Kurz muss weg: Das sei das Ziel seiner Gegner, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in der ZiB 2, nachdem bekannt geworden war, dass ihn die Staatsanwaltschaft beschuldigt, im Ibiza-Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Er und die ÖVP würden sich das nicht gefallen lassen, sagte der Kanzler. Prompt sprangen ihm alle sechs ÖVP-Landeshauptleute zur Seite. "Haltlose Vorwürfe der Opposition", wetterte der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer.

Was war geschehen? Der Kanzler wirft "der Opposition" vor, sie wolle ihn "weghaben" von der Regierungsspitze. In einer Demokratie ist das legitim. Problematischer ist schon, dass Kurz SPÖ, Neos und FPÖ vorwirft, dieses Ziel mit einer "problematischen Anzeigenkultur" erreichen zu wollen. Was er dabei ausblendet: Die Anzeigen, die ihn nun in die juristische und moralische Bredouille bringen, erfolgten auf Basis dessen, wie Kurz vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgetreten ist – und was er dort gesagt beziehungsweise nicht gesagt hat.

Die türkise ÖVP malt das Bild einer Verschwörung gegen Kurz.
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Am problematischsten ist, dass der Kanzler und die Seinen "die Justiz" zu "der Opposition" zählen – wie im Übrigen auch "die Medien", sofern sie nicht brav Regierungslinie wiedergeben. Die türkise ÖVP malt das Bild einer Verschwörung gegen Kurz mit dem Ziel, ihn, den zweimal "vom Volk" Ge- und Erwählten, aus dem Kanzleramt zu putschen. Das deutete er schon an, als Türkis-Blau nach den Ibiza-Enthüllungen zerbrach – und der Nationalrat Kurz’ ÖVP-Alleinregierung die Zustimmung verweigerte. Das ist auch heute die Erzählung, ergänzt durch die Botschaft: "Dagegen wehren wir uns." Demokratiepolitische Kollateralschäden werden billigend in Kauf genommen.

Abschreckendes Schauspiel

Zu dieser Strategie gehört auch, wie die ÖVP im Untersuchungsausschuss agiert. Genaues weiß man zwar nicht, da die ÖVP eine öffentliche Übertragung der Ausschussarbeit bis dato ablehnt. Eine Ahnung bekam man allerdings in der Milborn-Talkrunde auf Puls 24mit allen fünf Fraktionsführern im Ausschuss. ÖVP-Mann Andreas Hanger beklagte, dass "hier vier gegen einen stehen", riss jedoch völlig ungehemmt das Gespräch an sich, fiel allen anderen ins Wort und wurde schnell persönlich untergriffig. Wer dieses abschreckende Schauspiel sah, musste wohl denken, dass der U-Ausschuss außer haarsträubender Streitereien nichts bringe. Dass viele Wähler (und Steuerzahler) so denken, zeigt ein Blick in Foren verschiedener Medien. Die Kurz-ÖVP gibt das Opfer, zertrümmert gleichzeitig die Reputation demokratischer Institutionen und zeigt mit dem Finger auf alle anderen.

Die Stilisierung zur Beute einer (tendenziell linken) Jagdgesellschaft erinnert nicht nur an Jörg Haider in seiner politisch aggressivsten Zeit. Ein Blick über die Grenze ins Ungarn des Viktor Orbán zeigt, wohin solche Tendenzen führen können, wenn man sie zu Ende denkt. Oder nach Israel, wo sich Kurz’ politischer Freund Benjamin Netanjahu seit Jahren an die Macht klammert – ungeachtet anhängiger Gerichtsverfahren wegen Korruptionsverdachts.

Wie solche Parallelen im übrigen Ausland ankommen, kann man derzeit in deutschen Pressespiegeln nachlesen. Kurz’ internationales Image ist ramponiert. Das ist freilich das kleinere Problem. Das größere ist, dass es von Österreich nach Ungarn nicht weit ist. Und das ist in diesem Fall nicht geografisch gemeint. (Petra Stuiber, 14.5.2021)