Turn- statt Festsaal: Auch bei der heurigen Reifeprüfung mussten Corona-bedingt einige Planänderungen vorgenommen werden.

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Jetzt, an diesem Wochenende, hat sogar der Freund Besuchsverbot. Auf den letzten Metern will Stefanie Feiner wirklich nichts mehr riskieren. Auch Katharina Tolstiuk befindet sich in den letzten zehn Tagen vor dem Maturaantritt "quasi in Heimquarantäne". Die Vorbereitungsstunden wurden an der Höheren Lehranstalt für Mode, Produktmanagement und Präsentation in Mödling großteils online abgehalten – und das sogar als freiwilliges Angebot am Feiertag.

Die Mädchen sind aufgeregt, Corona sorgt da noch einmal für extra Anspannung. Erst knapp vor Prüfungsantritt – an der BHS wird bereits am 19. Mai mit Rechnungswesen und Betriebswirtschaftslehre gestartet – sichert ein negativer Covid-19-Test die Zulassung zur Matura. Zwischendurch muss noch ein weiteres Mal in der Nase gestochert oder unter Aufsicht gegurgelt werden. Trotzdem überwiegt bei den jungen Frauen eine freudige Nervosität. Sie wollen noch einmal zeigen, was sie können, bevor ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Katharina tritt sogar freiwillig zur "Mündlichen" in Mathematik an. Stefanie hat das lieber ausgelassen. Sie konzentriert sich auf BWL, Deutsch und Englisch: "Eigentlich sollte ich locker durch sein", rechnet sie sich aus. Doch die erforderlichen 30 Prozent der Punkte, die beim schriftlichen Antritt erreicht werden müssen, reichen ihr nicht. Sie will bei der Abschlussklausur glänzen.

Minimalanforderung

Was den Maturantinnen und ihren rund 40.000 Kolleginnen und Kollegen zugutekommt: Seit 2020 haben sich pandemiebedingt die Regeln für die große Prüfung am Ende der Schullaufbahn verändert. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will damit dem doch eher bruchstückhaft absolvierten Schuljahr Rechnung tragen. Mehrheitlich mussten die Schülerinnen und Schüler der Oberstufenklassen heuer von zu Hause aus lernen.

Die wenigen Tage, an denen der Unterricht vor Ort stattgefunden hat, wurden im Schichtbetrieb absolviert. Weil das für viele junge Menschen belastend war und ist, wurde unter anderem an den Leistungsanforderungen für Absolventinnen und Absolventen der Maturaklassen geschraubt, das bedeutet: Wie im Vorjahr wird auch heuer die Jahresnote aus dem Abschlusszeugnis zur Beurteilung herangezogen.

Die 30 Prozent, die bei der Matura selbst dann als Minimalanforderung beizusteuern sind, haben sich als Lehre aus dem Frühjahr 2020 ergeben: Damals hatte eine Handvoll Absolventinnen und Absolventen die neuen Spielregeln so interpretiert, dass sie sich erst gar nicht angestrengt und ein leeres Blatt Papier abgegeben haben.

Herausforderung Maturafoto

Für Elias Forster, ebenfalls gerade in Vorbereitung auf die Deutschmatura am kommenden Donnerstag, ist das keine Option. Er tritt gleich in drei Fächern mündlich an, wird die Aufregung also erst Mitte Juni hinter sich haben. Seine Schule, das BG Blumenstraße in Bregenz, hatte es voriges Jahr zu einiger medialer Aufmerksamkeit gebracht.

Denn in Corona-Zeiten wird selbst das traditionelle Maturafoto zur Herausforderung. Wie stellen wir uns auf, ohne dabei gegen die Abstands- und Hygienebestimmungen zu verstoßen? Wie kann die Klasse zumindest als gemeinsames Ganzes erinnert werden?

Zwei Pädagogen hatten da eine Idee: Alle Schüler wurden einzeln vor die Kamera gebeten – am Ende wurde ein Bild neben dem anderen eingepasst – Photoshop sei Dank! Weil das Ganze nicht unaufwendig war – es wurde sogar darauf geachtet, dass die Schatten aller Fotografierten im gleichen Winkel fallen –, steht die Lösung für heuer noch in den Sternen.

Maturareise

Es ist nicht die einzige Unsicherheit, mit der die jungen Erwachsenen zu kämpfen haben. Maturareise? "Wir wollten zuerst nach Kroatien fahren", sagt Leonie Kaiser, ebenfalls in der Abschlussklasse in Mödling. Jetzt wird es eben die Turracher Höhe, zwei Hütten und eine Sommerrodelbahn. Immerhin.

Andere haben ihre Reisepläne gleich komplett über Bord geworfen oder überlegen noch, wie Daniela Seyinger und ihre Klassenkameraden aus der 8b im Gymnasium Blumenstraße. "Ich hoffe, dass wir ein, zwei Monate nach der Matura wegfahren können", sagt die Schülerin, "das tut uns schon leid, wenn wir gar nichts haben." Der Maturaball ist gestrichen.

Das "Käpplefest", hier im Westen bereits beim Eintritt in die achte Klasse üblich, ist sowieso ausgefallen. Sogar beim Ort der Abschlussprüfung müssen Kompromisse gemacht werden: Maturiert wird im Turn- statt im Festsaal.

Für den Ablauf vor Ort sieht das neue Reglement dann Folgendes vor: Statt vier müssen nur drei Prüfungen schriftlich abgelegt werden, pro Fach wird die Arbeitszeit um 60 Minuten verlängert. Die Aufgaben für Mathematik, Deutsch und Englisch lagern bei Direktor Klaus König schon im Schultresor. Für alle anderen Fächer erhält er jeweils am Tag davor die dreifach verschlüsselten Prüfungsaufgaben.

Was für ihn heuer wegfällt: Er wird, wie alle anderen Schulleitungen quer durch Österreich, seine Rolle als externer Vorsitzender bei der Matura der Partnerschule nicht wahrnehmen – auch das eine Corona-Begleiterscheinung, allerdings eine, bei der es laut Bildungsministerium auch in Zukunft bleiben soll.

Zweite Chance, gute Resultate

Dass "mehr als 15 Prozent" der Schülerinnen und Schüler hier am Gymnasium Blumenstraße auch zu einer oder mehreren mündlichen Prüfungen antreten (auch das fällt heuer unter Wahlfreiheit), ist österreichweit eher die Ausnahme: Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktorinnen und -Direktoren, schildert, dass nur einige "Hundert" der rund 18.000 Maturantinnen und Maturanten im Gymnasium diesen Weg beschreiten.

Jene, die den Antritt wagen, bekommen das auch im Reifeprüfungszeugnis ausgewiesen. Bei allen anderen wird die Note des Jahreszeugnisses eingetragen. Erst Anfang Mai wurde vom Ministerium eine neue Hürde abgebaut: Jetzt bekommen jene Kandidatinnen und Kandidaten, die knapp vor dem mündlichen Antritt erkranken, ein falsch positives Testergebnis erhalten oder als K1-Personen in Quarantäne müssen, doch noch eine zweite Chance bei einem Ersatztermin vor dem Sommer.

Im Vorjahr hat die "Corona-Matura" übrigens zu außerordentlich guten Ergebnissen geführt. Die Statistik Austria hat die Jahre 2019 und 2020 verglichen, und siehe da: An den AHS bestanden 85,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Reifeprüfung zum klassischen Sommertermin. Im Jahr davor waren es nur 78,8 Prozent. Auch die BHS-Ergebnisse fielen deutlich besser aus: 90,9 Prozent bestanden im Vorjahr auf Anhieb, 2019 schafften das nur 80 Prozent der Prüflinge.

Leonie Kaiser hat neben dem erfolgreichen Bestehen noch einen weiteren Wunsch: "Ich würde gerne einen Abschlussheurigen machen", aber bei 26 Leuten und nach wie vor unsicherer Infektionslage traut sich niemand, einen Tisch zu reservieren. (Karin Riss, 16.5.2021)