen Überlegenheit: Seit 2014 wurden von 16 möglichen Trophäen 15 gewonnen, nur das Cupfinale 2018 wurden gegen Sturm Graz 0:1 verloren – ein Betriebsunfall. Es war die zwölfte Meisterschaft seit dem Einstieg von Dietrich Mateschitz im Jahr 2005, die achte in Serie. Und die wird wohl ausgebaut, denn Verteidiger Maximilian Wöber hat im Siegesrausch nüchtern gesagt: "Ich sehe keine Konkurrenz." Das kam überhaupt nicht arrogant, sondern realistisch rüber.

Sehr verdient

Liga-Vorstand Christian Ebenbauer gratulierte, die Adresse kennt er: "Herzlichen Glückwunsch an den FC Red Bull Salzburg. Wie verdient der Titel ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass die Salzburger nur nach dem ersten und nach dem zehnten Spieltag nicht an der Tabellenspitze gestanden sind." Rapid und der LASK haben einen Start-Ziel-Sieg vermasselt.

Ob dem österreichischen Fußball diese Fadesse guttut, sei dahingestellt. Immerhin konnten Klubs wie LASK oder der Wolfsberger AC im Sog der Salzburger in der Europa Legaue aufzeigen. Rapids Trainer Didi Kühbauer hat sich nach der neuerlichen Niederlage nicht gegeißelt: "Durch die Möglichkeiten, die Red Bull hat, sind sie weit weg von den anderen Mannschaften. Wir versuchen natürlich, diese Schere zu schließen, aber trotzdem ist es so, dass sie in einer anderen Liga spielen." Er hätte nichts gegen "einen Millionen-Regen", um ein völlig ernst zu nehmender Herausforderer zu werden. Allerdings regnet es in Hütteldorf und anderswo nur Wasser. Auf kurze und auf lange Sicht.

Der 35-jährige Andreas Ulmer ist nun bereits zum elften Mal Meister, das ist nationaler Rekord. Der Kapitän widerspricht jenen, die über Langeweile jammern. "Es wird nie langweilig. Es ist immer viel Arbeit dahinter über das ganze Jahr gesehen. Ich möchte unbedingt mit den Jungen mithalten können und investiere da auch viel." Als Erfolgsfaktoren sieht er neben der Transferpolitik und der Spielidee auch die "Einstellung und Mentalität".

Letzte Dusche?

Jesse Marsch war also gerührt. Es kann sein, dass es seine letzte Bierdusche war. In Deutschland ist Bayern München mindestens so dominant wir Salzburg in Österreich. Die Bayern fixierten den neunten Titel in Folge. Marsch hat die Latte seinem Nachfolger Matthias Jaissle hochgelegt, er wird sie kaum reißen. Marsch wischte sich Bier und Tränen weg, sagte: "Mentalität im Leben und Fußball ist alles. Wir haben eine Gruppe, die so viel füreinander und für den Verein will. Gute Spieler machen gute Trainer. Diese Truppe hat in zwei Jahren viel gezeigt. Ich gebe immer mein Herz. Auf Wiedersehen zu sagen fällt unglaublich schwer, denn die Zeit war so schön."

Am 22. Mai wird die Meisterschale im Heimspiel gegen die WSG Tirol überreicht. 3000 Fans dürfen dabei sein. Marsch wird danach gerührt sein. "Denn alle Menschen brauchen soziale Bindung." (Christian Hackl, 13.5.2021)