Schießstand mit Koordinaten zu Klasse und Kapital: installative Performance "Brains’ Shit for Shit Brains" von Lucie Strecker.

Lucie Strecker

Bakterien, die Gold produzieren, Körper, die blaue Flüssigkeiten schwitzen, eine Schießbude, an der es als Hauptpreis Kot-Zäpfchen zu gewinnen gibt: Wo die Kunst mittels biotechnologischer Verfahren über die Kreisläufe des Lebens nachdenkt, liegen Faszination und Befremden häufig nah beieinander. Das Bregenzer Magazin 4, das laut Leiterin Judith Reichart als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst wiederbelebt werden soll, widmet sich in Holobiont. Live is other Werken an der Schnittstelle von Kunst und Naturwissenschaft.

Man nehme die Hybrid Family von Maja Smrekar, ein radikaler Selbstversuch zur Kreuzung von Mensch und Hund, 2017 mit einem Preis der Ars Electronica bedacht. Die Arbeit zog eine parlamentarische Anfrage der FPÖ nach sich, wie man via Überkopflautsprecher erfährt. Ein Hinweis auf die jüngsten Nachrichten über den Durchbruch bei der Züchtung von Mensch-Affen-Embryonen hätte es auch getan. Was bei Smrekar wie eine Utopie daherkommt, ist in der Forschung längst Realität. Diesen Umstand macht die Ausstellung bewusst.

Von Bakterien und Viren

In der Bio-Art geht es aber auch um den Wechsel der Perspektive. Sprich: Aus anthropozentrischer Sicht mag der Mensch zwar der über die Natur bestimmende Faktor sein. Er wird – die aktuellen Umstände führen es uns unschön vor Augen – aber auch seinerseits von Bakterien, Viren und sogar Technologien besiedelt. Zeit also, sich an den vor dreißig Jahren geprägten Begriff "Holobiont" zu erinnern, der alle Lebewesen als Gesamtheit eines biologischen Systems beschreibt.

Die Ausstellung geht der Frage nach, was gegenseitige Durchdringung alles bedeuten kann. Die Theorie darf man eingangs selbst in eine Petrischale sprechen, um hernach auf viel dokumentarisches Material zu sogenannten Mikroperformances zu treffen.

Das Wachstum von Kresse

Das betrifft leider auch Adam Browns mit der alten alchemistischen Idee spielende Installation zur Goldherstellung. Handfester wird es beim Video einer Performance von Špela Petrič, bei der die Künstlerin mit ihrem Schatten das Wachstum von Kresse beeinflusst.

Bei der gebürtigen Berlinerin Lucie Strecker, neben Jens Hauser und Thomas Feuerstein auch Kuratorin der Schau, geraten organische Prozesse ins Fadenkreuz von Überlegungen zu Klasse und Kapital. Während reale Biobanken Stuhlproben von Menschen aus verschiedenen Kulturen und Soziotopen sammeln, wartet an Streckers Schießbude bereits ein mikrobielles Zäpfchen mit Kot-Extrakt auf treffsichere Kundschaft. Geschossen wird auf Darmausgänge aus Porzellan. Bis 20. 6. (Ivona Jelcic, 15.5.2021)