5G findet rasche Verbreitung.

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Eines muss man den österreichischen Mobilfunkern lassen: Zumindest im städtischen Bereich ist die 5G-Versorgung im vergangenen Jahr deutlich besser geworden. Die Zahl der mit der aktuellsten Mobilfunkgeneration ausgestatteten Sendemasten hat stark zugenommen, sodass man nun etwa nicht mehr ans andere Ende der Stadt fahren muss, um dieses geheimnisvolle 5G irgendwo zu finden. Gleichzeitig ist aber auch etwas anderes unübersehbar: Die große Revolution, als die 5G dereinst vollmundig von einer ganzen Industrie angekündigt wurde, sucht man bislang vergebens.

Versprechen trifft Realität

Zur Erinnerung: Aus den Begriffen, die von Mobilfunkern und Hardwareherstellern im Vorfeld herumgeworfen wurden, hätte man ein veritables Buzzword Bingo bauen können. Eine Prise Virtual Reality hier, ein bisschen autonomes Fahren dort, und zum Drüberstreuen auch noch so manche Vision von Operationen über das Internet. Das vieles davon rein logisch wenig Sinn ergibt, störte dabei niemanden, auch kritische Nachfragen brachten Industrievertreter nicht ins Stocken. Der Hype wollte schließlich gepflegt werden.

Langweilig verkauft sich nicht gut

Dabei könnte man derzeit eigentlich ganz zufrieden sein: Immerhin hat das Thema 5G in den vergangenen Monaten deutliche Fortschritte gemacht. Das wäre einmal der Umstand, dass mittlerweile viele aktuelle Smartphones mit einem 5G-Modem ausgestattet sind. Klar: Beim Akkuverbrauch und zum Teil auch bei der Frequenzabdeckung gibt es noch so manchen Verbesserungsbedarf. Trotzdem ist die Smartphone-Industrie als Ganzes mit beeindruckender Geschwindigkeit vorgegangen. Selbst Apple, dass sich bei solchen Innovationen sonst schon einmal etwas länger Zeit lässt, ist mit dabei.

Vor allem aber: Auch beim Netzausbau gibt es wie schon erwähnt deutliche Fortschritte. So spricht Magenta auf Anfrage des STANDARD mittlerweile von 1.350 Standorten in 1.000 Gemeinden. Zum Vergleich: Vergangenen Juni lag dieser Wert noch bei bescheidenen 145. Damit werde bereits ein Drittel der Bevölkerung vom eigenen Netz abgedeckt, rechnet Magenta vor. Ähnlich positive Wert kann A1 nennen, wo gar von 1.500 Sendern und fast der Hälfte der österreichischen Bevölkerung die Rede ist.

Auf dem Land

Natürlich spielt sich all das vor allem in den großen Städten ab, während es große Regionen gibt, wo es bislang keine Spur vom 5G-Netz gibt. Trotzdem: Der Trend ist ein positiver. Und auch im ländlichen Raum tut sich langsam etwas. So verspricht "3" im kommenden Jahr "mehr als 700 (735 Katastralgemeinden) bisher unterversorgte ländliche Gemeinden mit superschnellem Internet (zu) versorgen". Bei A1 will man gar bis 2023 eine flächendeckende Abdeckung mit 5G erzielen.

Ein wichtiger Schritt für die 5G-Zukunft wird dabei jenes 700-Mhz-Spektrum spielen, das vergangenen Herbst versteigert wurde. Die vergleichsweise niedrige Frequenz hat nämlich zur Folge, dass ein solches Netz besonders gute Ausbreitungseigenschaften hat. Anders gesagt: Die Reichweite ist deutlich besser als bei den bisher genutzten 5G- oder auch 3G- und 4G-Frequenzen. Das bedeutet, dass auch entfernte Täler künftig eine Mobilfunkanbindung haben sollen – und ebenfalls nicht zu unterschätzen: Auch innerhalb von Gebäuden soll so der Empfang besser werden. Einen ersten Standort im 700 MHz-Bereich hat Magenta gerade erst in Betrieb genommen.

Geschwindigkeit ist relativ

Etwas schwieriger wird die Beurteilung, wenn man über das Thema Geschwindigkeit spricht. So verweisen die Mobilfunker unisono darauf, dass 5G flotter als LTE ist. Das stimmt – ist aber gleichzeitig auch gleich in mehrerlei Hinsicht irreführend. Immerhin muss man derzeit noch immer ganz schön tief in die Tasche greifen, wenn man einen flotten 5G-Tarif haben will. Und der Vergleich mit LTE geht auch nur deswegen auf, weil dessen Geschwindigkeit in österreichischen Netzen üblicherweise auf ein ziemlich überschaubares Niveau beschränkt ist – deutlich unter dem, was technisch möglich wäre. Die gesteigerten Geschwindigkeiten sind insofern vor allem auf eine generelle Kapazitätausweitung der Netze zurückzuführen.

MIt 5G hat das nur indirekt zu tun, und vor allem nicht in jenem Ausmaß, mit dem die Technologie einst gehypt wurde. Das soll diese Entwicklung nicht schlechtmachen, sie ist erfreulich, keine Frage. So spricht Magenta etwa davon, dass in Städten künftig 100 MBit/s Standard sein sollen – mit Spitzen bis zu 1 GBit/s. Das ist toll, aber es ist eben "Evolution", und nicht jene "Revolution", als die es angepriesen wurde.

mmWave

Was bei all dem nicht vergessen werden darf: 5G ist genaugenommen eine Sammelsurium verschiedener Frequenzen und Technologien. Und ein guter Teil der getätigten Versprechen waren auf ein Thema gemünzt, das in Österreich in Wirklichkeit noch keines ist: mmWave soll durch besonders hohe Frequenzen erst diese extrem niedrigen Latenzen und Geschwindigkeiten ergeben, von denen die Ersteller so mancher Werbe-Powerpoint-Folien träumen.

Auf dieses Thema angesprochen, geben sich die österreichischen Mobilfunker allerdings mittlerweile reichlich zurückhaltend. Bei A1 betont man zwar generelles Interesse an dem Thema, verweist aber schnell auf den Einsatz in urbanen Hotspots und generell für Orte, wo sehr hohe Kapazitäten gefragt sind.

Bei Magenta wird man auf Nachfrage noch deutlicher: Man sehe keinen Sinn darin, mmWave flächendeckend anzubieten. Aufgrund der sehr schlechten Ausbreitungseigenschaften sei dies vor allem für Spezialanwendungen wie große Events oder auch am Flughafen interessant. Zudem verweist die Firma darauf, dass derzeit überhaupt noch keine Versteigerung der betreffenden Frequenzen in Sicht ist. Und das sei auch sinnvoll, immerhin sei man mit den aktuellen Ausbaupflichten, die mit dem 5G-Frequenzerwerb einhergegangen sind, ohnehin schon gut ausgelastet.

Optimistischer ist man da schon bei "3" wo man eine Versteigerung der 26-GHz-Frequenzen für kommendes Jahr erwartet. Aber auch da spricht man vor allem von Hotspots oder Unternehmensthemen wie "Industrie 4.0".

USA

Klingt alles ziemlich kühl im Vergleich zu all dem, was früher zu mmWave zu hören war. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es aus den USA mittlerweile eine Portion Realität herübergeschwappt hat. Dort ist nämlich mmWave bei einigen Providern schon im Einsatz, und die Erfahrungen damit sind nicht gerade berauschend. Zwar gibt es tatsächlich theoretisch hervorragende Werte bei der Datenübertragung, nur bekommt die in der Praxis fast nie jemand.

So sprach etwa Verizon unlängst davon, dass die eigenen 5G-Kunden im Schnitt 0,8 Prozent ihrer Zeit mit dem mmWave-Netz verbunden sind – und das ist noch der Bestwert unter den US-Providern. Von der "systemischen Transformation", die Verizon in diesem Zusammenhang schon mal in den Mund genommen hat, ist man damit weit entfernt. Dabei will Verizon zumindest weiter mmWave ausbauen, während bei T-Mobile und AT&T der Enthusiasmus für diesen Frequenzbereich mittlerweile stark abgeflaut scheint.

Schritt für Schritt

Trotzdem zeichnen sich auch in Österreich in den kommenden Jahren durchaus relevante Verbesserungen ab. Jeder der drei großen Mobilfunker verweist auf die eigenen Pläne für 5G Standalone – also den Betrieb von 5G ganz ohne LTE-Unterstützung, wie sie bisher genutzt wird. Erst damit soll sich das Netz dann ganz entfalten könnte, was vor allem heißt: niedrigere Latenzen und weiter gesteigerte Geschwindigkeiten. Dazu kommen dann noch das Network Slicing, mit dem isolierte Ende-zu-Ende-Netzwerke für Spezialwendungen möglich werden. Auch das ist vor allem für Unternehmen interessant, um eine möglichst hohe Zuverlässigkeit zu garantieren, nicht zuletzt mit dem Blick auf das Internet der Dinge. Einen Zeitrahmen für 5G Standalone nennt allerdings nur Magenta, hier ist von "voraussichtlich 2023" die Rede.

Die nähere Zukunft wird hingegen von profaneren Dingen geprägt sein. Also vor allem dem kontinuierlichen Ausbau der Infrastruktur, damit auch mehr Teile des Landes tatsächlich etwas von dem neuen Netz haben. A1 will etwa eine flächendeckende 5G-Abdeckung bis 2023 erzielen. Oder auch davon, dass der 5G-Support in Smartphones weiter optimiert wird. 5G dürfte also schon bald zur Normalität für viele werden. Dass es für die breite Masse den riesigen Unterschied ausmacht, den man einmal versprochen hat, darf allerdings bezweifelt werden. Also außer beim Preis – aber auch das wird sich wohl früher oder später einpendeln.

Ausblick

Gespannt darf man jedenfalls schon sein, womit dann in ein paar Jahren 6G angepriesen wird. Aber wenn wir raten müssten: "Operationen über das Internet", "Virtual Reality" oder auch "autonomes Fahren" haben in dieser Hinsicht ziemlich gute Karten. (Andreas Proschofsky, 15.5.2021)