Noch-ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel steht im Ringen um seine Nachfolge ...

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...Renate Götschl (li) zur Seite und will Michael Walchhofer (re) verhindern.

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Wir erfinden immer neue Spiele, Spiele gibt’s zu spielen viele." Als mit diesen feinen Zeilen die vielleicht feinste Falco-Nummer Helden von heute auf seinem allerfeinsten Album Einzelhaft (1982) herauskam, war Peter Schröcksnadel schon vier Jahre lang im Österreichischen Skiverband (ÖSV) tätig. Aus dem Referenten sollte 1987 ein Vizepräsident, aus dem Vizepräsidenten 1990 ein Präsident werden. Dieser Präsident dankt in wenigen Wochen ab, nach 31 Jahren und mit knapp 80 Jahren. Und deshalb werden jetzt Spiele gespielt.

Spiele wie Mensch ärgere Dich nicht, Risiko und natürlich Schach. Wenn man so will, führt Michael Walchhofer (46) die weißen Figuren. Der Salzburger war nach Absagen des Tirolers Michael Huber und des Kärntners Klaus Pekarek als vermeintlich einziger Kandidat verblieben. Dann kam heraus, dass Walchhofer, warum auch immer, dem Noch-Präsidenten Schröcksnadel nicht genehm war, dieser begab sich auf Gegenkandidatensuche und fand Renate Götschl. Kurz sah es so aus, als würde die Steirerin mit den schwarzen Figuren flott die Oberhand gewinnen. Mittlerweile gibt es eine Pattsituation.

Vor wenigen Tagen hieß es, die Landesverbände hätten sich auf Walchhofer als Präsidenten verständigt, Götschl würde "erste Vizepräsidentin" werden. Dann kam Götschls Konter. "Ich weiß nichts davon", sagte sie zu ORF.at. "Bei mir hat sich nichts verändert, ich kandidiere immer noch als Präsidentin." Die persönliche Ebene zwischen Walchhofer und Götschl wäre vielleicht das geringste Problem, die Abfahrts-WM-Champions sind Jahrgangs- und waren Schulkollegen. Doch im Hintergrund tobt ein erbitterter Machtkampf unter den Landesverbänden.

Mitglieder und Mehrheiten

Einige haben sich klar hinter Walchhofer und gegen Schröcksnadel gestellt. Andere, die Westachse (Tirol, Vorarlberg) sowie Wien, sind seit eh und je im Schröcksnadel-Lager. Kommt zu diesem Trio die Steiermark dazu, die kaum gegen eine Steirerin stimmen kann, so hätte Götschl die Mehrheit der Wahlstimmen. Diese korrelieren mit den Mitgliederzahlen, da ragt Tirol so weit heraus, dass es nur drei weitere Landesverbände braucht.Bei Meetings mit einzelnen Landesverbänden wusste Götschl nicht wirklich zu überzeugen. Und einem Hearing in der großen Runde der Landesverbandsspitzen ging sie aus dem Weg. Das irritierte, schließlich hatte Walchhofer ein solches Hearing absolviert und dabei beeindruckt. "Das ist ja kein Pimperljob", sagt ein hochrangiger Funktionär dem STANDARD. "Da braucht es Management- und Führungsqualitäten." Der ÖSV hat circa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 1100 Vereine, mehr als 140.000 Mitglieder und ein Jahresbudget von gut 40 Millionen Euro.

Wieso er Walchhofer unbedingt verhindern will, lässt Schröcksnadel unbeantwortet. Der ÖSV-Präsident erwähnt Walchhofers Nähe zur ÖVP, für die der Salzburger in Sachen Sport regierungsverhandelt hatte. Allerdings trat Götschl ja auch schon als Unterstützerin für den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) auf, mit dem Schröcksnadel wiederum nicht zuletzt wegen und seit der Ski-WM 2013 in Schladming verbunden ist. Nach dieser WM hatte der Rechnungshof zahlreiche Mängel in der Organisation, fehlende Transparenz und fehlende Kontrolle ausgemacht und die Zweckmäßigkeit einzelner Investitionen bezweifelt. In Summe flossen laut Rechnungshof 415,78 Millionen Euro nach Schladming, 250 Millionen direkt aus der öffentlichen Hand, der Großteil, 150 Millionen, kam vom Land. Die Steirer und Schröcksnadel verwiesen auf die Umwegrentabilität und reagierten auf die Kritik erbost, er sagte gar: "Der Rechnungshof ist nicht klagbar, er ist außerhalb der Haftung, sonst würden wir ihn klagen."

Positionen und Skigebiete

Könnte sein, dass weitere Großevents, die seither in Österreich stattgefunden haben, einer Prüfung noch harren. "Es wird schon Gründe haben, warum Schröcksnadel weiterhin die Fäden ziehen will", vermutet einer der Landesverbandspräsidenten. Schröcksnadel selbst dementierte: "Ich will keine Positionen mehr, habe keine Intentionen." Im Internationalen Skiverband (Fis) allerdings bewirbt sich Schröcksnadel wieder für einen Sitz im Council, der am 4. Juni gewählt wird.

Hierzulande profitierte nicht nur der ÖSV von Schröcksnadels Verbindungen. Auch ihm selbst dürfte seine Funktion an der ÖSV-Spitze nicht zum Nachteil gereicht haben. Das Schröcksnadel-Unternehmen Sitour ist auf Technologie und den Verkauf von Werbeflächen in Skigebieten spezialisiert, allein in Österreich sind neun von zehn Skigebieten, also 200, mit Sitour verbandelt, weltweit sind es tausend. Sitour-Werbepartner und ÖSV-Sponsor, das muss sich nicht ausschließen, und das schließt sich auch nicht aus – Audi ist dafür das beste Beispiel.

Dem Vernehmen nach will die Westachse verhindern, dass Walchhofer als ÖSV-Präsident auch mit Befugnissen über die wichtigen ÖSV-Tochtergesellschaften ausgestattet wird. Dabei hat Peter Schröcksnadel, jahrelang Präsident und Geschäftsführer der ÖSV-Gesellschaften, die Vorteile dieser Doppelrolle selbst betont. In wenigen Tagen wollen die Landesverbandsspitzen die Weichen stellen. Bis Ende Mai müssten sie sich auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin geeinigt haben, Mitte Juni soll bei der Länderkonferenz in Villach die neue ÖSV-Führung gekürt werden.

Übrigens: Als Falcos Einzelhaft erschien, waren Michael Walchhofer und Renate Götschl sechs Jahre alt. Zur ÖSV-Präsidiumswahl passt zumindest noch eine feine Zeile aus der feinen Helden von heute-Nummer: "Alles wartet, alles wartet." (Fritz Neumann, 15.5.2021)