Billiges Parken komme die Menschen in den Städten sehr teuer, sagt VCÖ-Experte Michael Schwendinger im Gastkommentar.

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Mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des Straßenraums sind Pkw-Abstellflächen. Viel, oder?
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Wien wird bis zum Jahr 2040 klimaneutral, die CO2-Emissionen des Verkehrs werden ebenso wie die Anzahl der nach Wien mit dem Auto Einpendelnden bis zum Jahr 2030 halbiert, bis zum Jahr 2025 werden 25.000 neue Bäume im Straßenraum gepflanzt, Asphaltflächen zugunsten von Grünraum und Wasserflächen aufgebrochen. All das und vieles mehr ist im Koalitionsabkommen der Wiener Stadtregierung vereinbart. Klingt nicht nur gut, sondern ist auch unverzichtbar, um die sich verschärfende Klimakrise in der Stadt bewältigen zu können.

Für die Umsetzung ist vor allem eines nötig: Platz – und dafür ist wiederum eine umfassende und wirksame Parkraumbewirtschaftung essenziell. Obwohl die Wiener Bevölkerung nur 27 Prozent ihrer Wege mit dem Auto fährt, stehen dem Kfz-Verkehr zwei Drittel der Fläche im Straßenraum zur Verfügung, mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des Straßenraums sind Pkw-Abstellflächen.

Beste Lage

Ein internationaler Vergleich zeigt, dass das Abstellen von Privat-Pkws im öffentlichen Raum in österreichischen Städten derzeit sehr billig ist. In Wien kostet das Parkpickerl für Anwohnerinnen und Anwohner je nach Bezirk inklusive Verwaltungsabgaben rund neun beziehungsweise zwölf Euro pro Monat, in vier Bezirken werden (noch) gar keine Gebühren eingehoben. In Zürich sind die Gebühren etwa doppelt, in Amsterdam mehr als viermal, in Stockholm knapp sechsmal so hoch. Ähnliches gilt für die Tarife der Kurzparkzonen im Stadtzentrum. Während in Wien eine Stunde mit 2,20 Euro weniger als ein Einzelticket der Wiener Linien kostet, fallen etwa in London 6,80 Euro und in Amsterdam 7,50 Euro je Stunde an.

Wer Gebühren für das Abstellen von Privat-Pkws im öffentlichen Raum als unfaire Belastung kommentiert, blendet aus, dass es sich um ein privilegiertes Nutzungsrecht für an sich öffentliche Fläche handelt – die auch vielfältig anders genutzt werden könnte. Ein kleines Gedankenexperiment: Wie hoch läge wohl der Marktpreis oder die Zahlungsbereitschaft für ein dauerhaftes Nutzungsrecht von zehn Quadratmetern öffentlicher Fläche in bester Lage direkt vor der Haustüre? Vermutlich ein Vielfaches über den rund zehn Euro Parkgebühr pro Monat. Bei diesem Schleuderpreis von einem Euro pro Quadratmeter für Platz im öffentlichen Raum gäbe es wohl kaum eine Hausgemeinschaft, die nicht gerne einen Tischtennistisch, eine Sitzgruppe mit Kaffeetisch oder ein Planschbecken mit Liegestuhl vor der eigenen Haustüre aufstellen würde.

Autogerechte Stadt

In der Zeit vor der massiven Zunahme des Kfz-Verkehrs und der Verbreitung des planerischen Leitbilds der "autogerechten Stadt" war das Abstellen privater Gegenstände, Fahrzeuge und Fuhrwerke im öffentlichen Raum verboten. In der heute gültigen Straßenverkehrsordnung wurde diese an und für sich selbsterklärende und selbstverständliche Norm umgedreht. Und so ist nun gemäß Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung (StVO) das Abstellen von Fahrzeugen überall erlaubt, wo es nicht gemäß Paragraf 24 verboten ist.

Dieser Umstand, kombiniert mit dem niedrigen Preis, führt dazu, dass Autos massenhaft im öffentlichen Raum abgestellt werden, während in Parkgaragen viele Plätze frei sind. Im Übrigen eine doppelte Platz- und Ressourcenverschwendung. Insofern ist es höchste Zeit, die in der Straßenverkehrsordnung verkehrte Normalität wieder vom Kopf auf die Beine zu stellen und das Abstellen von Pkws einfach nur auf dafür vorgesehenen Flächen zu erlauben.

Mutige Strategie

In der Stadt Biel in der Schweiz gibt es flächendeckendes Parkraummanagement. Allerdings bekommt ein Parkpickerl nur, wer nachweist, dass keine private Abstellmöglichkeit am Wohnort zur Verfügung steht – womit Garagenleerstand auf Kosten öffentlicher Fläche reduziert wird. Auch in Wien gab es im Zuge der Errichtung eines Radwegs auf der Linken Wienzeile im Jahr 2019 ein Pilotprojekt. Statt 70 Pkw-Abstellplätzen auf der kostbaren Oberfläche wurden 95 vergünstige Dauerstellplätze in umliegenden Garagen angeboten.

Als internationaler Vorreiter gilt Amsterdam. Einerseits aufgrund gestaffelter Parktarife – je näher dem Zentrum, desto kostbarer die Fläche und folglich höher die Gebühren. Andererseits wird auch ein klares Ziel formuliert: Bis zum Jahr 2025 sollen 11.000(!) Pkw-Abstellplätze für eine vielfältige, öffentliche Nutzung umgewidmet werden. Die Anzahl der ausgegebenen Dauerparkberechtigungen wird sukzessive reduziert – für die Neuausstellung eines Parkpickerls können Wartezeiten entstehen, damit die definierte Obergrenze nicht überschritten wird. Mit dieser mutigen Strategie ist Amsterdam nicht allein. Auch Oslo, Rotterdam, Bern und Paris verfolgen eine ambitionierte Politik, um nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch wieder mehr nutzbare öffentliche Fläche zu haben.

"Niemandem etwas weggenommen – der öffentliche Raum gehört allen."

Die Einführung eines flächendeckenden Parkraummanagements in Wien sowie wirksame Maßnahmen, die Auslastung verfügbarer Garagenabstellplätze zu verbessern, sind Mindestvoraussetzungen, um die ambitionierten Ziele der Wiener Landesregierung zu erreichen.

Ohne Begleitmaßnahmen kann wirksames Parkraummanagement allerdings – wie auch in Wien beobachtet – dazu führen, dass durch vereinfachte Suche eines Abstellplatzes die Autonutzung attraktiver wird. Deshalb braucht es auch in Wien eine konkrete Vereinbarung, wie viele Pkw-Abstellplätze auf der Oberfläche für eine vielfältige öffentliche Nutzung, für mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, Platz für Gehen und Radfahren sowie mehr Begrünung und Wasserflächen zur Verfügung gestellt werden sollen. Dabei wird, anders als manche behaupten, niemandem etwas weggenommen – denn der öffentliche Raum gehört allen. (Michael Schwendinger, 16.5.2021)