Der Dirigent Andrés Orozco-Estrada

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Die klassische Musik gehört ebenso zu Wien wie das Riesenrad und der vielzitierte Wiener Humor. Das Neujahrskonzert der Philharmoniker zieht ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt an, ebenso Auftritte der Symphoniker im Konzerthaus. Die Liebe Österreichs zur klassischen Musik, sie spiegelt sich auch in der EU-Datenbank wider, die Transparenz in die heimischen Corona-Hilfen bringen soll. Zwar tauchen weder Symphoniker noch Philharmoniker in der Liste auf. Dafür finden sich dort zwei andere bekannte Wiener Orchester und einer der bekanntesten Dirigenten der Welt.

Andrés Orozco-Estrada ist der Chefdirigent der Wiener Symphoniker, nebenbei ist er auch musikalischer Direktor des ebenso weltbekannte Houston Symphony Orchestra. Er ist zudem noch unter anderem Chefdirigent beim Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks oder auch beim Freixenet Symphony Orchestra Madrid. Kurzum: Orozco-Estrada ist ein vielbeschäftigter und wohl auch ganz gut bezahlter Musiker.

Und: Er steht auch auf der Liste der Hilfsempfänger, die Geld von der österreichischen Cofag bekommen haben, also jener Agentur, die für die Auszahlung eines Teils der Staatshilfen verantwortlich war, mit denen ein schlimmerer Absturz der Wirtschaft vermieden werden sollte. Rund 211.000 Euro flossen im vergangenen Jahr an den Stardirigenten, und zwar unter dem Titel der Umsatzentschädigung. Das wirft einige Fragen auf: Warum etwa der hohe Zuschuss an eine Einzelperson? Ansonsten finden sich in der Cofag-Liste vor allem Unternehmen.

An die Symphoniker selbst floss der Datenbank zufolge kein Geld. Angestellt ist Orozco-Estrada bei den Symphonikern nicht, er habe dort lediglich einen Vertrag als freier Dienstnehmer, sagt ein Sprecher auf Anfrage des STANDARD.

Peter Bartos, Spezialist für Corona-Hilfen bei den Wirtschaftsprüfern von BDO, sagt, dass auch Einzelunternehmer, die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bekamen, Anspruch auf Umsatzersatz und ähnliche Hilfen gehabt haben, sofern sie von den behördlichen Sperren betroffen waren. Die Rechtsform des Antragstellers ist dabei nicht entscheidend. Sprich: Als Einzelunternehmer kann Orozco-Estrada die Hilfen im Prinzip geltend machen.

Ersatz für die Kunst

Vom Lockdown betroffen waren Kulturinstitutionen ja. Aber wie genau hilft das dem Dirigenten? Zu Einzelfällen will die staatliche Cofag nichts sagen, nur so viel: "Unternehmer aus dem Bereich darstellende Kunst müssen Veranstalter sein, damit sie den ‚Lockdown-Umsatzersatz I‘ direkt beantragen können. Dies müssen sie durch einen Nachweis mittels Formular belegen." Die Cofag überprüfe die Veranstaltereigenschaft der Unternehmer regelmäßig nach der Gewährung der Hilfen.

Und weiter heißt es dann kryptisch: Sollten Unternehmer aus dem Bereich Darstellende Kunst den Lockdown-Umsatzersatz 2020 ohne Veranstaltereigenschaft bezogen haben, können sie im Jahr 2021 den Lockdown-Umsatzersatz II beantragen und zwar wenn sie indirekt von den Lockdowns betroffen waren. Allfällige Differenzbeträge zwischen den beiden Hilfsinstrumenten werden in der Folge gegenverrechnet. Deutet die Cofag hier eine Gegenverrechnung im konkreten Fall an? Das bleibt unklar, weil man sich ja zum Einzelfall nicht äußert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Wiener Symphoniker wie erwähnt nicht in der Datenbank mit Zuschüssen aufscheinen.

Was hat also Orozco-Estrada veranstaltet? Von seiner Agentur heißt es dazu nur: Den Antrag auf Staatshilfe habe die Steuerberaterin des Dirigenten nach Absprache mit ihm gestellt, nähere Details kenne er aber nicht.

Zwei Orchester

Die beiden Orchester, die in der Liste auftauchen, sind das Wiener Residenzorchester und das Wiener Mozart Orchester. An das Residenzorchester flossen im vergangenen Jahr von der staatlichen Agentur Cofag Zuschüsse in Höhe von fast 303.000 Euro als Umsatzersatz. An das Mozart Orchester gingen ebenfalls unter dem gleichen Titel 100.000 Euro. Aber wofür brauchen Orchester überhaupt das Geld? Ein großer Teil der Konzerte ist ja Lockdown-bedingt ausgefallen, Saalmiete und Ähnliches sollte daher nicht angefallen sein. Und Kurzarbeit gab es natürlich auch für gesperrte Kulturbetriebe.

"Von üblicherweise 70 bis 90 Fixangestellten sind wir mit 45 in die Kurzarbeit gegangen", sagt eine Sprecherin des Wiener Residenzorchesters. Hier habe es weiterhin Aufwendungen gegeben. Auch für einige Spielstätten habe es weiterhin Ausgaben gegeben, da man nicht aus allen Verträgen stornofrei herausgekommen sei.

Beim Mozart Orchester ist der Name Programm – das Schaffen von Wolfgang Amadeus Mozart steht im Mittelpunkt. Wiedererkennungswert hat vor allem ihr Bühnenoutfit, da sie im Rahmen einer jährlichen Konzertreihe in historischen Kostümen auf der Bühne stehen. (Andreas Danzer, András Szigetvari, 15.5.2021)