Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich, spricht sich im Gastkommentar für die Freigabe von Covid-Impfstoff-Patenten aus.

In Indien wird Covishield verimpft.
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Die Freigabe von Covid-Impfstoff-Patenten würde ärmeren Ländern nicht helfen, schrieb Eric Frey am 30. April in seinem Kommentar im STANDARD. Das Gegenteil ist der Fall. Auch wenn Initiativen wie Covax ein nützliches Notfallinstrument darstellen, können sie bestenfalls einen Bruchteil der für die Eindämmung des Virus erforderlichen Impfdosen liefern. Noch wichtiger ist daher, das Tempo und den Umfang der Impfstoffproduktion dramatisch zu erhöhen – und das ist nur möglich, wenn Patente temporär ausgesetzt werden.

Bereits im Oktober 2020 haben Südafrika und Indien einen Antrag zur bahnbrechenden TRIPS-Ausnahmeregelung zur Aufhebung der Patente für Covid-19-Impfstoffe und -Medikamente für die Dauer der Pandemie eingereicht. Mehr als 100 Länder unterstützen ihn – seit 5. Mai auch die USA. Nicht ganz überraschend sind es bislang vor allem reichere Länder, die blockieren. Oft mit dem Argument, dass es vielen Staaten an Infrastruktur und Technologie für die Impfstoffherstellung fehlen würde. Dabei stimmt das nicht. Weltweit gäbe es gut vier Dutzend Produzenten, die innerhalb weniger Monate umstellen könnten.

Kühlketten sind umsetzbar

Die Produktionstechnologie sollte für alle Impfstoffarten geteilt werden, besonders aber für neuartige mRNA-Impfstoffe wie jenen von Biontech/Pfizer. Denn gerade diese Impfstoffe sind wesentlich einfacher und schneller zu produzieren als herkömmliche – wie das Unternehmen Biontech sogar auf seiner Webseite schreibt. Sie können zudem relativ kostengünstig hergestellt werden. Und auch wenn gern behauptet wird, dass die Kühlketten in "armen Ländern" nicht umsetzbar wären: Aufgrund unserer Erfahrung in der Umsetzung von Impfkampagnen für oft hunderttausend Menschen in entlegensten Regionen wissen wir: Es geht. Die Demokratische Republik Kongo etwa hat Ebola-Impfstoffe bei einer Lagerung von minus 70 Grad verwendet, lange bevor es Corona gab. In anderen Regionen müsste man Strukturen aufbauen – aber das war auch in Europa so.

Während es nachvollziehbar ist, dass jede Regierung die eigene Bevölkerung durchimpfen möchte, ist diese Kurzsichtigkeit in einer Pandemie schlicht nicht nachhaltig. Zudem wurde die Entwicklung von Corona-Vakzinen mit Milliarden an Steuergeldern gefördert. Der Impfstoff von Astra Zeneca etwa wurde laut einer Studie zu 97 Prozent öffentlich finanziert. Das Argument, künftige Forschung würde durch ein Teilen der Patente negativ beeinflusst, stimmt so nicht. Im Gegenteil, oft sind es große Summen an öffentlichen Geldern, die die Entwicklung überhaupt erst ermöglichen.

Auch Eigennutz

Es ist also eine Frage des Wollens, die Rechte auf geistiges Eigentum für die Dauer der Pandemie auszusetzen. Dabei hilft die Freigabe von Patentrechten an Covid-19-Impfstoffen nicht nur "armen Ländern", sondern der ganzen Welt. Stichwort: Mutationen verhindern. Wenn "reiche Länder" also schon nicht aus Solidarität alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Pandemie zu beenden, sollten sie es zumindest aus Eigennutz tun. Auch die österreichische Bundesregierung muss zum Ende der Pandemie beitragen und sich für eine Aufhebung der Patente einsetzen. Es braucht dringend globale Lösungen. Denn eine Pandemie ist nur dann beendet, wenn sie überall beendet ist. (Laura Leyser, 14.5.2021)