SPÖ-Frontfrau Rendi-Wagner kämpft für eine staatliche Beteiligung beim Lkw-Hersteller MAN. Über einen Beteiligungsfonds sollen darüber hinaus Jobs geschaffen werden.

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Genossen wie der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl wollen mehr Lautstärke in der Arbeitsmarktpolitik – und zwar von ihrer Bundespartei. Es sei nicht so, dass Schnabl den Weg der Roten rund um SPÖ-Frontfrau Pamela Rendi-Wagner negiere, sagt er. Ganz im Gegenteil. Aber die Forderungen müssten an Permanenz gewinnen. "Ich würde das Thema halt jeden Tag spielen", wirft Schnabl ein. Denn es sei das Thema Nummer eins.

Tatsächlich sollten die Verwerfungen dieser Pandemie den Sozialdemokraten geradezu in die Hände spielen. Ihr Ansinnen einer besseren sozialen Absicherung hat wohl so sehr Konjunktur wie schon lange nicht mehr. Mit jeder Impfung und jedem Öffnungsschritt drängt sich zudem nicht nur immer öfter die Frage auf, wer am Ende des Tages die Kosten dieser Krise tragen müssen wird – sondern auch, wie man möglichst rasch die bedrückend hohe Arbeitslosigkeit von nach wie vor mehr als 400.000 Menschen wieder herunterbringt.

Die Sorgenkinder

Man kann der SPÖ wahrlich nicht vorwerfen, einen großen Bogen um ihr ureigenstes Thema zu machen. Sie macht es bisher nur ohne allzu viel Krawall. Der Gewerkschafter und Nationalrat Josef Muchitsch sowie seine Parteifreunde trommeln etwa seit Wochen für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes.

Die SPÖ liefert aber auch Ansätze, um Menschen in Beschäftigung zu bringen. Dabei hat sie wie die Regierung und die restliche Opposition vor allem eine Gruppe im Blick: die Langzeitarbeitslosen. Ihre Zahl stieg in der Krise besorgniserregend an. Derzeit sind rund 150.000 Menschen länger als zwölf Monate ohne Job. Der größte Teil war das schon vor der Pandemie. Das ist auch die Gruppe, um die sich AMS-Chef Johannes Kopf am meisten Sorgen macht, weil sie mit Fortdauer immer schwerer vermittelbar wird. Nur etwa ein Fünftel davon werde er relativ schnell als Kunden verlieren, lautet Kopfs These. Das seien Personen, die vor allem aus dem Tourismus und Eventbereich kämen und wohl dorthin zurückkehren werden.

Was das Gros der Langzeitarbeitslosen angeht, unterscheiden sich die Konzepte von Regierung und Opposition mal mehr, mal weniger. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) kündigte kürzlich das Programm "Sprungbrett" an. Indem man Betrieben für ein Jahr durchschnittlich die Hälfte der Lohnnebenkosten ersetzt, erhofft man sich, bis Ende 2022 insgesamt 50.000 Langzeitarbeitlose in einen Job zu bringen. Im Wesentlichen passiert das im Rahmen der Eingliederungsbeihilfe des AMS.

Warum das Rad neu erfinden, dachte man sich auch bei den Neos. Der Vorteil dieser Lösung sei, dass sie bereits laufe, sagt deren Sozialsprecher Gerald Loacker. Und Unternehmer, die nun zögerlich seien, ob sie jemanden einstellen, machten das eher, wenn die Kosten gedrückt würden. Die Liberalen wären aber weiter gegangen. Sie hätten die Förderungen so umgebaut, dass stärker kriselnde Branchen erreicht würden.

Gedränge am Sprungbrett

Für Schnabl sind die Regierungspläne nichts anderes als eine verdeckte Unternehmensförderung. "Das schafft keine zusätzlichen Arbeitsplätze", ätzt er. Das sei auch der wesentliche Unterschied zur roten Jobgarantie, die einst Kanzler Christian Kern in schmalerer Ausführung kreieren ließ und zu türkis-blauen Zeiten flott abgedreht wurde. Die SPÖ will 40.000 Langzeitarbeitlose in gemeinnützige und öffentliche Jobs bringen. Die müssten tatsächlich erst gefunden werden.

Doch das sei nicht der einzige Unterschied zum Programm der Regierung. Der Chefökonom des Momentum-Instituts, Oliver Picek, monierte auf Twitter, dass das "Sprungbrett" auch zu Verdrängung führe. "Der Lohnzuschuss verhilft einer Person zu einem Job, den sonst eine andere Person gemacht hätte", schreibt Picek. Daher sei es sinnvoller, wirklich zusätzliche Jobs zu schaffen, damit alle davon profitieren.

In der Arbeitsmarktpolitik gehe es darum, Menschen am richtigen Arbeitsmarkt unterzubringen, und da gelte das Prinzip, nach dem Grad der Betroffenheit zu verteilen, wendet AMS-Chef Kopf ein. Die Krise nehme durch den Impffortschritt gerade eine entscheidende Wende. Daher sei es sinnvoll, nun vor allem jenen zu helfen, die von Ausgrenzung bedroht sind, solange es kaum verfügbare Jobs gibt – und nicht den jungen, gut ausgebildeten Männern. Die Situation am Arbeitsmarkt ist angespannt: Derzeit kommen circa sechs Jobsuchende auf eine Stelle.

Mit staatlicher Beteiligung

Dagmar Belakowitsch möchte den Spieß daher grundsätzlich umdrehen. Die FPÖ-Nationalratsabgeordnete brachte mit Kameraden kürzlich einen Entschließungsantrag im Arbeits- und Sozialausschuss ein, in dem der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) eine Rolle im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zukommt.

Im Portfolio der Öbag sind unter anderem der Verbund, A1, die OMV, oder die Post vertreten. "Der Kanzler und seine Regierungsmannschaft pflegen zu diesen Unternehmen ja gute Kontakte", sagt Belakowitsch. Die gelte es nun zu nutzen. Beide Seiten würden davon profitieren. Denn die Unternehmen könnten gegebenenfalls nicht nur Arbeitslosen helfen, sondern sich auch darum bemühen, im eigenen Betrieb mehr Lehrstellen für Junge zu schaffen. Diese waren während der Lockdowns je nach Branche praktisch inexistent. "Das wäre ein großer Gewinn", sagt Belakowitsch.

Die Öbag möchte auch die SPÖ zur Verantwortung ziehen. Einerseits, um über eine staatliche Beteiligung die Arbeitsplätze des Lkw-Herstellers MAN in Steyr zu retten. Andererseits, um einen zehn Milliarden Euro schweren Öbag-Beteiligungsfonds einzurichten. Mit diesem Geld sollen nicht nur weitere Standorte abgesichert, sondern auch neue Jobs geschaffen werden.

Pflege, Bildung, Klima

Neben dem Ziel, Menschen in Beschäftigung zu bringen, gibt es auch noch jenes, Arbeitslosen zu Qualifizierung zu verhelfen, damit sie nach der Krise leichter vermittelbar werden. Auch hierfür finden sich im Nationalrat reichlich Ideen. Eine davon ist es, Arbeitslose aus Jobs mit schlechten Zukunftsaussichten so umzubilden, dass sie in Sparten unterkommen, in denen ein großer Bedarf herrscht. Das betrifft etwa die Pflege. Österreich fehlen aufgrund der alternden Gesellschaft in den nächsten zehn Jahren 80.000 Pflegekräfte. Aber auch eine bessere Kindergarten- und Ganztagsschulversorgung ist ein Thema.

Hinzu kommt, dass sich die Grünen im Bereich der Klimapolitik durch den Ausbau des Schienenverkehrs und der Energiewende zusätzliche Jobs erwarten. Es könnte daher sinnvoll sein, das im vergangenen Jahr umgesetzte AMS-Förderprogramm für Umschulungen in dieser Hinsicht gezielt zu erweitern, sagt der grüne Sozialsprecher Markus Koza. Dafür möchte der Juniorpartner erheben lassen, wie viele Fachkräfte es überhaupt für die Installierung von Photovoltaikanlagen oder den Heizkesseltausch braucht.

"Zu viele Unqualizierte"

Die größte Herausforderung sieht AMS-Chef Kopf aber woanders. "Nach wie vor produzieren wir in den Schulen zu viele Unqualifizierte", sagt er. Also jene, die nur Pflichtabschluss haben. Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe ist frappant. "Gerade Kinder aus bildungsfernen Familien, oftmals mit Migrationshintergrund, die nur Pflichtschule erreichen, sind dann ewig meine Kunden", erklärt Kopf. "Ich sage es ganz provokant: Nehmt mir 100 Millionen Euro weg und steckt es in die Frühförderung im Kindergarten – das ist okay für mich, da ist das Geld gescheiter ausgegeben." (Jan Michael Marchart, 16.5.2021)